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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
genau die erste Hälfte des ersten Abschnitts (also 15 Jahre)
bildet die Knabenzeit (d). -- Daneben steht eine andere
rein praktische, die auf die Militärverfassung des Königs
Servius zurückgeführt wird; das Knabenalter dauert hier
17 Jahre, dann fängt die Kriegspflicht an (e). Inwie-
fern die zweyte Angabe durch Voraussetzung ungenauer
Ausdrücke und historischer Irrthümer auf die erste zurück-
geführt werden kann, mag hier dahin gestellt bleiben (f).
Neuerlich ist aber die Vermuthung aufgestellt worden, diese
politisch-militärische Gränze des Knabenalters (mag es
nun 15, 16 oder 17 Jahre umfassen) sey damals zugleich
im Privatrecht der Anfangspunkt der Handlungsfähigkeit
gewesen. Diese Annahme ist nicht nur möglich, sondern

(d) Censorinus de die natali
C.
14 (aus Varro). Servius ad
Virgil. Aen. IV.
653.
(e) Gellius X 28. "C. Tubero
in historiarum primo scripsit,
Servium Tullium ... pueros
esse existimasse, qui minores
essent annis
XVII., atque inde
ab anno XVII. .. milites scrip-
sisse" -- Livius XXII. 57 (a. 538)
"juniores ab annis XVII. et quos-
dam praetextatos
scribunt."
Die
natürliche Erklärung scheint mir
diese: Die Aushebung betraf (nach
der Schlacht bey Cannä) alle ju-
niores,
d. h. die älter als 17 Jahre
waren (und dieses war in der Re-
gel der Kriegsverfassung), dieses-
mal aber auch manche, die noch
nicht dieses Alter hatten, folglich
noch zu den praetextati gehörten.
(f) Niebuhr R. Gesch. B. 1
S. 492 ed. 3 erklärt die Angabe
des Tubero (Note e) von denje-
nigen, die noch nicht das 17te
Jahr angetreten hätten (was
wohl nicht den Worten gemäß ist),
und fügt hinzu, Tubero habe doch
noch um ein Jahr geirrt, indem
das Knabenalter (nach Varro) mit
dem Anfang des 16ten Jahres auf-
gehört habe. Allein es scheint mir
durchaus keine innere Nothwen-
digkeit vorhanden, die alte, von
Varro und Servius erwähnte,
Lehre mit der praktischen Ein-
richtung des Kriegsdienstes zu
identificiren. Die Stelle des Li-
vius ist allerdings noch mehr, als
die des Tubero, verschiedener Er-
klärungen empfänglich.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
genau die erſte Hälfte des erſten Abſchnitts (alſo 15 Jahre)
bildet die Knabenzeit (d). — Daneben ſteht eine andere
rein praktiſche, die auf die Militärverfaſſung des Königs
Servius zurückgeführt wird; das Knabenalter dauert hier
17 Jahre, dann fängt die Kriegspflicht an (e). Inwie-
fern die zweyte Angabe durch Vorausſetzung ungenauer
Ausdrücke und hiſtoriſcher Irrthümer auf die erſte zurück-
geführt werden kann, mag hier dahin geſtellt bleiben (f).
Neuerlich iſt aber die Vermuthung aufgeſtellt worden, dieſe
politiſch-militäriſche Gränze des Knabenalters (mag es
nun 15, 16 oder 17 Jahre umfaſſen) ſey damals zugleich
im Privatrecht der Anfangspunkt der Handlungsfähigkeit
geweſen. Dieſe Annahme iſt nicht nur möglich, ſondern

(d) Censorinus de die natali
C.
14 (aus Varro). Servius ad
Virgil. Aen. IV.
653.
(e) Gellius X 28. „C. Tubero
in historiarum primo scripsit,
Servium Tullium … pueros
esse existimasse, qui minores
essent annis
XVII., atque inde
ab anno XVII. .. milites scrip-
sisse” — Livius XXII. 57 (a. 538)
„juniores ab annis XVII. et quos-
dam praetextatos
scribunt.”
