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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 177. Zeit. Einleitung.
kein wirklicher Verlust des bis dahin fortdauernden Klag-
rechts, sondern es war schon längst auf andere Weise die
Schuld selbst (also auch die Klage) getilgt, und die Klag-
verjährung dient jetzt blos dazu, den fehlenden Beweis
dieser Tilgung zu ersetzen. Insofern kann man die Usu-
capion als ein präsumtives Eigenthum, die Klagverjäh-
rung als eine Präsumtion der Tilgung einer Schuld auf-
fassen. Diese Ansicht ist wahr und wichtig, nur muß man
sich hüten, derselben eine zu allgemeine Anwendung bey-
zulegen, da sie auf viele einzelne Fälle, theils wegen der
individuellen Umstände, theils wegen der allgemeinen Na-
tur vieler Klagen, gar nicht paßt. Außer der Usucapion
und der Klagverjährung ist davon gar keine Anwendung
zu machen; namentlich würde bey den Fristen der bono-
rum possessio
und der Restitution, so wie bey den Pro-
zeßfristen, die Annahme einer solchen Präsumtion eben so
grundlos als unfruchtbar seyn.

Endlich ist auch von Manchen die Dereliction als Grund
der zur ersten Klasse gehörenden Rechtsregeln angegeben
worden (w). Darin kann nur die Behauptung liegen, daß
in diesen Fällen der früher Berechtigte, der ein Recht ver-
liert, den wirklichen Willen gehabt habe sein Recht auf-
zugeben. Die Annahme eines solchen Willens ist jedoch
in den meisten Fällen völlig willkührlich und grundlos;

(w) Die Dereliction wird schon
von Grotius II 4 § 7. 9 als Grund
aufgestellt, jedoch nur für die un-
vordenkliche Verjährung, und nur
unter souveränen Staaten. All-
gemein geschieht es bey Hegel
§ 64 Zusatz.
20*

§. 177. Zeit. Einleitung.
kein wirklicher Verluſt des bis dahin fortdauernden Klag-
rechts, ſondern es war ſchon längſt auf andere Weiſe die
Schuld ſelbſt (alſo auch die Klage) getilgt, und die Klag-
verjährung dient jetzt blos dazu, den fehlenden Beweis
dieſer Tilgung zu erſetzen. Inſofern kann man die Uſu-
capion als ein präſumtives Eigenthum, die Klagverjäh-
rung als eine Präſumtion der Tilgung einer Schuld auf-
faſſen. Dieſe Anſicht iſt wahr und wichtig, nur muß man
ſich hüten, derſelben eine zu allgemeine Anwendung bey-
zulegen, da ſie auf viele einzelne Fälle, theils wegen der
individuellen Umſtände, theils wegen der allgemeinen Na-
tur vieler Klagen, gar nicht paßt. Außer der Uſucapion
und der Klagverjährung iſt davon gar keine Anwendung
zu machen; namentlich würde bey den Friſten der bono-
rum possessio
und der Reſtitution, ſo wie bey den Pro-
zeßfriſten, die Annahme einer ſolchen Präſumtion eben ſo
grundlos als unfruchtbar ſeyn.

Endlich iſt auch von Manchen die Dereliction als Grund
der zur erſten Klaſſe gehörenden Rechtsregeln angegeben
worden (w). Darin kann nur die Behauptung liegen, daß
in dieſen Fällen der früher Berechtigte, der ein Recht ver-
liert, den wirklichen Willen gehabt habe ſein Recht auf-
zugeben. Die Annahme eines ſolchen Willens iſt jedoch
in den meiſten Fällen völlig willkührlich und grundlos;

(w) Die Dereliction wird ſchon
von Grotius II 4 § 7. 9 als Grund
aufgeſtellt, jedoch nur für die un-
vordenkliche Verjährung, und nur
unter ſouveränen Staaten. All-
gemein geſchieht es bey Hegel
§ 64 Zuſatz.
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[307/0321] §. 177. Zeit. Einleitung. kein wirklicher Verluſt des bis dahin fortdauernden Klag- rechts, ſondern es war ſchon längſt auf andere Weiſe die Schuld ſelbſt (alſo auch die Klage) getilgt, und die Klag- verjährung dient jetzt blos dazu, den fehlenden Beweis dieſer Tilgung zu erſetzen. Inſofern kann man die Uſu- capion als ein präſumtives Eigenthum, die Klagverjäh- rung als eine Präſumtion der Tilgung einer Schuld auf- faſſen. Dieſe Anſicht iſt wahr und wichtig, nur muß man ſich hüten, derſelben eine zu allgemeine Anwendung bey- zulegen, da ſie auf viele einzelne Fälle, theils wegen der individuellen Umſtände, theils wegen der allgemeinen Na- tur vieler Klagen, gar nicht paßt. Außer der Uſucapion und der Klagverjährung iſt davon gar keine Anwendung zu machen; namentlich würde bey den Friſten der bono- rum possessio und der Reſtitution, ſo wie bey den Pro- zeßfriſten, die Annahme einer ſolchen Präſumtion eben ſo grundlos als unfruchtbar ſeyn. Endlich iſt auch von Manchen die Dereliction als Grund der zur erſten Klaſſe gehörenden Rechtsregeln angegeben worden (w). Darin kann nur die Behauptung liegen, daß in dieſen Fällen der früher Berechtigte, der ein Recht ver- liert, den wirklichen Willen gehabt habe ſein Recht auf- zugeben. Die Annahme eines ſolchen Willens iſt jedoch in den meiſten Fällen völlig willkührlich und grundlos; (w) Die Dereliction wird ſchon von Grotius II 4 § 7. 9 als Grund aufgeſtellt, jedoch nur für die un- vordenkliche Verjährung, und nur unter ſouveränen Staaten. All- gemein geſchieht es bey Hegel § 64 Zuſatz. 20*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/321>, abgerufen am 21.11.2024.