Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Infamie.
waren. In dieser neuen Ausdehnung war der Begriff
ein eben so scharf bestimmter wie früher (§ 78), und ver-
lor sich also auch jetzt nicht in den schwankenden Begriff
des schlechten Rufs oder der Infamia facti.

Daß nun diese Erweiterung der Fälle der Infamie von
Juristen und Kaisern beachtet und praktisch anerkannt wer-
den mußte, versteht sich von selbst (§ 77. y); aber sollte
dieselbe auch in das prätorische Edict über die Infamen
aufgenommen werden? Für die meisten Fälle war es
ohnehin nicht nöthig irgend eine Änderung vorzunehmen,
da die Ausdrücke des Edicts (furti, mandati damnatus
u. s. w.) schon an sich auf beide Geschlechter bezogen wer-
den konnten, uno es also genügte, wenn man die früher-
hin stillschweigend hinzugedachte Ausschließung der Frauen
jetzt hinwegdachte: aber auch für die Fälle, worin der
Ausdruck des Edicts die Frauen bestimmt ausschloß (§ 77),
war ein praktisches Bedürfniß der Änderung nicht vor-
handen. Denn das prätorische Edict über die Infamen
bezog sich blos auf die Ausschließung vom Postuliren, und
in dieser Hinsicht machte bey Frauen die Infamie keinen
Unterschied (Num. I.). Dennoch hat man dieses, durch
praktisches Bedürfniß nicht Gebotene, gethan, und das
Edict durch Aufnahme der die Frauen besonders betreffen-
den Fälle der Infamie ergänzt (Num. VIII.): ohne Zwei-
fel deswegen, weil das prätorische Edict über die Infa-
men der einzige Ort überhaupt war, wo sich ein mit ge-
setzlichem Ansehen bekleidetes Verzeichniß der Ehrlosen fand.


Infamie.
waren. In dieſer neuen Ausdehnung war der Begriff
ein eben ſo ſcharf beſtimmter wie früher (§ 78), und ver-
lor ſich alſo auch jetzt nicht in den ſchwankenden Begriff
des ſchlechten Rufs oder der Infamia facti.