Die
natürliche Erklärung ſcheint mir
dieſe: Die Aushebung betraf (nach
der Schlacht bey Cannä) alle ju-
niores,
d. h. die älter als 17 Jahre
waren (und dieſes war in der Re-
gel der Kriegsverfaſſung), dieſes-
mal aber auch manche, die noch
nicht dieſes Alter hatten, folglich
noch zu den praetextati gehörten.
(f) Niebuhr R. Geſch. B. 1
S. 492 ed. 3 erklärt die Angabe
des Tubero (Note e) von denje-
nigen, die noch nicht das 17te
Jahr angetreten hätten (was
wohl nicht den Worten gemäß iſt),
und fügt hinzu, Tubero habe doch
noch um ein Jahr geirrt, indem
das Knabenalter (nach Varro) mit
dem Anfang des 16ten Jahres auf-
gehört habe. Allein es ſcheint mir
durchaus keine innere Nothwen-
digkeit vorhanden, die alte, von
Varro und Servius erwähnte,
Lehre mit der praktiſchen Ein-
richtung des Kriegsdienſtes zu
identificiren. Die Stelle des Li-
vius iſt allerdings noch mehr, als
die des Tubero, verſchiedener Er-
klärungen empfänglich.
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[58/0070] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. genau die erſte Hälfte des erſten Abſchnitts (alſo 15 Jahre) bildet die Knabenzeit (d). — Daneben ſteht eine andere rein praktiſche, die auf die Militärverfaſſung des Königs Servius zurückgeführt wird; das Knabenalter dauert hier 17 Jahre, dann fängt die Kriegspflicht an (e). Inwie- fern die zweyte Angabe durch Vorausſetzung ungenauer Ausdrücke und hiſtoriſcher Irrthümer auf die erſte zurück- geführt werden kann, mag hier dahin geſtellt bleiben (f). Neuerlich iſt aber die Vermuthung aufgeſtellt worden, dieſe politiſch-militäriſche Gränze des Knabenalters (mag es nun 15, 16 oder 17 Jahre umfaſſen) ſey damals zugleich im Privatrecht der Anfangspunkt der Handlungsfähigkeit geweſen. Dieſe Annahme iſt nicht nur möglich, ſondern (d) Censorinus de die natali C. 14 (aus Varro). Servius ad Virgil. Aen. IV. 653. (e) Gellius X 28. „C. Tubero in historiarum primo scripsit, Servium Tullium … pueros esse existimasse, qui minores essent annis XVII., atque inde ab anno XVII. .. milites scrip- sisse” — Livius XXII. 57 (a. 538) „juniores ab annis XVII. et quos- dam praetextatos scribunt.” Die natürliche Erklärung ſcheint mir dieſe: Die Aushebung betraf (nach der Schlacht bey Cannä) alle ju- niores, d. h. die älter als 17 Jahre waren (und dieſes war in der Re- gel der Kriegsverfaſſung), dieſes- mal aber auch manche, die noch nicht dieſes Alter hatten, folglich noch zu den praetextati gehörten. (f) Niebuhr R. Geſch. B. 1 S. 492 ed. 3 erklärt die Angabe des Tubero (Note e) von denje- nigen, die noch nicht das 17te Jahr angetreten hätten (was wohl nicht den Worten gemäß iſt), und fügt hinzu, Tubero habe doch noch um ein Jahr geirrt, indem das Knabenalter (nach Varro) mit dem Anfang des 16ten Jahres auf- gehört habe. Allein es ſcheint mir durchaus keine innere Nothwen- digkeit vorhanden, die alte, von Varro und Servius erwähnte, Lehre mit der praktiſchen Ein- richtung des Kriegsdienſtes zu identificiren. Die Stelle des Li- vius iſt allerdings noch mehr, als die des Tubero, verſchiedener Er- klärungen empfänglich.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/70>, abgerufen am 06.05.2024.