Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Beylage IX.
Unwissenheit der Frau, unmöglich ist (a). Allein es ist in
der Lehre von der Schenkung gezeigt worden, daß dazu
auch einseitige Handlungen des Gebers tauglich sind (§ 160),
so daß also dieser Grund nicht als entscheidend gelten kann.

Will man in dem angegebenen Fall eine verbotene
Schenkung annehmen, so läßt sich das in einem zwiefachen
Sinn denken: erstlich direct, so daß nun überhaupt keine
Usucapion einträte; zweytens indirect, indem zwar die Usu-
capion ihre gewöhnliche Wirkung äußerte, hinterher aber
der Mann den verlornen Werth der Sache durch eine
Condiction zurück fordern könnte.

Das erste aber ist völlig unmöglich. Denn das Ver-
bot der Schenkung kann in keinem Fall eine größere Wir-
kung hervorbringen, als wenn das Gegentheil der als
Schenkung angesehenen Thatsache Statt gefunden hätte;
so z. B., bey einer Schenkung durch Mancipation, wird
Alles so behandelt, als ob gar nicht mancipirt worden
wäre. In unsrem Fall also könnte aus der verbotenen
Unterlassung des Mannes höchstens Dasselbe folgen, was
folgen würde, wenn er Nichts unterlassen, sondern gehan-
delt hätte. Worin konnte nun dieses Handeln bestehen?
Dejection ist verboten, also mußte der Mann gegen seine
Frau vindiciren. Allein die Vindication hindert den Ab-
lauf der früher angefangenen Usucapion niemals, sondern
giebt nur dem Kläger das Recht, wenn der Richter die

(a) Diesen Grund, den ich jetzt
aufgebe, hatte ich in der Zeit-
schrift a. a. O., S. 276, geltend
gemacht.

Beylage IX.
Unwiſſenheit der Frau, unmöglich iſt (a). Allein es iſt in
der Lehre von der Schenkung gezeigt worden, daß dazu
auch einſeitige Handlungen des Gebers tauglich ſind (§ 160),
ſo daß alſo dieſer Grund nicht als entſcheidend gelten kann.

Will man in dem angegebenen Fall eine verbotene
Schenkung annehmen, ſo läßt ſich das in einem zwiefachen
Sinn denken: erſtlich direct, ſo daß nun überhaupt keine
Uſucapion einträte; zweytens indirect, indem zwar die Uſu-
capion ihre gewöhnliche Wirkung äußerte, hinterher aber
der Mann den verlornen Werth der Sache durch eine
Condiction zurück fordern könnte.

Das erſte aber iſt völlig unmöglich. Denn das Ver-
bot der Schenkung kann in keinem Fall eine größere Wir-
kung hervorbringen, als wenn das Gegentheil der als
Schenkung angeſehenen Thatſache Statt gefunden hätte;
ſo z. B., bey einer Schenkung durch Mancipation, wird
Alles ſo behandelt, als ob gar nicht mancipirt worden
wäre. In unſrem Fall alſo könnte aus der verbotenen
Unterlaſſung des Mannes höchſtens Daſſelbe folgen, was
folgen würde, wenn er Nichts unterlaſſen, ſondern gehan-
delt hätte. Worin konnte nun dieſes Handeln beſtehen?
Dejection iſt verboten, alſo mußte der Mann gegen ſeine
Frau vindiciren. Allein die Vindication hindert den Ab-
lauf der früher angefangenen Uſucapion niemals, ſondern
giebt nur dem Kläger das Recht, wenn der Richter die

