Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung. nicht, weil Hermogenian der neueste unter allen hier an-geführten Juristen ist, welches an sich nicht entscheidend seyn würde, sondern weil er die in den vorhergehenden Stellen dargestellte große Controverse selbst erwähnt (post magnas varietates), und nun die wichtige Thatsache hinzu- fügt, daß zuletzt die (von Ulpian vertheidigte) strengere Meynung allgemein anerkannt worden sey (obtinuit). Her- mogenian erscheint also hier nicht als eine einzelne Stimme über jene Frage abgebend, sondern als die Thatsache je- nes Streites und der Beendigung desselben erzählend. In- dem wir nun diese Stelle mit den vielen, oben angeführ- ten, großentheils widersprechenden, Stellen, als ein Gan- zes zusammen fassen, so erscheint dieser Fall als ein solcher, worin uns Justinian ein Stück Rechtsgeschichte mittheilen wollte, indem er nicht nur die aus langem Streit als sie- gend hervorgegangene Regel in seine Sammlung aufnahm, sondern auch die in früherer Zeit streitenden Meynungen selbst, in einer bedeutenden Zahl von Zeugnissen darstellte, woraus der Sinn der letzten Entscheidung um so klarer hervortreten mußte. Demnach sind die oben angeführten Stellen des Modestin und des Paulus blos als Mittel zu historischer Belehrung über die allmälige Entwicklung der vorliegenden Rechtsregel anzusehen (dd). (dd) Vgl. oben B. 1 § 44. s.,
wo diese Art der vereinigenden Auslegung als Princip aufgestellt ist. -- Eine etwas abweichende Meynung über die hier vorliegen- de besondere Frage hat Göschen Vorlesungen I. S. 456. 460. 461. Er legt der Stelle des Hermoge- nian nicht die Wichtigkeit bey, die ich ihr hier zuschreibe, und hält es für ganz zweifelhaft, welche der beiden entgegengesetzten Regeln Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. nicht, weil Hermogenian der neueſte unter allen hier an-geführten Juriſten iſt, welches an ſich nicht entſcheidend ſeyn würde, ſondern weil er die in den vorhergehenden Stellen dargeſtellte große Controverſe ſelbſt erwähnt (post magnas varietates), und nun die wichtige Thatſache hinzu- fügt, daß zuletzt die (von Ulpian vertheidigte) ſtrengere Meynung allgemein anerkannt worden ſey (obtinuit). Her- mogenian erſcheint alſo hier nicht als eine einzelne Stimme über jene Frage abgebend, ſondern als die Thatſache je- nes Streites und der Beendigung deſſelben erzählend. In- dem wir nun dieſe Stelle mit den vielen, oben angeführ- ten, großentheils widerſprechenden, Stellen, als ein Gan- zes zuſammen faſſen, ſo erſcheint dieſer Fall als ein ſolcher, worin uns Juſtinian ein Stück Rechtsgeſchichte mittheilen wollte, indem er nicht nur die aus langem Streit als ſie- gend hervorgegangene Regel in ſeine Sammlung aufnahm, ſondern auch die in früherer Zeit ſtreitenden Meynungen ſelbſt, in einer bedeutenden Zahl von Zeugniſſen darſtellte, woraus der Sinn der letzten Entſcheidung um ſo klarer hervortreten mußte. Demnach ſind die oben angeführten Stellen des Modeſtin und des Paulus blos als Mittel zu hiſtoriſcher Belehrung über die allmälige Entwicklung der vorliegenden Rechtsregel anzuſehen (dd). (dd) Vgl. oben B. 1 § 44. s.,
wo dieſe Art der vereinigenden Auslegung als Princip aufgeſtellt iſt. — Eine etwas abweichende Meynung über die hier vorliegen- de beſondere Frage hat Göſchen Vorleſungen I. S. 456. 460. 461. Er legt der Stelle des Hermoge- nian nicht die Wichtigkeit bey, die ich ihr hier zuſchreibe, und hält es für ganz zweifelhaft, welche der beiden entgegengeſetzten Regeln <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0260" n="246"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/> nicht, weil Hermogenian der neueſte unter allen hier an-<lb/> geführten Juriſten iſt, welches an ſich nicht entſcheidend<lb/> ſeyn würde, ſondern weil er die in den vorhergehenden<lb/> Stellen dargeſtellte große Controverſe ſelbſt erwähnt <hi rendition="#aq">(post<lb/> magnas varietates),</hi> und nun die wichtige Thatſache hinzu-<lb/> fügt, daß zuletzt die (von Ulpian vertheidigte) ſtrengere<lb/> Meynung allgemein anerkannt worden ſey <hi rendition="#aq">(obtinuit).