Giebt es nun etwa Ausnahmen von dieser Klage auf Rückgabe, selbst wenn eine jener Bedingungen vorhanden ist? Man könnte eine solche Ausnahme annehmen wollen für den Fall, da bey der Schenkung selbst auf den Wi- derruf verzichtet wird; ein solcher Verzicht aber muß für unwirksam gehalten werden, weil durch ihn die einer Un- sittlichkeit steuernde Rechtsregel entkräftet werden würde (l). -- Manche haben eine Ausnahme behauptet für die remu- neratorischen Schenkungen. Setzt man, mit Donellus, den Grund des Widerrufs in einen auf die Zukunft gerichte- ten stillschweigenden Vertrag (Note a), so könnte man die- ser Meynung geneigt seyn, weil der Geber bey der remu- neratorischen Schenkung seinen Blick mehr nach der Ver- gangenheit richtet als nach der Zukunft. Giebt man aber diese Herleitung auf, und überzeugt man sich zugleich da- von, daß die remuneratorische Schenkung von jeder an- deren juristisch gar nicht verschieden ist, so muß man jene Ausnahme verwerfen (§ 153. a. b). -- Eine Ausnahme je- doch ist in der That anerkannt, und selbst im neuesten Recht theilweise beybehalten worden. Wenn eine Mutter ihre Kinder beschenkt, hinterher aber entweder zu einer zweyten Ehe schreitet, oder gar einen offenbar sittenlosen
(l) Also nach der Analogie von L. 27 § 4 de pactis (2. 14.), worin für ungültig erklärt wer- den die Verträge ne furti agam, vel injuriarum, si feceris, und ne experiar interdicto unde vi. Von diesen heißt es turpem cau- sam continent, was man gewiß auch sagen kann von einem Ver- trag, der die Undankbarkeit von einem gesetzlich angedrohten Nach- theil befreyt. Vergl. auch L. 1 § 7 depositi (16. 3.) und L. 23 de R. J. (50. 17.).
Giebt es nun etwa Ausnahmen von dieſer Klage auf Rückgabe, ſelbſt wenn eine jener Bedingungen vorhanden iſt? Man könnte eine ſolche Ausnahme annehmen wollen für den Fall, da bey der Schenkung ſelbſt auf den Wi- derruf verzichtet wird; ein ſolcher Verzicht aber muß für unwirkſam gehalten werden, weil durch ihn die einer Un- ſittlichkeit ſteuernde Rechtsregel entkräftet werden würde (l). — Manche haben eine Ausnahme behauptet für die remu- neratoriſchen Schenkungen. Setzt man, mit Donellus, den Grund des Widerrufs in einen auf die Zukunft gerichte- ten ſtillſchweigenden Vertrag (Note a), ſo könnte man die- ſer Meynung geneigt ſeyn, weil der Geber bey der remu- neratoriſchen Schenkung ſeinen Blick mehr nach der Ver- gangenheit richtet als nach der Zukunft. Giebt man aber dieſe Herleitung auf, und überzeugt man ſich zugleich da- von, daß die remuneratoriſche Schenkung von jeder an- deren juriſtiſch gar nicht verſchieden iſt, ſo muß man jene Ausnahme verwerfen (§ 153. a. b). — Eine Ausnahme je- doch iſt in der That anerkannt, und ſelbſt im neueſten Recht theilweiſe beybehalten worden. Wenn eine Mutter ihre Kinder beſchenkt, hinterher aber entweder zu einer zweyten Ehe ſchreitet, oder gar einen offenbar ſittenloſen
(l) Alſo nach der Analogie von L. 27 § 4 de pactis (2. 14.), worin für ungültig erklärt wer- den die Verträge ne furti agam, vel injuriarum, si feceris, und ne experiar interdicto unde vi. Von dieſen heißt es turpem cau- sam continent, was man gewiß auch ſagen kann von einem Ver- trag, der die Undankbarkeit von einem geſetzlich angedrohten Nach- theil befreyt. Vergl. auch L. 1 § 7 depositi (16. 3.) und L. 23 de R. J. (50. 17.).
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[235/0249]
§. 169. Schenkung. Einſchränkungen. 3. Widerruf. (Fortſ.)
Giebt es nun etwa Ausnahmen von dieſer Klage auf
Rückgabe, ſelbſt wenn eine jener Bedingungen vorhanden
iſt? Man könnte eine ſolche Ausnahme annehmen wollen
für den Fall, da bey der Schenkung ſelbſt auf den Wi-
derruf verzichtet wird; ein ſolcher Verzicht aber muß für
unwirkſam gehalten werden, weil durch ihn die einer Un-
ſittlichkeit ſteuernde Rechtsregel entkräftet werden würde (l).
— Manche haben eine Ausnahme behauptet für die remu-
neratoriſchen Schenkungen. Setzt man, mit Donellus, den
Grund des Widerrufs in einen auf die Zukunft gerichte-
ten ſtillſchweigenden Vertrag (Note a), ſo könnte man die-
ſer Meynung geneigt ſeyn, weil der Geber bey der remu-
neratoriſchen Schenkung ſeinen Blick mehr nach der Ver-
gangenheit richtet als nach der Zukunft. Giebt man aber
dieſe Herleitung auf, und überzeugt man ſich zugleich da-
von, daß die remuneratoriſche Schenkung von jeder an-
deren juriſtiſch gar nicht verſchieden iſt, ſo muß man jene
Ausnahme verwerfen (§ 153. a. b). — Eine Ausnahme je-
doch iſt in der That anerkannt, und ſelbſt im neueſten
Recht theilweiſe beybehalten worden. Wenn eine Mutter
ihre Kinder beſchenkt, hinterher aber entweder zu einer
zweyten Ehe ſchreitet, oder gar einen offenbar ſittenloſen
(l) Alſo nach der Analogie von
L. 27 § 4 de pactis (2. 14.),
worin für ungültig erklärt wer-
den die Verträge ne furti agam,
vel injuriarum, si feceris, und
ne experiar interdicto unde vi.
Von dieſen heißt es turpem cau-
sam continent, was man gewiß
auch ſagen kann von einem Ver-
trag, der die Undankbarkeit von
einem geſetzlich angedrohten Nach-
theil befreyt. Vergl. auch L. 1
§ 7 depositi (16. 3.) und L. 23
de R. J. (50. 17.).
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/249>, abgerufen am 24.11.2024.
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