Restitution aus Irrthum kein allgemeines Rechtsmittel ist, sondern nur eine ziemlich beschränkte Aushülfe darbietet für einzelne genau bestimmte Fälle. Und diese Behauptung steht wieder mit unsrer Grundansicht vom Irrthum (Num. VI.) in so unzertrennlicher Verbindung, daß sie mit der- selben stehen und fallen muß.
Zweytens: Kann der Kläger, der aus Unwissenheit eine Verjährung ablaufen ließ, gegen diesen Verlust durch all- gemeine Restitutionsgründe, wie Minderjährigkeit, Abwe- senheit u. s. w. geschützt werden? Die Bejahung dieser Frage könnte, eben wegen der allgemein umfassenden Na- tur jener Gründe keinen Zweifel haben, wenn nicht be- sondere gesetzliche Bestimmungen gerade über diese Frage vorhanden wären, deren Inhalt nunmehr dargestellt wer- den soll.
A. Gehört die Klage zu einem sogenannten peculium adventitium ordinarium, so daß der eigentlich Klagberech- tigte auf die Ausübung seiner Rechte keinen Einfluß hat, so ist während dieses Rechtszustandes die Klagverjährung ipso jure gehemmt, so daß es keiner Restitution bedarf. Es ist dabey gleichgültig, ob die Klage einer einjährigen oder einer dreyßigjährigen Verjährung unterworfen ist (b).
B. Völlig dasselbe gilt, wenn der Klagberechtigte noch unmündig ist, solange dieser persönliche Zustand dauert (c).
C. Dasselbe Recht, nur in einer beschränkteren Anwen-
(b)L. 1 § 2 C. de annali except. (7. 40.).
(c)L. 3 C. de praescr. XXX. (7. 39.).
Beylage VIII.
Reſtitution aus Irrthum kein allgemeines Rechtsmittel iſt, ſondern nur eine ziemlich beſchränkte Aushülfe darbietet für einzelne genau beſtimmte Fälle. Und dieſe Behauptung ſteht wieder mit unſrer Grundanſicht vom Irrthum (Num. VI.) in ſo unzertrennlicher Verbindung, daß ſie mit der- ſelben ſtehen und fallen muß.
Zweytens: Kann der Kläger, der aus Unwiſſenheit eine Verjährung ablaufen ließ, gegen dieſen Verluſt durch all- gemeine Reſtitutionsgründe, wie Minderjährigkeit, Abwe- ſenheit u. ſ. w. geſchützt werden? Die Bejahung dieſer Frage könnte, eben wegen der allgemein umfaſſenden Na- tur jener Gründe keinen Zweifel haben, wenn nicht be- ſondere geſetzliche Beſtimmungen gerade über dieſe Frage vorhanden wären, deren Inhalt nunmehr dargeſtellt wer- den ſoll.
A. Gehört die Klage zu einem ſogenannten peculium adventitium ordinarium, ſo daß der eigentlich Klagberech- tigte auf die Ausübung ſeiner Rechte keinen Einfluß hat, ſo iſt während dieſes Rechtszuſtandes die Klagverjährung ipso jure gehemmt, ſo daß es keiner Reſtitution bedarf. Es iſt dabey gleichgültig, ob die Klage einer einjährigen oder einer dreyßigjährigen Verjährung unterworfen iſt (b).
B. Völlig daſſelbe gilt, wenn der Klagberechtigte noch unmündig iſt, ſolange dieſer perſönliche Zuſtand dauert (c).
C. Daſſelbe Recht, nur in einer beſchränkteren Anwen-
(b)L. 1 § 2 C. de annali except. (7. 40.).
(c)L. 3 C. de praescr. XXX. (7. 39.).
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Beylage VIII.
Reſtitution aus Irrthum kein allgemeines Rechtsmittel iſt,
ſondern nur eine ziemlich beſchränkte Aushülfe darbietet
für einzelne genau beſtimmte Fälle. Und dieſe Behauptung
ſteht wieder mit unſrer Grundanſicht vom Irrthum (Num.
VI.) in ſo unzertrennlicher Verbindung, daß ſie mit der-
ſelben ſtehen und fallen muß.
Zweytens: Kann der Kläger, der aus Unwiſſenheit eine
Verjährung ablaufen ließ, gegen dieſen Verluſt durch all-
gemeine Reſtitutionsgründe, wie Minderjährigkeit, Abwe-
ſenheit u. ſ. w. geſchützt werden? Die Bejahung dieſer
Frage könnte, eben wegen der allgemein umfaſſenden Na-
tur jener Gründe keinen Zweifel haben, wenn nicht be-
ſondere geſetzliche Beſtimmungen gerade über dieſe Frage
vorhanden wären, deren Inhalt nunmehr dargeſtellt wer-
den ſoll.
A. Gehört die Klage zu einem ſogenannten peculium
adventitium ordinarium, ſo daß der eigentlich Klagberech-
tigte auf die Ausübung ſeiner Rechte keinen Einfluß hat,
ſo iſt während dieſes Rechtszuſtandes die Klagverjährung
ipso jure gehemmt, ſo daß es keiner Reſtitution bedarf.
Es iſt dabey gleichgültig, ob die Klage einer einjährigen
oder einer dreyßigjährigen Verjährung unterworfen iſt (b).
B. Völlig daſſelbe gilt, wenn der Klagberechtigte noch
unmündig iſt, ſolange dieſer perſönliche Zuſtand dauert (c).
C. Daſſelbe Recht, nur in einer beſchränkteren Anwen-
(b) L. 1 § 2 C. de annali
except. (7. 40.).
(c) L. 3 C. de praescr. XXX.
(7. 39.).
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/432>, abgerufen am 05.07.2024.
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