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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

Es ist streitig, inwiefern Exceptionen, die der Beklagte
nicht vorgebracht hat, officio judicis supplirt werden dür-
fen. -- Bey den Römern bezeichnet officium judicis Das-
jenige, was der Judex nach freyem Ermessen thun durfte
und sollte, außer den Gränzen der ihm vom Prätor er-
theilten wörtlichen Vorschrift. Hier nun ist es gewiß, daß
er bey freyen Klagen alle Exceptionen zu beachten hatte,
bey strengen Klagen nur die in der Formel ausgedrückten.
-- Die Neueren verstehen unter jenem Ausdruck Dasjenige,
was der Richter aus eignem Antrieb thut, ohne den An-
trag einer Partey. In dieser Beziehung nun müssen wir
für das mündliche Verfahren im Römischen Prozeß eine
große Freyheit annehmen, so daß ohne Zweifel der Prätor
und der Judex den Parteyen abfragen konnten, was ihnen
gut dünkte. Wir haben in unsrem schriftlichen Prozeß
strengere Regeln, es wird aber von manchen Exceptionen
behauptet, daß der Richter sie suppliren dürfe (p). Auch
hier muß ich behaupten, daß, wie viel oder wie wenig
man dem Richter einräumen möge, Dieses von der Aus-
dehnung des Exceptionenbegriffs völlig unabhängig ist.

Erwägt man diese Umstände, so möchte es wohl das
Gerathenste seyn, in der Theorie des Römischen Rechts

(p) Albrecht S. 130 nimmt
an, diese Frage sey unpraktisch,
weil doch der Richter Nichts aus
seiner Privatkenntniß benutzen dürfe,
der Kläger aber sich hüten werde,
die Thatsachen zu berühren, die
eine Exception begründen könnten.
Allein die Exception der Klagver-
jährung wird durch bloße Rechnung
begründet, die exc. Sc. Vellejani
durch die persönliche Bezeichnung der
verklagten Bürgin, deren Geschlecht
ja von dem Kläger nicht verheim-
licht werden kann.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.

Es iſt ſtreitig, inwiefern Exceptionen, die der Beklagte
nicht vorgebracht hat, officio judicis ſupplirt werden dür-
fen. — Bey den Römern bezeichnet officium judicis Das-
jenige, was der Judex nach freyem Ermeſſen thun durfte
und ſollte, außer den Gränzen der ihm vom Prätor er-
theilten wörtlichen Vorſchrift. Hier nun iſt es gewiß, daß
er bey freyen Klagen alle Exceptionen zu beachten hatte,
bey ſtrengen Klagen nur die in der Formel ausgedrückten.
— Die Neueren verſtehen unter jenem Ausdruck Dasjenige,
was der Richter aus eignem Antrieb thut, ohne den An-
trag einer Partey. In dieſer Beziehung nun müſſen wir
für das mündliche Verfahren im Römiſchen Prozeß eine
große Freyheit annehmen, ſo daß ohne Zweifel der Prätor
und der Judex den Parteyen abfragen konnten, was ihnen
gut dünkte. Wir haben in unſrem ſchriftlichen Prozeß
ſtrengere Regeln, es wird aber von manchen Exceptionen
behauptet, daß der Richter ſie ſuppliren dürfe (p). Auch
hier muß ich behaupten, daß, wie viel oder wie wenig
man dem Richter einräumen möge, Dieſes von der Aus-
dehnung des Exceptionenbegriffs völlig unabhängig iſt.

Erwägt man dieſe Umſtände, ſo möchte es wohl das
Gerathenſte ſeyn, in der Theorie des Römiſchen Rechts

(p) Albrecht S. 130 nimmt
an, dieſe Frage ſey unpraktiſch,
weil doch der Richter Nichts aus
ſeiner Privatkenntniß benutzen dürfe,
der Kläger aber ſich hüten werde,
die Thatſachen zu berühren, die
eine Exception begründen könnten.
Allein die Exception der Klagver-
jährung wird durch bloße Rechnung
begründet, die exc. Sc. Vellejani
durch die perſönliche Bezeichnung der
verklagten Bürgin, deren Geſchlecht
ja von dem Kläger nicht verheim-
licht werden kann.
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[188/0202] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. Es iſt ſtreitig, inwiefern Exceptionen, die der Beklagte nicht vorgebracht hat, officio judicis ſupplirt werden dür- fen. — Bey den Römern bezeichnet officium judicis Das- jenige, was der Judex nach freyem Ermeſſen thun durfte und ſollte, außer den Gränzen der ihm vom Prätor er- theilten wörtlichen Vorſchrift. Hier nun iſt es gewiß, daß er bey freyen Klagen alle Exceptionen zu beachten hatte, bey ſtrengen Klagen nur die in der Formel ausgedrückten. — Die Neueren verſtehen unter jenem Ausdruck Dasjenige, was der Richter aus eignem Antrieb thut, ohne den An- trag einer Partey. In dieſer Beziehung nun müſſen wir für das mündliche Verfahren im Römiſchen Prozeß eine große Freyheit annehmen, ſo daß ohne Zweifel der Prätor und der Judex den Parteyen abfragen konnten, was ihnen gut dünkte. Wir haben in unſrem ſchriftlichen Prozeß ſtrengere Regeln, es wird aber von manchen Exceptionen behauptet, daß der Richter ſie ſuppliren dürfe (p). Auch hier muß ich behaupten, daß, wie viel oder wie wenig man dem Richter einräumen möge, Dieſes von der Aus- dehnung des Exceptionenbegriffs völlig unabhängig iſt. Erwägt man dieſe Umſtände, ſo möchte es wohl das Gerathenſte ſeyn, in der Theorie des Römiſchen Rechts (p) Albrecht S. 130 nimmt an, dieſe Frage ſey unpraktiſch, weil doch der Richter Nichts aus ſeiner Privatkenntniß benutzen dürfe, der Kläger aber ſich hüten werde, die Thatſachen zu berühren, die eine Exception begründen könnten. Allein die Exception der Klagver- jährung wird durch bloße Rechnung begründet, die exc. Sc. Vellejani durch die perſönliche Bezeichnung der verklagten Bürgin, deren Geſchlecht ja von dem Kläger nicht verheim- licht werden kann.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/202>, abgerufen am 21.11.2024.