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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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§. 114. Zwang und Irrthum.

Die Bedingungen aber, unter welchen allein der Zwang
diese wichtige Wirkung haben kann, sind gleich hier voll-
ständig zusammen zu stellen.

1) Es ist nöthig die Furcht vor einem bedeutenden
Übel, das heißt die Bedrohung des Lebens, oder des Lei-
bes (h), oder der Freyheit. Dieses letzte gilt in einem
doppelten Sinn: sowohl für die factische Entziehung der
Freyheit durch Gefängniß oder Ketten (i), als auch für
den wirklichen Sklavenstand (k), wenn etwa die Drohung
darauf geht, eine vindicatio in servitutem durch Unter-
drückung von Urkunden verderblich zu machen (l), oder
wenn es in der Macht des Drohenden steht, den Freyen
in einen Sklaven zu verwandeln (m). In allen diesen

bruch § 643. -- Bey der Ehe
hatte das ältere R. R., wegen der
freyen Scheidung, kein Bedürf-
niß einer besonderen Abhülfe; die
bey Obligationen angewendeten
Mittel paßten hier nicht. Das
neueste Recht, welches die Schei-
dung so sehr erschwert, hat hier
eine Lücke gelassen. Das cano-
nische Recht nimmt ganz conse-
quent Nichtigkeit der Ehe an. C. 15.
28 X. de spons. (4. 1.), C. 2 X.
de eo qui dux
. (4. 7.). Böhmer
§ 348.
Eichhorn II. S. 351.
(h) L. 3 § 1 L. 7 § 1 L. 8 pr.
§ 2 quod metus (4. 2.), L. 3 ex
quib. causis majores
(4. 6.), L. 13
C. de transact. (2. 4.), L. 7 C.
de his quae vi
(2. 20.).
(i) L. 7 § 1 L. 22 L. 23 § 1.
2 quod metus (4. 2.).
(k) L. 4 quod metus (4. 2.).
"Ego puto etiam servitutis ti-
morem, similiumque admitten-
dum."
Die Similia sind nun eben
die in Note i angeführten Dro-
hungen: Gefängniß oder Fesseln.
(l) L. 8 § 1 quod metus (4. 2.).
(m) So z. B. die mit einem
fremden Sklaven verheirathete
freye Frau, nach dem Sc. Clau-
dianum.
Eben so den undank-
baren Freygelassenen. Wenn in
diesem letzten Fall die Anwend-
barkeit des Edicts verneint wird
(L. 21 pr. quod metus 4. 2.),
so geschieht dieses nicht deswe-
gen, weil die revocatio in ser-
vitutem
kein hinreichendes Übel
wäre, sondern weil in dem durch
die angeführte Stelle vorausge-
setzten Fall die Furcht gar nicht
§. 114. Zwang und Irrthum.

Die Bedingungen aber, unter welchen allein der Zwang
dieſe wichtige Wirkung haben kann, ſind gleich hier voll-
ſtändig zuſammen zu ſtellen.

1) Es iſt noͤthig die Furcht vor einem bedeutenden
Übel, das heißt die Bedrohung des Lebens, oder des Lei-
bes (h), oder der Freyheit. Dieſes letzte gilt in einem
doppelten Sinn: ſowohl für die factiſche Entziehung der
Freyheit durch Gefängniß oder Ketten (i), als auch für
den wirklichen Sklavenſtand (k), wenn etwa die Drohung
darauf geht, eine vindicatio in servitutem durch Unter-
drückung von Urkunden verderblich zu machen (l), oder
wenn es in der Macht des Drohenden ſteht, den Freyen
in einen Sklaven zu verwandeln (m). In allen dieſen

