Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Person nur im Laufe ihres Lebens erworben werden könn-ten; denn wenngleich dieses von den meisten Rechten aller- dings wahr ist, so giebt es doch auch viele und wichtige, die unmittelbar mit der Geburt ihren Anfang nehmen, in- dem sie gerade durch die unter besonderen Umständen er- folgte Geburt begründet werden (a). Die erworbenen Rechte können daher allerdings auch angeborene seyn. Jedes einzelne Rechtsverhältniß nun hat seine besonde- (a) So z. B. entsteht für das Kind im Augenblick seiner Ge- burt stets Cognation, wenigstens zur Mutter; gewöhnlich auch Ab- hängigkeit von der Gewalt des Vaters, und Agnation zu dessen Agnaten; ist vor der Geburt der Vater gestorben, in dessen Ge- walt das Kind außerdem gebo- ren wäre, so erwirbt das Kind mit der Geburt sogleich dessen Vermögen oder einen Theil des- selben als suus heres. (b) Diese Wichtigkeit ist aner-
kannt und selbst zu einseitig und ausschließend dargestellt von Ul- pian in L. 41 de leg. (1. 3.). "Totum autem jus consistit aut in adquirendo, aut in conser- vando, aut in minuendo: aut enim hoc agitur quemadmodum quid cujusque fiat: aut quem- admodum quis rem vel jus suum conservet: aut quomodo alienet aut amittat." Hier wird noch ein neues Moment in die Mitte jener beiden gestellt, das conser- vare. Nimmt man dieses im ei- gentlichen Sinn, für die Bewir- kung der Fortdauer des Rechts selbst, so fällt es mit dem drit- ten zusammen, indem es dann als die Negation des dritten (oder um- gekehrt) aufgefaßt werden kann; dann sagt aber auch das totum jus consistit viel zu viel. Ist dagegen das conservare als Er- haltung der Ausübung, oder als Rechtsverfolgung, gedacht, so umfassen allerdings jene drey Mo- mente den größten Theil aller Rechtsregeln überhaupt: dann Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. Perſon nur im Laufe ihres Lebens erworben werden könn-ten; denn wenngleich dieſes von den meiſten Rechten aller- dings wahr iſt, ſo giebt es doch auch viele und wichtige, die unmittelbar mit der Geburt ihren Anfang nehmen, in- dem ſie gerade durch die unter beſonderen Umſtänden er- folgte Geburt begründet werden (a). Die erworbenen Rechte können daher allerdings auch angeborene ſeyn. Jedes einzelne Rechtsverhältniß nun hat ſeine beſonde- (a) So z. B. entſteht für das Kind im Augenblick ſeiner Ge- burt ſtets Cognation, wenigſtens zur Mutter; gewöhnlich auch Ab- hängigkeit von der Gewalt des Vaters, und Agnation zu deſſen Agnaten; iſt vor der Geburt der Vater geſtorben, in deſſen Ge- walt das Kind außerdem gebo- ren wäre, ſo erwirbt das Kind mit der Geburt ſogleich deſſen Vermögen oder einen Theil deſ- ſelben als suus heres. (b) Dieſe Wichtigkeit iſt aner-
kannt und ſelbſt zu einſeitig und ausſchließend dargeſtellt von Ul- pian in L. 41 de leg. (1. 3.). „Totum autem jus consistit aut in adquirendo, aut in conser- vando, aut in minuendo: aut enim hoc agitur quemadmodum quid cujusque fiat: aut quem- admodum quis rem vel jus suum conservet: aut quomodo alienet aut amittat.” Hier wird noch ein neues Moment in die Mitte jener beiden geſtellt, das conser- vare. Nimmt man dieſes im ei- gentlichen Sinn, für die Bewir- kung der Fortdauer des Rechts ſelbſt, ſo fällt es mit dem drit- ten zuſammen, indem es dann als die Negation des dritten (oder um- gekehrt) aufgefaßt werden kann; dann ſagt aber auch das totum jus consistit viel zu viel. Iſt dagegen das conservare als Er- haltung der Ausübung, oder als Rechtsverfolgung, gedacht, ſo umfaſſen allerdings jene drey Mo- mente den größten Theil aller Rechtsregeln überhaupt: dann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0014" n="2"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Entſtehung und Untergang.</fw><lb/> Perſon nur im Laufe ihres Lebens erworben werden könn-<lb/> ten; denn wenngleich dieſes von den meiſten Rechten aller-<lb/> dings wahr iſt, ſo giebt es doch auch viele und wichtige,<lb/> die unmittelbar mit der Geburt ihren Anfang nehmen, in-<lb/> dem ſie gerade durch die unter beſonderen Umſtänden er-<lb/> folgte Geburt begründet werden <note place="foot" n="(a)">So z. B. entſteht für das<lb/> Kind im Augenblick ſeiner Ge-<lb/> burt ſtets Cognation, wenigſtens<lb/> zur Mutter; gewöhnlich auch Ab-<lb/> hängigkeit von der Gewalt des<lb/> Vaters, und Agnation zu deſſen<lb/> Agnaten; iſt vor der Geburt der<lb/> Vater geſtorben, in deſſen Ge-<lb/> walt das Kind außerdem gebo-<lb/> ren wäre, ſo erwirbt das Kind<lb/> mit der Geburt ſogleich deſſen<lb/> Vermögen oder einen Theil deſ-<lb/> ſelben als <hi rendition="#aq">suus heres.