(a) Dieſen Grund, den ich jetzt
aufgebe, hatte ich in der Zeit-
ſchrift a. a. O., S. 276, geltend
gemacht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0586" n="572"/><fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">IX.</hi></fw><lb/>
Unwi&#x017F;&#x017F;enheit der Frau, unmöglich i&#x017F;t <note place="foot" n="(a)">Die&#x017F;en Grund, den ich jetzt<lb/>
aufgebe, hatte ich in der Zeit-<lb/>
&#x017F;chrift a. a. O., S. 276, geltend<lb/>
gemacht.</note>. Allein es i&#x017F;t in<lb/>
der Lehre von der Schenkung gezeigt worden, daß dazu<lb/>
auch ein&#x017F;eitige Handlungen des Gebers tauglich &#x017F;ind (§ 160),<lb/>
&#x017F;o daß al&#x017F;o die&#x017F;er Grund nicht als ent&#x017F;cheidend gelten kann.</p><lb/>
            <p>Will man in dem angegebenen Fall eine verbotene<lb/>
Schenkung annehmen, &#x017F;o läßt &#x017F;ich das in einem zwiefachen<lb/>
Sinn denken: er&#x017F;tlich direct, &#x017F;o daß nun überhaupt keine<lb/>
U&#x017F;ucapion einträte; zweytens indirect, indem zwar die U&#x017F;u-<lb/>
capion ihre gewöhnliche Wirkung äußerte, hinterher aber<lb/>
der Mann den verlornen Werth der Sache durch eine<lb/>
Condiction zurück fordern könnte.</p><lb/>
            <p>Das er&#x017F;te aber i&#x017F;t völlig unmöglich. Denn das Ver-<lb/>
bot der Schenkung kann in keinem Fall eine größere Wir-<lb/>
kung hervorbringen, als wenn das Gegentheil der als<lb/>
Schenkung ange&#x017F;ehenen That&#x017F;ache Statt gefunden hätte;<lb/>
&#x017F;o z. B., bey einer Schenkung durch Mancipation, wird<lb/>
Alles &#x017F;o behandelt, als ob gar nicht mancipirt worden<lb/>
wäre. In un&#x017F;rem Fall al&#x017F;o könnte aus der verbotenen<lb/>
Unterla&#x017F;&#x017F;ung des Mannes höch&#x017F;tens Da&#x017F;&#x017F;elbe folgen, was<lb/>
folgen würde, wenn er Nichts unterla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern gehan-<lb/>
delt hätte. Worin konnte nun die&#x017F;es Handeln be&#x017F;tehen?<lb/>
Dejection i&#x017F;t verboten, al&#x017F;o mußte der Mann gegen &#x017F;eine<lb/>
Frau vindiciren. Allein die Vindication hindert den Ab-<lb/>
lauf der früher angefangenen U&#x017F;ucapion niemals, &#x017F;ondern<lb/>
giebt nur dem Kläger das Recht, wenn der Richter die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[572/0586] Beylage IX. Unwiſſenheit der Frau, unmöglich iſt (a). Allein es iſt in der Lehre von der Schenkung gezeigt worden, daß dazu auch einſeitige Handlungen des Gebers tauglich ſind (§ 160), ſo daß alſo dieſer Grund nicht als entſcheidend gelten kann. Will man in dem angegebenen Fall eine verbotene Schenkung annehmen, ſo läßt ſich das in einem zwiefachen Sinn denken: erſtlich direct, ſo daß nun überhaupt keine Uſucapion einträte; zweytens indirect, indem zwar die Uſu- capion ihre gewöhnliche Wirkung äußerte, hinterher aber der Mann den verlornen Werth der Sache durch eine Condiction zurück fordern könnte. Das erſte aber iſt völlig unmöglich. Denn das Ver- bot der Schenkung kann in keinem Fall eine größere Wir- kung hervorbringen, als wenn das Gegentheil der als Schenkung angeſehenen Thatſache Statt gefunden hätte; ſo z. B., bey einer Schenkung durch Mancipation, wird Alles ſo behandelt, als ob gar nicht mancipirt worden wäre. In unſrem Fall alſo könnte aus der verbotenen Unterlaſſung des Mannes höchſtens Daſſelbe folgen, was folgen würde, wenn er Nichts unterlaſſen, ſondern gehan- delt hätte. Worin konnte nun dieſes Handeln beſtehen? Dejection iſt verboten, alſo mußte der Mann gegen ſeine Frau vindiciren. Allein die Vindication hindert den Ab- lauf der früher angefangenen Uſucapion niemals, ſondern giebt nur dem Kläger das Recht, wenn der Richter die (a) Dieſen Grund, den ich jetzt aufgebe, hatte ich in der Zeit- ſchrift a. a. O., S. 276, geltend gemacht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/586
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/586>, abgerufen am 15.06.2024.