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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 190. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortsetzung.)
über sein Klagrecht ist im Edict nicht erwähnt, und sie
wird in der Anwendung (höchst seltene Ausnahmen abge-
rechnet) nicht beachtet. Dieser Unterschied ist aber nicht
die Folge der im Edict zufällig gebrauchten Ausdrücke,
sondern diese waren so gewählt, um dem aus inneren
Gründen räthlichen Unterschied Anerkennung zu verschaffen.
Denn wer über sein Klagrecht unwissend ist, wird in der
Regel dem Vorwurf einer nachlässigen Aufsicht auf seine
Rechte unterliegen, anstatt daß Keiner den Beruf hat, den
Erbschaften nachzuspüren, die ihm etwa zufallen möchten.
Ferner liegt der gemeinschaftliche Zweck der für die B. P.
und die Klagen vorgeschriebenen Zeiträume darin, daß die
Rechtsverhältnisse schnell zur Entscheidung kommen; die-
sem Zweck würde es völlig widersprechen, wenn man bey
der Klagverjährung den Vorwand der Unwissenheit zulas-
sen wollte: bey der B. P. ist derselbe unschädlich, da der
zunächst nach dem Unwissenden Berufene durch eigenes In-
teresse angetrieben wird, Jenen von der Delation zu un-
terrichten, wodurch die Unwissenheit augenblicklich aufge-
hoben wird.

Dagegen giebt es umgekehrt mehrere Fälle, worin
continuum tempus gilt, und dennoch die Unwissenheit den
Lauf des vorgeschriebenen Zeitraums hindert. Dahin ge-
hört die Excusation von der Vormundschaft (e), die Fri-

weise bemerkt werden mußte,
wenn sie wirklich zu beachten
wäre.
(e) § 16 J. de excus. (1. 25.),
L. 13 § 9 eod. (27. 1.), L. 6
C. eod. (5. 62.), Fragm. Vatic.

§ 156.
28*

§. 190. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortſetzung.)
über ſein Klagrecht iſt im Edict nicht erwähnt, und ſie
wird in der Anwendung (höchſt ſeltene Ausnahmen abge-
rechnet) nicht beachtet. Dieſer Unterſchied iſt aber nicht
die Folge der im Edict zufällig gebrauchten Ausdrücke,
ſondern dieſe waren ſo gewählt, um dem aus inneren
Gründen räthlichen Unterſchied Anerkennung zu verſchaffen.
Denn wer über ſein Klagrecht unwiſſend iſt, wird in der
Regel dem Vorwurf einer nachläſſigen Aufſicht auf ſeine
Rechte unterliegen, anſtatt daß Keiner den Beruf hat, den
Erbſchaften nachzuſpüren, die ihm etwa zufallen möchten.
Ferner liegt der gemeinſchaftliche Zweck der für die B. P.
und die Klagen vorgeſchriebenen Zeiträume darin, daß die
Rechtsverhältniſſe ſchnell zur Entſcheidung kommen; die-
ſem Zweck würde es völlig widerſprechen, wenn man bey
der Klagverjährung den Vorwand der Unwiſſenheit zulaſ-
ſen wollte: bey der B. P. iſt derſelbe unſchädlich, da der
zunächſt nach dem Unwiſſenden Berufene durch eigenes In-
tereſſe angetrieben wird, Jenen von der Delation zu un-
terrichten, wodurch die Unwiſſenheit augenblicklich aufge-
hoben wird.

Dagegen giebt es umgekehrt mehrere Fälle, worin
continuum tempus gilt, und dennoch die Unwiſſenheit den
Lauf des vorgeſchriebenen Zeitraums hindert. Dahin ge-
hört die Excuſation von der Vormundſchaft (e), die Fri-

weiſe bemerkt werden mußte,
wenn ſie wirklich zu beachten
wäre.
(e) § 16 J. de excus. (1. 25.),
L. 13 § 9 eod. (27. 1.), L. 6
C. eod. (5. 62.), Fragm. Vatic.

§ 156.
28*
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[435/0449] §. 190. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortſetzung.) über ſein Klagrecht iſt im Edict nicht erwähnt, und ſie wird in der Anwendung (höchſt ſeltene Ausnahmen abge- rechnet) nicht beachtet. Dieſer Unterſchied iſt aber nicht die Folge der im Edict zufällig gebrauchten Ausdrücke, ſondern dieſe waren ſo gewählt, um dem aus inneren Gründen räthlichen Unterſchied Anerkennung zu verſchaffen. Denn wer über ſein Klagrecht unwiſſend iſt, wird in der Regel dem Vorwurf einer nachläſſigen Aufſicht auf ſeine Rechte unterliegen, anſtatt daß Keiner den Beruf hat, den Erbſchaften nachzuſpüren, die ihm etwa zufallen möchten. Ferner liegt der gemeinſchaftliche Zweck der für die B. P. und die Klagen vorgeſchriebenen Zeiträume darin, daß die Rechtsverhältniſſe ſchnell zur Entſcheidung kommen; die- ſem Zweck würde es völlig widerſprechen, wenn man bey der Klagverjährung den Vorwand der Unwiſſenheit zulaſ- ſen wollte: bey der B. P. iſt derſelbe unſchädlich, da der zunächſt nach dem Unwiſſenden Berufene durch eigenes In- tereſſe angetrieben wird, Jenen von der Delation zu un- terrichten, wodurch die Unwiſſenheit augenblicklich aufge- hoben wird. Dagegen giebt es umgekehrt mehrere Fälle, worin continuum tempus gilt, und dennoch die Unwiſſenheit den Lauf des vorgeſchriebenen Zeitraums hindert. Dahin ge- hört die Excuſation von der Vormundſchaft (e), die Fri- (d) (e) § 16 J. de excus. (1. 25.), L. 13 § 9 eod. (27. 1.), L. 6 C. eod. (5. 62.), Fragm. Vatic. § 156. (d) weiſe bemerkt werden mußte, wenn ſie wirklich zu beachten wäre. 28*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/449>, abgerufen am 18.05.2024.