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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
spruch nehmen. Es sind also Verträge möglich im Völ-
kerrecht, im Staatsrecht, im Privatrecht: in diesem ferner
bey allen Arten der ihm angehörenden Rechtsinstitute.

Völkerrechtliche Verträge finden sich in allen Bündnis-
sen, Friedensschlüssen, wie in der Unterwerfung eines sou-
veränen Staats unter die Hoheit eines andern, oder umge-
kehrt in der Verwandlung von Bestandtheilen eines Staats
in einen eigenen, selbstständigen Staat (a). Die Römischen
Juristen nennen den völkerrechtlichen Vertrag publica con-
ventio
(b); sie warnen vor der misbräuchlichen Anwendung
der Regeln und Formen des Privatrechts auf denselben (c).

Staatsrechtliche Verträge sind namentlich in Deutsch-
land häufig vorgekommen: so zwischen dem Fürsten und
den Ständen, zwischen verschiedenen Mitgliedern eines re-
gierenden Hauses. Recht entschieden tritt diese Form ins-

(a) Von Unterwerfungsverträ-
gen in mancherley Abstufungen
liefert die Römische Geschichte
viele Beyspiele. Die Verträge,
wodurch souveräne Staaten ent-
stehen, sind meist die Folge von
Revolution und Krieg: so die
Losreißung Hollands von Spa-
nien, der vereinigten Staaten in
Nordamerika von England, Bel-
giens von Holland, der Spani-
schen und Portugiesischen Colonien
vom Mutterland. Sie kommen
aber auch als friedliche und frey-
willige vor: so wenn in Nord-
amerika eine Anzahl von Einwoh-
nern zu einem neuen Staat ver-
einigt werden.
(b) L. 5 de pactis (2. 14.).
(c) Gajus III. § 94. Nachdem
er zuerst gesagt hatte, nur Rö-
mische Bürger könnten in der
Formel: Spondes? Spondeo gül-
tig contrahiren, fährt er fort:
"Unde dicitur, uno casu hoc
verbo peregrinum quoque obli-
gari posse, velut si Imperator
noster Principem alicujus pe-
regrini populi de pace ita in-
terroget: Pacem futuram spon-
des? vel ipse eodem modo in-
terrogetur. Quod nimium sub-
tiliter dictum est: quia si quid
adversus pactionem fiat, non
ex stipulatu agitur, sed jure
belli res vindicatur.
"

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
ſpruch nehmen. Es ſind alſo Verträge möglich im Völ-
kerrecht, im Staatsrecht, im Privatrecht: in dieſem ferner
bey allen Arten der ihm angehörenden Rechtsinſtitute.

Völkerrechtliche Verträge finden ſich in allen Bündniſ-
ſen, Friedensſchlüſſen, wie in der Unterwerfung eines ſou-
veränen Staats unter die Hoheit eines andern, oder umge-
kehrt in der Verwandlung von Beſtandtheilen eines Staats
in einen eigenen, ſelbſtſtändigen Staat (a). Die Römiſchen
Juriſten nennen den völkerrechtlichen Vertrag publica con-
ventio
(b); ſie warnen vor der misbräuchlichen Anwendung
der Regeln und Formen des Privatrechts auf denſelben (c).

Staatsrechtliche Verträge ſind namentlich in Deutſch-
land häufig vorgekommen: ſo zwiſchen dem Fürſten und
den Ständen, zwiſchen verſchiedenen Mitgliedern eines re-
gierenden Hauſes. Recht entſchieden tritt dieſe Form ins-

(a) Von Unterwerfungsverträ-
gen in mancherley Abſtufungen
liefert die Römiſche Geſchichte
viele Beyſpiele. Die Verträge,
wodurch ſouveräne Staaten ent-
ſtehen, ſind meiſt die Folge von
Revolution und Krieg: ſo die
Losreißung Hollands von Spa-
nien, der vereinigten Staaten in
Nordamerika von England, Bel-
giens von Holland, der Spani-
ſchen und Portugieſiſchen Colonien
vom Mutterland. Sie kommen
aber auch als friedliche und frey-
willige vor: ſo wenn in Nord-
amerika eine Anzahl von Einwoh-
nern zu einem neuen Staat ver-
einigt werden.
(b) L. 5 de pactis (2. 14.).
(c) Gajus III. § 94. Nachdem
er zuerſt geſagt hatte, nur Rö-
miſche Bürger könnten in der
Formel: Spondes? Spondeo gül-
tig contrahiren, fährt er fort:
„Unde dicitur, uno casu hoc
verbo peregrinum quoque obli-
gari posse, velut si Imperator
noster Principem alicujus pe-
regrini populi de pace ita in-
terroget: Pacem futuram spon-
des? vel ipse eodem modo in-
terrogetur. Quod nimium sub-
tiliter dictum est: quia si quid
adversus pactionem fiat, non
ex stipulatu agitur, sed jure
belli res vindicatur.
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[310/0322] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. ſpruch nehmen. Es ſind alſo Verträge möglich im Völ- kerrecht, im Staatsrecht, im Privatrecht: in dieſem ferner bey allen Arten der ihm angehörenden Rechtsinſtitute. Völkerrechtliche Verträge finden ſich in allen Bündniſ- ſen, Friedensſchlüſſen, wie in der Unterwerfung eines ſou- veränen Staats unter die Hoheit eines andern, oder umge- kehrt in der Verwandlung von Beſtandtheilen eines Staats in einen eigenen, ſelbſtſtändigen Staat (a). Die Römiſchen Juriſten nennen den völkerrechtlichen Vertrag publica con- ventio (b); ſie warnen vor der misbräuchlichen Anwendung der Regeln und Formen des Privatrechts auf denſelben (c). Staatsrechtliche Verträge ſind namentlich in Deutſch- land häufig vorgekommen: ſo zwiſchen dem Fürſten und den Ständen, zwiſchen verſchiedenen Mitgliedern eines re- gierenden Hauſes. Recht entſchieden tritt dieſe Form ins- (a) Von Unterwerfungsverträ- gen in mancherley Abſtufungen liefert die Römiſche Geſchichte viele Beyſpiele. Die Verträge, wodurch ſouveräne Staaten ent- ſtehen, ſind meiſt die Folge von Revolution und Krieg: ſo die Losreißung Hollands von Spa- nien, der vereinigten Staaten in Nordamerika von England, Bel- giens von Holland, der Spani- ſchen und Portugieſiſchen Colonien vom Mutterland. Sie kommen aber auch als friedliche und frey- willige vor: ſo wenn in Nord- amerika eine Anzahl von Einwoh- nern zu einem neuen Staat ver- einigt werden. (b) L. 5 de pactis (2. 14.). (c) Gajus III. § 94. Nachdem er zuerſt geſagt hatte, nur Rö- miſche Bürger könnten in der Formel: Spondes? Spondeo gül- tig contrahiren, fährt er fort: „Unde dicitur, uno casu hoc verbo peregrinum quoque obli- gari posse, velut si Imperator noster Principem alicujus pe- regrini populi de pace ita in- terroget: Pacem futuram spon- des? vel ipse eodem modo in- terrogetur. Quod nimium sub- tiliter dictum est: quia si quid adversus pactionem fiat, non ex stipulatu agitur, sed jure belli res vindicatur.”

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/322>, abgerufen am 17.05.2024.