Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.§. 122. Bedingung. Unsittliche. dieser Vertrag schlechthin ungültig (k), so daß also dabeyjene Gleichstellung ganz ohne Anwendung bleibt. Diese Vorschrift ist deswegen räthselhaft, weil ja durch den er- wähnten Vertrag der sittliche Zweck vielmehr gefördert erscheint. Man könnte den Grund darin suchen, daß durch den versprochnen Lohn die Reinheit der sittlichen Trieb- feder gefährdet würde, indem nun aus Eigennutz unter- bliebe, was aus Pflichtgefühl unterbleiben sollte; allein diese, für den Rechtsverkehr allzu feine, Rücksicht kann nicht gelten, denn sonst dürfte auch nicht eine Conventio- nalstrafe für den Fall einer Unsittlichkeit versprochen wer- den, die jedoch zulässig ist (l). Der wahre Grund liegt vielmehr darin, daß ein solcher Vertrag leicht zur unwür- digsten Speculation misbraucht werden kann, indem ein gedrohtes Verbrechen, oder eine verweigerte Schuldigkeit, den Andern, dem der Weg gerichtlicher Klage zu beschwer- lich oder unsicher scheint, bewegen kann, den bösen Willen (k) L. 7 § 3 de pactis (2. 14.). "Si ob maleficium, ne fiat, pro- missum sit, nulla est obligatio ex hac conventione;" das heißt, wenn ich einem Andern Geld ver- spreche unter der Bedingung, daß er ein Verbrechen unterlassen werde. -- Den Worten nach könnte die Stelle auch bezogen werden auf eine Conventionalstrafe unter der Bedingung, daß der promis- sor ein Verbrechen begehe; dann würde sie aber mit den in der Note g angeführten Stellen in geradem Widerspruch stehen. (l) S. o. Note g. -- Manche suchen das turpe darin, daß es überhaupt der Ehre zuwider sey, für eine Pflichtübung einen Geld- vortheil anzunehmen. Man kommt leicht dahin, sich in solche mora- lische Übertreibungen hinein zu reden. Niemand hält es für an- stößig, wenn einem Beamten für angestrengte Dienstleistung eine Gratification bewilligt, oder wenn Dem, der mit eigner Gefahr ei- nem Andern das Leben rettet, ein Ehrengeschenk gereicht wird. III. 12
§. 122. Bedingung. Unſittliche. dieſer Vertrag ſchlechthin ungültig (k), ſo daß alſo dabeyjene Gleichſtellung ganz ohne Anwendung bleibt. Dieſe Vorſchrift iſt deswegen räthſelhaft, weil ja durch den er- wähnten Vertrag der ſittliche Zweck vielmehr gefördert erſcheint. Man könnte den Grund darin ſuchen, daß durch den verſprochnen Lohn die Reinheit der ſittlichen Trieb- feder gefährdet würde, indem nun aus Eigennutz unter- bliebe, was aus Pflichtgefühl unterbleiben ſollte; allein dieſe, für den Rechtsverkehr allzu feine, Rückſicht kann nicht gelten, denn ſonſt dürfte auch nicht eine Conventio- nalſtrafe für den Fall einer Unſittlichkeit verſprochen wer- den, die jedoch zuläſſig iſt (l). Der wahre Grund liegt vielmehr darin, daß ein ſolcher Vertrag leicht zur unwür- digſten Speculation misbraucht werden kann, indem ein gedrohtes Verbrechen, oder eine verweigerte Schuldigkeit, den Andern, dem der Weg gerichtlicher Klage zu beſchwer- lich oder unſicher ſcheint, bewegen kann, den böſen Willen (k) L. 7 § 3 de pactis (2. 14.). „Si ob maleficium, ne fiat, pro- missum sit, nulla est obligatio ex hac conventione;” das heißt, wenn ich einem Andern Geld ver- ſpreche unter der Bedingung, daß er ein Verbrechen unterlaſſen werde. — Den Worten nach könnte die Stelle auch bezogen werden auf eine Conventionalſtrafe unter der Bedingung, daß der promis- sor ein Verbrechen begehe; dann würde ſie aber mit den in der Note g angeführten Stellen in geradem Widerſpruch ſtehen. (l) S. o. Note g. — Manche ſuchen das turpe darin, daß es überhaupt der Ehre zuwider ſey, für eine Pflichtübung einen Geld- vortheil anzunehmen. Man kommt leicht dahin, ſich in ſolche mora- liſche Übertreibungen hinein zu reden. Niemand hält es für an- ſtößig, wenn einem Beamten für angeſtrengte Dienſtleiſtung eine Gratification bewilligt, oder wenn Dem, der mit eigner Gefahr ei- nem Andern das Leben rettet, ein Ehrengeſchenk gereicht wird. III. 12
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§. 122. Bedingung. Unſittliche.
dieſer Vertrag ſchlechthin ungültig (k), ſo daß alſo dabey
jene Gleichſtellung ganz ohne Anwendung bleibt. Dieſe
Vorſchrift iſt deswegen räthſelhaft, weil ja durch den er-
wähnten Vertrag der ſittliche Zweck vielmehr gefördert
erſcheint. Man könnte den Grund darin ſuchen, daß durch
den verſprochnen Lohn die Reinheit der ſittlichen Trieb-
feder gefährdet würde, indem nun aus Eigennutz unter-
bliebe, was aus Pflichtgefühl unterbleiben ſollte; allein
dieſe, für den Rechtsverkehr allzu feine, Rückſicht kann
nicht gelten, denn ſonſt dürfte auch nicht eine Conventio-
nalſtrafe für den Fall einer Unſittlichkeit verſprochen wer-
den, die jedoch zuläſſig iſt (l). Der wahre Grund liegt
vielmehr darin, daß ein ſolcher Vertrag leicht zur unwür-
digſten Speculation misbraucht werden kann, indem ein
gedrohtes Verbrechen, oder eine verweigerte Schuldigkeit,
den Andern, dem der Weg gerichtlicher Klage zu beſchwer-
lich oder unſicher ſcheint, bewegen kann, den böſen Willen
(k) L. 7 § 3 de pactis (2. 14.).
„Si ob maleficium, ne fiat, pro-
missum sit, nulla est obligatio
ex hac conventione;” das heißt,
wenn ich einem Andern Geld ver-
ſpreche unter der Bedingung, daß
er ein Verbrechen unterlaſſen
werde. — Den Worten nach könnte
die Stelle auch bezogen werden
auf eine Conventionalſtrafe unter
der Bedingung, daß der promis-
sor ein Verbrechen begehe; dann
würde ſie aber mit den in der
Note g angeführten Stellen in
geradem Widerſpruch ſtehen.
(l) S. o. Note g. — Manche
ſuchen das turpe darin, daß es
überhaupt der Ehre zuwider ſey,
für eine Pflichtübung einen Geld-
vortheil anzunehmen. Man kommt
leicht dahin, ſich in ſolche mora-
liſche Übertreibungen hinein zu
reden. Niemand hält es für an-
ſtößig, wenn einem Beamten für
angeſtrengte Dienſtleiſtung eine
Gratification bewilligt, oder wenn
Dem, der mit eigner Gefahr ei-
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Ehrengeſchenk gereicht wird.
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