ner Natur; in ihm erscheint die Zeit ohne ein fest be- stimmtes Maaß, zugleich aber in einer Ausdehnung, die über die meisten bestimmten Zeiträume weit hinausreicht. Auch durch seinen allgemeineren Character unterscheidet sich dieses Institut von anderen, die auf die Zeit gegrün- det sind. Die Usucapion, die Klagverjährung u. s. w. ha- ben ihren bestimmten Zusammenhang mit einzelnen Theilen des Rechtssystems, und in diesem Zusammenhang allein können sie befriedigend dargestellt werden; hier war nur das Zeitelement darzustellen, welches ihnen gemeinschaft- lich zum Grunde liegt. Das nunmehr angedeutete Insti- tut hat dagegen eine so allgemeine, in die verschiedensten Rechtsverhältnisse eingreifende, Natur, daß auch für die vollständige Darstellung desselben keine andere als die ge- genwärtige Stelle gefunden werden kann.
Die Namen, womit dieses Institut bezeichnet zu wer- den pflegt, sind mannichfaltig: unvordenkliche Zeit, unvor- denklicher Besitz, unvordenkliche Verjährung; eben so im- memoriale tempus, possessio oder praescriptio immemo- rialis. Es wird durch die Darstellung selbst klar werden, warum von mir der erste dieser Namen vorgezogen worden ist. Die hier angegebenen lateinischen Kunstausdrücke sind sprachlich zu tadeln, in der Sache ist Nichts dagegen ein- zuwenden, da die in den Quellen vorkommenden Umschrei- bungen: quod memoriam excedit, und cujus memoria non exstat, wesentlich dasselbe sagen.
Es leuchtet auf den ersten Blick ein, daß die unvor-
IV. 31
§. 195. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Einleitung.
ner Natur; in ihm erſcheint die Zeit ohne ein feſt be- ſtimmtes Maaß, zugleich aber in einer Ausdehnung, die über die meiſten beſtimmten Zeiträume weit hinausreicht. Auch durch ſeinen allgemeineren Character unterſcheidet ſich dieſes Inſtitut von anderen, die auf die Zeit gegrün- det ſind. Die Uſucapion, die Klagverjährung u. ſ. w. ha- ben ihren beſtimmten Zuſammenhang mit einzelnen Theilen des Rechtsſyſtems, und in dieſem Zuſammenhang allein können ſie befriedigend dargeſtellt werden; hier war nur das Zeitelement darzuſtellen, welches ihnen gemeinſchaft- lich zum Grunde liegt. Das nunmehr angedeutete Inſti- tut hat dagegen eine ſo allgemeine, in die verſchiedenſten Rechtsverhältniſſe eingreifende, Natur, daß auch für die vollſtändige Darſtellung deſſelben keine andere als die ge- genwärtige Stelle gefunden werden kann.
Die Namen, womit dieſes Inſtitut bezeichnet zu wer- den pflegt, ſind mannichfaltig: unvordenkliche Zeit, unvor- denklicher Beſitz, unvordenkliche Verjährung; eben ſo im- memoriale tempus, possessio oder praescriptio immemo- rialis. Es wird durch die Darſtellung ſelbſt klar werden, warum von mir der erſte dieſer Namen vorgezogen worden iſt. Die hier angegebenen lateiniſchen Kunſtausdrücke ſind ſprachlich zu tadeln, in der Sache iſt Nichts dagegen ein- zuwenden, da die in den Quellen vorkommenden Umſchrei- bungen: quod memoriam excedit, und cujus memoria non exstat, weſentlich daſſelbe ſagen.
Es leuchtet auf den erſten Blick ein, daß die unvor-
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§. 195. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Einleitung.
ner Natur; in ihm erſcheint die Zeit ohne ein feſt be-
ſtimmtes Maaß, zugleich aber in einer Ausdehnung, die
über die meiſten beſtimmten Zeiträume weit hinausreicht.
Auch durch ſeinen allgemeineren Character unterſcheidet
ſich dieſes Inſtitut von anderen, die auf die Zeit gegrün-
det ſind. Die Uſucapion, die Klagverjährung u. ſ. w. ha-
ben ihren beſtimmten Zuſammenhang mit einzelnen Theilen
des Rechtsſyſtems, und in dieſem Zuſammenhang allein
können ſie befriedigend dargeſtellt werden; hier war nur
das Zeitelement darzuſtellen, welches ihnen gemeinſchaft-
lich zum Grunde liegt. Das nunmehr angedeutete Inſti-
tut hat dagegen eine ſo allgemeine, in die verſchiedenſten
Rechtsverhältniſſe eingreifende, Natur, daß auch für die
vollſtändige Darſtellung deſſelben keine andere als die ge-
genwärtige Stelle gefunden werden kann.
Die Namen, womit dieſes Inſtitut bezeichnet zu wer-
den pflegt, ſind mannichfaltig: unvordenkliche Zeit, unvor-
denklicher Beſitz, unvordenkliche Verjährung; eben ſo im-
memoriale tempus, possessio oder praescriptio immemo-
rialis. Es wird durch die Darſtellung ſelbſt klar werden,
warum von mir der erſte dieſer Namen vorgezogen worden
iſt. Die hier angegebenen lateiniſchen Kunſtausdrücke ſind
ſprachlich zu tadeln, in der Sache iſt Nichts dagegen ein-
zuwenden, da die in den Quellen vorkommenden Umſchrei-
bungen: quod memoriam excedit, und cujus memoria
non exstat, weſentlich daſſelbe ſagen.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/495>, abgerufen am 16.07.2024.
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