</hi></note>. Die erworbenen Rechte<lb/> können daher allerdings auch angeborene ſeyn.</p><lb/> <p>Jedes einzelne Rechtsverhältniß nun hat ſeine beſonde-<lb/> ren Regeln, nach welchen es in Beziehung auf eine be-<lb/> ſtimmte Perſon entſteht und wiederum aufhoͤrt. Dieſe Re-<lb/> geln ſind von ſolcher Wichtigkeit, daß ſie bey manchen<lb/> Rechtsverhältniſſen beynahe den einzigen Gegenſtand ge-<lb/> nauerer Forſchung und Darſtellung ausmachen <note xml:id="seg2pn_1_1" next="#seg2pn_1_2" place="foot" n="(b)">Dieſe Wichtigkeit iſt aner-<lb/> kannt und ſelbſt zu einſeitig und<lb/> ausſchließend dargeſtellt von Ul-<lb/> pian in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 41 <hi rendition="#i">de leg.</hi> (1. 3.).<lb/> „<hi rendition="#i">Totum</hi> autem jus consistit aut<lb/> in adquirendo, aut in conser-<lb/> vando, aut in minuendo: aut<lb/> enim hoc agitur quemadmodum<lb/> quid cujusque fiat: aut quem-<lb/> admodum quis rem vel jus suum<lb/> conservet: aut quomodo alienet<lb/> aut amittat.”</hi> Hier wird noch<lb/> ein neues Moment in die Mitte<lb/> jener beiden geſtellt, das <hi rendition="#aq">conser-<lb/> vare.</hi> Nimmt man dieſes im ei-<lb/> gentlichen Sinn, für die Bewir-<lb/> kung der Fortdauer <hi rendition="#g">des Rechts<lb/> ſelbſt</hi>, ſo fällt es mit dem drit-<lb/> ten zuſammen, indem es dann als<lb/> die Negation des dritten (oder um-<lb/> gekehrt) aufgefaßt werden kann;<lb/> dann ſagt aber auch das <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">totum</hi><lb/> jus consistit</hi> viel zu viel. Iſt<lb/> dagegen das <hi rendition="#aq">conservare</hi> als Er-<lb/> haltung der <hi rendition="#g">Ausübung</hi>, oder<lb/> als Rechtsverfolgung, gedacht, ſo<lb/> umfaſſen allerdings jene drey Mo-<lb/> mente den größten Theil aller<lb/> Rechtsregeln überhaupt: dann</note>. Jedoch<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0014]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
Perſon nur im Laufe ihres Lebens erworben werden könn-
ten; denn wenngleich dieſes von den meiſten Rechten aller-
dings wahr iſt, ſo giebt es doch auch viele und wichtige,
die unmittelbar mit der Geburt ihren Anfang nehmen, in-
dem ſie gerade durch die unter beſonderen Umſtänden er-
folgte Geburt begründet werden (a). Die erworbenen Rechte
können daher allerdings auch angeborene ſeyn.
Jedes einzelne Rechtsverhältniß nun hat ſeine beſonde-
ren Regeln, nach welchen es in Beziehung auf eine be-
ſtimmte Perſon entſteht und wiederum aufhoͤrt. Dieſe Re-
geln ſind von ſolcher Wichtigkeit, daß ſie bey manchen
Rechtsverhältniſſen beynahe den einzigen Gegenſtand ge-
nauerer Forſchung und Darſtellung ausmachen (b). Jedoch
(a) So z. B. entſteht für das
Kind im Augenblick ſeiner Ge-
burt ſtets Cognation, wenigſtens
zur Mutter; gewöhnlich auch Ab-
hängigkeit von der Gewalt des
Vaters, und Agnation zu deſſen
Agnaten; iſt vor der Geburt der
Vater geſtorben, in deſſen Ge-
walt das Kind außerdem gebo-
ren wäre, ſo erwirbt das Kind
mit der Geburt ſogleich deſſen
Vermögen oder einen Theil deſ-
ſelben als suus heres.
(b) Dieſe Wichtigkeit iſt aner-
kannt und ſelbſt zu einſeitig und
ausſchließend dargeſtellt von Ul-
pian in L. 41 de leg. (1. 3.).
„Totum autem jus consistit aut
in adquirendo, aut in conser-
vando, aut in minuendo: aut
enim hoc agitur quemadmodum
quid cujusque fiat: aut quem-
admodum quis rem vel jus suum
conservet: aut quomodo alienet
aut amittat.” Hier wird noch
ein neues Moment in die Mitte
jener beiden geſtellt, das conser-
vare. Nimmt man dieſes im ei-
gentlichen Sinn, für die Bewir-
kung der Fortdauer des Rechts
ſelbſt, ſo fällt es mit dem drit-
ten zuſammen, indem es dann als
die Negation des dritten (oder um-
gekehrt) aufgefaßt werden kann;
dann ſagt aber auch das totum
jus consistit viel zu viel. Iſt
dagegen das conservare als Er-
haltung der Ausübung, oder
als Rechtsverfolgung, gedacht, ſo
umfaſſen allerdings jene drey Mo-
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Zitationshilfe: | Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/14>, abgerufen am 04.07.2024. |