bruch § 643. — Bey der Ehe
hatte das ältere R. R., wegen der
freyen Scheidung, kein Bedürf-
niß einer beſonderen Abhülfe; die
bey Obligationen angewendeten
Mittel paßten hier nicht. Das
neueſte Recht, welches die Schei-
dung ſo ſehr erſchwert, hat hier
eine Lücke gelaſſen. Das cano-
niſche Recht nimmt ganz conſe-
quent Nichtigkeit der Ehe an. C. 15.
28 X. de spons. (4. 1.), C. 2 X.
de eo qui dux
. (4. 7.). Böhmer
§ 348.
Eichhorn II. S. 351.
(h) L. 3 § 1 L. 7 § 1 L. 8 pr.
§ 2 quod metus (4. 2.), L. 3 ex
quib. causis majores
(4. 6.), L. 13
C. de transact. (2. 4.), L. 7 C.
de his quae vi
(2. 20.).
(i) L. 7 § 1 L. 22 L. 23 § 1.
2 quod metus (4. 2.).
(k) L. 4 quod metus (4. 2.).
„Ego puto etiam servitutis ti-
morem, similiumque admitten-
dum.”
Die Similia ſind nun eben
die in Note i angeführten Dro-
hungen: Gefängniß oder Feſſeln.
(l) L. 8 § 1 quod metus (4. 2.).
(m) So z. B. die mit einem
fremden Sklaven verheirathete
freye Frau, nach dem Sc. Clau-
dianum.
Eben ſo den undank-
baren Freygelaſſenen. Wenn in
dieſem letzten Fall die Anwend-
barkeit des Edicts verneint wird
(L. 21 pr. quod metus 4. 2.),
ſo geſchieht dieſes nicht deswe-
gen, weil die revocatio in ser-
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[105/0117] §. 114. Zwang und Irrthum. Die Bedingungen aber, unter welchen allein der Zwang dieſe wichtige Wirkung haben kann, ſind gleich hier voll- ſtändig zuſammen zu ſtellen. 1) Es iſt noͤthig die Furcht vor einem bedeutenden Übel, das heißt die Bedrohung des Lebens, oder des Lei- bes (h), oder der Freyheit. Dieſes letzte gilt in einem doppelten Sinn: ſowohl für die factiſche Entziehung der Freyheit durch Gefängniß oder Ketten (i), als auch für den wirklichen Sklavenſtand (k), wenn etwa die Drohung darauf geht, eine vindicatio in servitutem durch Unter- drückung von Urkunden verderblich zu machen (l), oder wenn es in der Macht des Drohenden ſteht, den Freyen in einen Sklaven zu verwandeln (m). In allen dieſen (g) (h) L. 3 § 1 L. 7 § 1 L. 8 pr. § 2 quod metus (4. 2.), L. 3 ex quib. causis majores (4. 6.), L. 13 C. de transact. (2. 4.), L. 7 C. de his quae vi (2. 20.). (i) L. 7 § 1 L. 22 L. 23 § 1. 2 quod metus (4. 2.). (k) L. 4 quod metus (4. 2.). „Ego puto etiam servitutis ti- morem, similiumque admitten- dum.” Die Similia ſind nun eben die in Note i angeführten Dro- hungen: Gefängniß oder Feſſeln. (l) L. 8 § 1 quod metus (4. 2.). (m) So z. B. die mit einem fremden Sklaven verheirathete freye Frau, nach dem Sc. Clau- dianum. Eben ſo den undank- baren Freygelaſſenen. Wenn in dieſem letzten Fall die Anwend- barkeit des Edicts verneint wird (L. 21 pr. quod metus 4. 2.), ſo geſchieht dieſes nicht deswe- gen, weil die revocatio in ser- vitutem kein hinreichendes Übel wäre, ſondern weil in dem durch die angeführte Stelle vorausge- ſetzten Fall die Furcht gar nicht (g) bruch § 643. — Bey der Ehe hatte das ältere R. R., wegen der freyen Scheidung, kein Bedürf- niß einer beſonderen Abhülfe; die bey Obligationen angewendeten Mittel paßten hier nicht. Das neueſte Recht, welches die Schei- dung ſo ſehr erſchwert, hat hier eine Lücke gelaſſen. Das cano- niſche Recht nimmt ganz conſe- quent Nichtigkeit der Ehe an. C. 15. 28 X. de spons. (4. 1.), C. 2 X. de eo qui dux. (4. 7.). Böhmer § 348. Eichhorn II. S. 351.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/117>, abgerufen am 02.05.2024.