ken zuerst bey gezählten Zeiträumen entstanden ist, von welchen aus es dann auch zu anderen gezählten Gegen- ständen, bey welchen jener eigenthümliche Grund nicht ein- tritt, seinen Weg gefunden haben mag.
VI.
Die zwey verschiedenen Zählungsarten, die hier im Sprachgebrauch der Römer nachgewiesen worden sind, ver- halten sich zu einander nicht etwa so, daß die eine die vorherrschende Regel bildete, die andere nur auf der sel- tenen Redeweise, vielleicht auf der Unkunde einzelner Schriftsteller von geringem Ansehen beruhte. Vielmehr werden beide von Schriftstellern des ersten Ranges ange- wendet, ja sogar beide von einem und demselben Schrift- steller, namentlich von Cicero, Varro, und dem Arzt Celsus. Soll diese Verschiedenheit nicht als eine ganz regellose, stets nur durch Laune und Willkühr veranlaßte, angesehen, sondern ein bestimmtes Verhältniß darin angenommen wer- den, so läßt sich etwa Folgendes mit einiger Wahrschein- lichkeit behaupten. Die erste Art (wobey mitgezählt wird) scheint die ältere, und die üblichere im täglichen Leben; dafür scheint zu beweisen ihr Gebrauch in der Kalender- sprache, die gewiß allgemeinere Verbreitung hatte, als der Sprachgebrauch einzelner Schriftsteller. Die zweyte mag wohl als die elegantere und genauere angesehen worden seyn, wofür theils der häufigere Gebrauch bey Cicero, theils die Anwendung in öffentlichen Urkunden zu bewei-
Ordinalzahlen in der Bezeichnung von Zeiträumen.
ken zuerſt bey gezählten Zeiträumen entſtanden iſt, von welchen aus es dann auch zu anderen gezählten Gegen- ſtänden, bey welchen jener eigenthümliche Grund nicht ein- tritt, ſeinen Weg gefunden haben mag.
VI.
Die zwey verſchiedenen Zählungsarten, die hier im Sprachgebrauch der Römer nachgewieſen worden ſind, ver- halten ſich zu einander nicht etwa ſo, daß die eine die vorherrſchende Regel bildete, die andere nur auf der ſel- tenen Redeweiſe, vielleicht auf der Unkunde einzelner Schriftſteller von geringem Anſehen beruhte. Vielmehr werden beide von Schriftſtellern des erſten Ranges ange- wendet, ja ſogar beide von einem und demſelben Schrift- ſteller, namentlich von Cicero, Varro, und dem Arzt Celſus. Soll dieſe Verſchiedenheit nicht als eine ganz regelloſe, ſtets nur durch Laune und Willkühr veranlaßte, angeſehen, ſondern ein beſtimmtes Verhältniß darin angenommen wer- den, ſo läßt ſich etwa Folgendes mit einiger Wahrſchein- lichkeit behaupten. Die erſte Art (wobey mitgezählt wird) ſcheint die ältere, und die üblichere im täglichen Leben; dafür ſcheint zu beweiſen ihr Gebrauch in der Kalender- ſprache, die gewiß allgemeinere Verbreitung hatte, als der Sprachgebrauch einzelner Schriftſteller. Die zweyte mag wohl als die elegantere und genauere angeſehen worden ſeyn, wofür theils der häufigere Gebrauch bey Cicero, theils die Anwendung in öffentlichen Urkunden zu bewei-
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Ordinalzahlen in der Bezeichnung von Zeiträumen.
ken zuerſt bey gezählten Zeiträumen entſtanden iſt, von
welchen aus es dann auch zu anderen gezählten Gegen-
ſtänden, bey welchen jener eigenthümliche Grund nicht ein-
tritt, ſeinen Weg gefunden haben mag.
VI.
Die zwey verſchiedenen Zählungsarten, die hier im
Sprachgebrauch der Römer nachgewieſen worden ſind, ver-
halten ſich zu einander nicht etwa ſo, daß die eine die
vorherrſchende Regel bildete, die andere nur auf der ſel-
tenen Redeweiſe, vielleicht auf der Unkunde einzelner
Schriftſteller von geringem Anſehen beruhte. Vielmehr
werden beide von Schriftſtellern des erſten Ranges ange-
wendet, ja ſogar beide von einem und demſelben Schrift-
ſteller, namentlich von Cicero, Varro, und dem Arzt Celſus.
Soll dieſe Verſchiedenheit nicht als eine ganz regelloſe,
ſtets nur durch Laune und Willkühr veranlaßte, angeſehen,
ſondern ein beſtimmtes Verhältniß darin angenommen wer-
den, ſo läßt ſich etwa Folgendes mit einiger Wahrſchein-
lichkeit behaupten. Die erſte Art (wobey mitgezählt wird)
ſcheint die ältere, und die üblichere im täglichen Leben;
dafür ſcheint zu beweiſen ihr Gebrauch in der Kalender-
ſprache, die gewiß allgemeinere Verbreitung hatte, als der
Sprachgebrauch einzelner Schriftſteller. Die zweyte mag
wohl als die elegantere und genauere angeſehen worden
ſeyn, wofür theils der häufigere Gebrauch bey Cicero,
theils die Anwendung in öffentlichen Urkunden zu bewei-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 615. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/629>, abgerufen am 23.11.2024.
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