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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
bemerken, daß die hier erklärte Stelle des Ulpian wörtlich
in die Institutionen aufgenommen worden ist (x), und auch
dieser Umstand kann zur Unterstützung der Behauptung
dienen, daß die von Ulpian über jene controverse Frage
vorgetragene Meynung zugleich als die in unsren Rechts-
büchern gebilligte anzusehen ist.

Die einzelnen Fälle, worin Ulpian die von ihm aufge-
stellte allgemeine Regel zur Anwendung bringt, sind fol-
gende:

1) Die Aquilische und die Injurienklage, wenn ein
fremder Sklave gepeitscht, oder eine fremde Sklavin stu-
prirt worden ist (y).

2) Die a. vi bonorum raptorum neben der furti actio
oder der Aquilischen Klage, wenn Sachen entweder ge-
raubt, oder durch eine Bande (coactis hominibus) beschä-
digt worden sind (z).


schon bey Göschen Vorlesungen I.
S. 460.
(x) § 1 J. si quadrupes (4. 9.).
Die Regel wird hier angeführt,
um die Unabhängigkeit zweyer
Klagen aus derselben Thatsache
zu begründen, unter welchen die
eine auf Entschädigung, die andere
auf Strafe geht.
(y) L. 15 § 46 de injur. (47.
10.), L. 25 eod.
-- Wesentlich
dieselbe Meynung führt Paulus an
in L. 34 pr. de O. et A. (44. 7.).
"alii ... si ante injuriarum ac-
tum esset, teneri eum ex lege
Aquilia."
Daß die hier ange-
führten ungenannten Juristen für
den umgekehrten Fall, wenn die
Aquilische Klage zuerst angestellt
war, die Injurienklage ganz ver-
sagten, beruhte bey ihnen nicht auf
einem Zweifel an dem Princip,
sondern auf einem ganz indivi-
duellen Bedenken wegen der For-
mel der Injurienklage, worin die
Worte bonum et aequum stan-
den, von welchen Jene glaubten,
daß sie dem Gebrauch der Klage
nach schon eingeklagter Entschädi-
gung im Wege ständen.
(z) Zwar die L. 2 § 26 vi bon.
rapt.
(47. 8) erwähnt nur die
Coexistenz dieser und noch anderer
Klagen, ohne die Art ihrer Con-

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
bemerken, daß die hier erklärte Stelle des Ulpian wörtlich
in die Inſtitutionen aufgenommen worden iſt (x), und auch
dieſer Umſtand kann zur Unterſtützung der Behauptung
dienen, daß die von Ulpian über jene controverſe Frage
vorgetragene Meynung zugleich als die in unſren Rechts-
büchern gebilligte anzuſehen iſt.

Die einzelnen Fälle, worin Ulpian die von ihm aufge-
ſtellte allgemeine Regel zur Anwendung bringt, ſind fol-
gende:

1) Die Aquiliſche und die Injurienklage, wenn ein
fremder Sklave gepeitſcht, oder eine fremde Sklavin ſtu-
prirt worden iſt (y).

2) Die a. vi bonorum raptorum neben der furti actio
oder der Aquiliſchen Klage, wenn Sachen entweder ge-
raubt, oder durch eine Bande (coactis hominibus) beſchä-
digt worden ſind (z).


ſchon bey Göſchen Vorleſungen I.
S. 460.
(x) § 1 J. si quadrupes (4. 9.).
Die Regel wird hier angeführt,
um die Unabhängigkeit zweyer
Klagen aus derſelben Thatſache
zu begründen, unter welchen die
eine auf Entſchädigung, die andere
auf Strafe geht.
(y) L. 15 § 46 de injur. (47.
10.), L. 25 eod.
— Weſentlich
dieſelbe Meynung führt Paulus an
in L. 34 pr. de O. et A. (44. 7.).
„alii … si ante injuriarum ac-
tum esset, teneri eum ex lege
Aquilia.”
Daß die hier ange-
führten ungenannten Juriſten für
den umgekehrten Fall, wenn die
Aquiliſche Klage zuerſt angeſtellt
war, die Injurienklage ganz ver-
ſagten, beruhte bey ihnen nicht auf
einem Zweifel an dem Princip,
ſondern auf einem ganz indivi-
duellen Bedenken wegen der For-
mel der Injurienklage, worin die
Worte bonum et aequum ſtan-
den, von welchen Jene glaubten,
daß ſie dem Gebrauch der Klage
nach ſchon eingeklagter Entſchädi-
gung im Wege ſtänden.
(z) Zwar die L. 2 § 26 vi bon.
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[244/0258] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. bemerken, daß die hier erklärte Stelle des Ulpian wörtlich in die Inſtitutionen aufgenommen worden iſt (x), und auch dieſer Umſtand kann zur Unterſtützung der Behauptung dienen, daß die von Ulpian über jene controverſe Frage vorgetragene Meynung zugleich als die in unſren Rechts- büchern gebilligte anzuſehen iſt. Die einzelnen Fälle, worin Ulpian die von ihm aufge- ſtellte allgemeine Regel zur Anwendung bringt, ſind fol- gende: 1) Die Aquiliſche und die Injurienklage, wenn ein fremder Sklave gepeitſcht, oder eine fremde Sklavin ſtu- prirt worden iſt (y). 2) Die a. vi bonorum raptorum neben der furti actio oder der Aquiliſchen Klage, wenn Sachen entweder ge- raubt, oder durch eine Bande (coactis hominibus) beſchä- digt worden ſind (z). (w) (x) § 1 J. si quadrupes (4. 9.). Die Regel wird hier angeführt, um die Unabhängigkeit zweyer Klagen aus derſelben Thatſache zu begründen, unter welchen die eine auf Entſchädigung, die andere auf Strafe geht. (y) L. 15 § 46 de injur. (47. 10.), L. 25 eod. — Weſentlich dieſelbe Meynung führt Paulus an in L. 34 pr. de O. et A. (44. 7.). „alii … si ante injuriarum ac- tum esset, teneri eum ex lege Aquilia.” Daß die hier ange- führten ungenannten Juriſten für den umgekehrten Fall, wenn die Aquiliſche Klage zuerſt angeſtellt war, die Injurienklage ganz ver- ſagten, beruhte bey ihnen nicht auf einem Zweifel an dem Princip, ſondern auf einem ganz indivi- duellen Bedenken wegen der For- mel der Injurienklage, worin die Worte bonum et aequum ſtan- den, von welchen Jene glaubten, daß ſie dem Gebrauch der Klage nach ſchon eingeklagter Entſchädi- gung im Wege ſtänden. (z) Zwar die L. 2 § 26 vi bon. rapt. (47. 8) erwähnt nur die Coexiſtenz dieſer und noch anderer Klagen, ohne die Art ihrer Con- (w) ſchon bey Göſchen Vorleſungen I. S. 460.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/258>, abgerufen am 28.04.2024.