Daß nun dieſe Erweiterung der Fälle der Infamie von
Juriſten und Kaiſern beachtet und praktiſch anerkannt wer-
den mußte, verſteht ſich von ſelbſt (§ 77. y); aber ſollte
dieſelbe auch in das prätoriſche Edict über die Infamen
aufgenommen werden? Für die meiſten Fälle war es
ohnehin nicht nöthig irgend eine Änderung vorzunehmen,
da die Ausdrücke des Edicts (furti, mandati damnatus
u. ſ. w.) ſchon an ſich auf beide Geſchlechter bezogen wer-
den konnten, uno es alſo genügte, wenn man die früher-
hin ſtillſchweigend hinzugedachte Ausſchließung der Frauen
jetzt hinwegdachte: aber auch für die Fälle, worin der
Ausdruck des Edicts die Frauen beſtimmt ausſchloß (§ 77),
war ein praktiſches Bedürfniß der Änderung nicht vor-
handen. Denn das prätoriſche Edict über die Infamen
bezog ſich blos auf die Ausſchließung vom Poſtuliren, und
in dieſer Hinſicht machte bey Frauen die Infamie keinen
Unterſchied (Num. I.). Dennoch hat man dieſes, durch
praktiſches Bedürfniß nicht Gebotene, gethan, und das
Edict durch Aufnahme der die Frauen beſonders betreffen-
den Fälle der Infamie ergänzt (Num. VIII.): ohne Zwei-
fel deswegen, weil das prätoriſche Edict über die Infa-
men der einzige Ort überhaupt war, wo ſich ein mit ge-
ſetzlichem Anſehen bekleidetes Verzeichniß der Ehrloſen fand.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0535" n="521"/><fw place="top" type="header">Infamie.</fw><lb/>
waren. In die&#x017F;er neuen Ausdehnung war der Begriff<lb/>
ein eben &#x017F;o &#x017F;charf be&#x017F;timmter wie früher (§ 78), und ver-<lb/>
lor &#x017F;ich al&#x017F;o auch jetzt nicht in den &#x017F;chwankenden Begriff<lb/>
des &#x017F;chlechten Rufs oder der <hi rendition="#aq">Infamia facti.</hi></p><lb/>
            <p>Daß nun die&#x017F;e Erweiterung der Fälle der Infamie von<lb/>
Juri&#x017F;ten und Kai&#x017F;ern beachtet und prakti&#x017F;ch anerkannt wer-<lb/>
den mußte, ver&#x017F;teht &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t (§ 77. <hi rendition="#aq">y</hi>); aber &#x017F;ollte<lb/>
die&#x017F;elbe auch in das prätori&#x017F;che Edict über die Infamen<lb/>
aufgenommen werden? Für die mei&#x017F;ten Fälle war es<lb/>
ohnehin nicht nöthig irgend eine Änderung vorzunehmen,<lb/>
da die Ausdrücke des Edicts (<hi rendition="#aq">furti, mandati damnatus</hi><lb/>
u. &#x017F;. w.) &#x017F;chon an &#x017F;ich auf beide Ge&#x017F;chlechter bezogen wer-<lb/>
den konnten, uno es al&#x017F;o genügte, wenn man die früher-<lb/>
hin &#x017F;till&#x017F;chweigend hinzugedachte Aus&#x017F;chließung der Frauen<lb/>
jetzt hinwegdachte: aber auch für die Fälle, worin der<lb/>
Ausdruck des Edicts die Frauen be&#x017F;timmt aus&#x017F;chloß (§ 77),<lb/>
war ein prakti&#x017F;ches Bedürfniß der Änderung nicht vor-<lb/>
handen. Denn das prätori&#x017F;che Edict über die Infamen<lb/>
bezog &#x017F;ich blos auf die Aus&#x017F;chließung vom Po&#x017F;tuliren, und<lb/>
in die&#x017F;er Hin&#x017F;icht machte bey Frauen die Infamie keinen<lb/>
Unter&#x017F;chied (Num. <hi rendition="#aq">I.</hi>). Dennoch hat man die&#x017F;es, durch<lb/>
prakti&#x017F;ches Bedürfniß nicht Gebotene, gethan, und das<lb/>
Edict durch Aufnahme der die Frauen be&#x017F;onders betreffen-<lb/>
den Fälle der Infamie ergänzt (Num. <hi rendition="#aq">VIII.</hi>): ohne Zwei-<lb/>
fel deswegen, weil das prätori&#x017F;che Edict über die Infa-<lb/>
men der einzige Ort überhaupt war, wo &#x017F;ich ein mit ge-<lb/>
&#x017F;etzlichem An&#x017F;ehen bekleidetes Verzeichniß der Ehrlo&#x017F;en fand.</p>
          </div><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[521/0535] Infamie. waren. In dieſer neuen Ausdehnung war der Begriff ein eben ſo ſcharf beſtimmter wie früher (§ 78), und ver- lor ſich alſo auch jetzt nicht in den ſchwankenden Begriff des ſchlechten Rufs oder der Infamia facti. Daß nun dieſe Erweiterung der Fälle der Infamie von Juriſten und Kaiſern beachtet und praktiſch anerkannt wer- den mußte, verſteht ſich von ſelbſt (§ 77. y); aber ſollte dieſelbe auch in das prätoriſche Edict über die Infamen aufgenommen werden? Für die meiſten Fälle war es ohnehin nicht nöthig irgend eine Änderung vorzunehmen, da die Ausdrücke des Edicts (furti, mandati damnatus u. ſ. w.) ſchon an ſich auf beide Geſchlechter bezogen wer- den konnten, uno es alſo genügte, wenn man die früher- hin ſtillſchweigend hinzugedachte Ausſchließung der Frauen jetzt hinwegdachte: aber auch für die Fälle, worin der Ausdruck des Edicts die Frauen beſtimmt ausſchloß (§ 77), war ein praktiſches Bedürfniß der Änderung nicht vor- handen. Denn das prätoriſche Edict über die Infamen bezog ſich blos auf die Ausſchließung vom Poſtuliren, und in dieſer Hinſicht machte bey Frauen die Infamie keinen Unterſchied (Num. I.). Dennoch hat man dieſes, durch praktiſches Bedürfniß nicht Gebotene, gethan, und das Edict durch Aufnahme der die Frauen beſonders betreffen- den Fälle der Infamie ergänzt (Num. VIII.): ohne Zwei- fel deswegen, weil das prätoriſche Edict über die Infa- men der einzige Ort überhaupt war, wo ſich ein mit ge- ſetzlichem Anſehen bekleidetes Verzeichniß der Ehrloſen fand.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/535
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/535>, abgerufen am 23.07.2024.