</hi> Her-<lb/> mogenian erſcheint alſo hier nicht als eine einzelne Stimme<lb/> über jene Frage abgebend, ſondern als die Thatſache je-<lb/> nes Streites und der Beendigung deſſelben erzählend. In-<lb/> dem wir nun dieſe Stelle mit den vielen, oben angeführ-<lb/> ten, großentheils widerſprechenden, Stellen, als ein Gan-<lb/> zes zuſammen faſſen, ſo erſcheint dieſer Fall als ein ſolcher,<lb/> worin uns Juſtinian ein Stück Rechtsgeſchichte mittheilen<lb/> wollte, indem er nicht nur die aus langem Streit als ſie-<lb/> gend hervorgegangene Regel in ſeine Sammlung aufnahm,<lb/> ſondern auch die in früherer Zeit ſtreitenden Meynungen<lb/> ſelbſt, in einer bedeutenden Zahl von Zeugniſſen darſtellte,<lb/> woraus der Sinn der letzten Entſcheidung um ſo klarer<lb/> hervortreten mußte. Demnach ſind die oben angeführten<lb/> Stellen des Modeſtin und des Paulus blos als Mittel zu<lb/> hiſtoriſcher Belehrung über die allmälige Entwicklung der<lb/> vorliegenden Rechtsregel anzuſehen <note xml:id="seg2pn_45_1" next="#seg2pn_45_2" place="foot" n="(dd)">Vgl. oben B. 1 § 44. <hi rendition="#aq">s.</hi>,<lb/> wo dieſe Art der vereinigenden<lb/> Auslegung als Princip aufgeſtellt<lb/> iſt. — Eine etwas abweichende<lb/> Meynung über die hier vorliegen-<lb/> de beſondere Frage hat <hi rendition="#g">Göſchen</hi><lb/> Vorleſungen <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 456. 460. 461.<lb/> Er legt der Stelle des Hermoge-<lb/> nian nicht die Wichtigkeit bey, die<lb/> ich ihr hier zuſchreibe, und hält<lb/> es für ganz zweifelhaft, welche<lb/> der beiden entgegengeſetzten Regeln</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [246/0260]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
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geführten Juriſten iſt, welches an ſich nicht entſcheidend
ſeyn würde, ſondern weil er die in den vorhergehenden
Stellen dargeſtellte große Controverſe ſelbſt erwähnt (post
magnas varietates), und nun die wichtige Thatſache hinzu-
fügt, daß zuletzt die (von Ulpian vertheidigte) ſtrengere
Meynung allgemein anerkannt worden ſey (obtinuit). Her-
mogenian erſcheint alſo hier nicht als eine einzelne Stimme
über jene Frage abgebend, ſondern als die Thatſache je-
nes Streites und der Beendigung deſſelben erzählend. In-
dem wir nun dieſe Stelle mit den vielen, oben angeführ-
ten, großentheils widerſprechenden, Stellen, als ein Gan-
zes zuſammen faſſen, ſo erſcheint dieſer Fall als ein ſolcher,
worin uns Juſtinian ein Stück Rechtsgeſchichte mittheilen
wollte, indem er nicht nur die aus langem Streit als ſie-
gend hervorgegangene Regel in ſeine Sammlung aufnahm,
ſondern auch die in früherer Zeit ſtreitenden Meynungen
ſelbſt, in einer bedeutenden Zahl von Zeugniſſen darſtellte,
woraus der Sinn der letzten Entſcheidung um ſo klarer
hervortreten mußte. Demnach ſind die oben angeführten
Stellen des Modeſtin und des Paulus blos als Mittel zu
hiſtoriſcher Belehrung über die allmälige Entwicklung der
vorliegenden Rechtsregel anzuſehen (dd).
(dd) Vgl. oben B. 1 § 44. s.,
wo dieſe Art der vereinigenden
Auslegung als Princip aufgeſtellt
iſt. — Eine etwas abweichende
Meynung über die hier vorliegen-
de beſondere Frage hat Göſchen
Vorleſungen I. S. 456. 460. 461.
Er legt der Stelle des Hermoge-
nian nicht die Wichtigkeit bey, die
ich ihr hier zuſchreibe, und hält
es für ganz zweifelhaft, welche
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