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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.

Propone aliquem Kalendis Januariis natum testamen-
tum ipso natali suo fecisse quartodecimo anno, an
valeat testamentum? Dico valere. Plus arbitror,
etiamsi pridie Kalendarum fecerit post sextam ho-
ram noctis, valere testamentum: jam enim complesse
videtur annum quartumdecimum, ut Marciano videtur.

Der Gang des Gedankens ist folgender. Ist die Über-
schreitung des vierzehenten Lebensjahres nöthig, oder die
bloße Vollendung (f)? Das heißt, muß der am 1. Januar
Geborene, um ein Testament zu machen, den 2. Januar
abwarten, oder kann er es schon am 1. Januar, also am
Geburtstag selbst? Auch dieses Letzte ist gültig. Aber
noch mehr: nicht blos der 2. Januar braucht nicht abge-
wartet zu werden, sondern auch nicht einmal innerhalb
des Geburtstags die Geburtsstunde; vielmehr ist zulässig
die Abfassung des Testaments vom Anbruch des 1. Ja-
nuars an. Wenn er also am 31. December die Nacht
abwartet, und zwar die sechste Stunde dieser Nacht, so

(f) Wenn man ad momenta
rechnet, so ist diese Frage wider-
sinnig, denn eine Handlung kann
nicht in dem Augenblick des com-
plesse
geschehen, sondern nur ent-
weder vorher, oder nachher, oder
zwischen beiden Zeiträumen ge-
theilt. Nach der Rechnung ad
dies
hat die Frage einen guten
Sinn, und daß dieser Sinn in
der Stelle enthalten ist, zeigt die
Folge der Stelle unwidersprech-
lich. Als untheilbarer Punkt des
complesse gilt nun juristisch der
ganze 1. Januar, und dieser ist in
der Wirklichkeit ausgedehnt ge-
nug, um viele Testamente in sich
entstehen zu lassen. -- Es ist also
hier derselbe Gegensatz der Über-
schreitung und bloßen Vollendung
gedacht, der oben schon mehrmals
erwähnt worden ist. § 182. d,
ferner in L. 1 de manumiss.
(§ 183), und in L. 132 de V. S.
(§ 184).
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.

Propone aliquem Kalendis Januariis natum testamen-
tum ipso natali suo fecisse quartodecimo anno, an
valeat testamentum? Dico valere. Plus arbitror,
etiamsi pridie Kalendarum fecerit post sextam ho-
ram noctis, valere testamentum: jam enim complesse
videtur annum quartumdecimum, ut Marciano videtur.

Der Gang des Gedankens iſt folgender. Iſt die Über-
ſchreitung des vierzehenten Lebensjahres nöthig, oder die
bloße Vollendung (f)? Das heißt, muß der am 1. Januar
Geborene, um ein Teſtament zu machen, den 2. Januar
abwarten, oder kann er es ſchon am 1. Januar, alſo am
Geburtstag ſelbſt? Auch dieſes Letzte iſt gültig. Aber
noch mehr: nicht blos der 2. Januar braucht nicht abge-
wartet zu werden, ſondern auch nicht einmal innerhalb
des Geburtstags die Geburtsſtunde; vielmehr iſt zuläſſig
die Abfaſſung des Teſtaments vom Anbruch des 1. Ja-
nuars an. Wenn er alſo am 31. December die Nacht
abwartet, und zwar die ſechſte Stunde dieſer Nacht, ſo

(f) Wenn man ad momenta
rechnet, ſo iſt dieſe Frage wider-
ſinnig, denn eine Handlung kann
nicht in dem Augenblick des com-
plesse
geſchehen, ſondern nur ent-
weder vorher, oder nachher, oder
zwiſchen beiden Zeiträumen ge-
theilt. Nach der Rechnung ad
dies
hat die Frage einen guten
Sinn, und daß dieſer Sinn in
der Stelle enthalten iſt, zeigt die
Folge der Stelle unwiderſprech-
lich. Als untheilbarer Punkt des
complesse gilt nun juriſtiſch der
ganze 1. Januar, und dieſer iſt in
der Wirklichkeit ausgedehnt ge-
nug, um viele Teſtamente in ſich
entſtehen zu laſſen. — Es iſt alſo
hier derſelbe Gegenſatz der Über-
ſchreitung und bloßen Vollendung
gedacht, der oben ſchon mehrmals
erwähnt worden iſt. § 182. d,
ferner in L. 1 de manumiss.
(§ 183), und in L. 132 de V. S.
(§ 184).
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[382/0396] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. Propone aliquem Kalendis Januariis natum testamen- tum ipso natali suo fecisse quartodecimo anno, an valeat testamentum? Dico valere. Plus arbitror, etiamsi pridie Kalendarum fecerit post sextam ho- ram noctis, valere testamentum: jam enim complesse videtur annum quartumdecimum, ut Marciano videtur. Der Gang des Gedankens iſt folgender. Iſt die Über- ſchreitung des vierzehenten Lebensjahres nöthig, oder die bloße Vollendung (f)? Das heißt, muß der am 1. Januar Geborene, um ein Teſtament zu machen, den 2. Januar abwarten, oder kann er es ſchon am 1. Januar, alſo am Geburtstag ſelbſt? Auch dieſes Letzte iſt gültig. Aber noch mehr: nicht blos der 2. Januar braucht nicht abge- wartet zu werden, ſondern auch nicht einmal innerhalb des Geburtstags die Geburtsſtunde; vielmehr iſt zuläſſig die Abfaſſung des Teſtaments vom Anbruch des 1. Ja- nuars an. Wenn er alſo am 31. December die Nacht abwartet, und zwar die ſechſte Stunde dieſer Nacht, ſo (f) Wenn man ad momenta rechnet, ſo iſt dieſe Frage wider- ſinnig, denn eine Handlung kann nicht in dem Augenblick des com- plesse geſchehen, ſondern nur ent- weder vorher, oder nachher, oder zwiſchen beiden Zeiträumen ge- theilt. Nach der Rechnung ad dies hat die Frage einen guten Sinn, und daß dieſer Sinn in der Stelle enthalten iſt, zeigt die Folge der Stelle unwiderſprech- lich. Als untheilbarer Punkt des complesse gilt nun juriſtiſch der ganze 1. Januar, und dieſer iſt in der Wirklichkeit ausgedehnt ge- nug, um viele Teſtamente in ſich entſtehen zu laſſen. — Es iſt alſo hier derſelbe Gegenſatz der Über- ſchreitung und bloßen Vollendung gedacht, der oben ſchon mehrmals erwähnt worden iſt. § 182. d, ferner in L. 1 de manumiss. (§ 183), und in L. 132 de V. S. (§ 184).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/396>, abgerufen am 15.05.2024.