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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Infamie.
sehr natürliche Regel auf: jedes Verbot für die Freyge-
bornen sey auch auf die Senatoren anzuwenden (b). Sie
giengen aber noch weiter in ihrer Reflexion über das Ge-
setz. Dieses hatte den Ausdruck der Infamie nicht ge-
braucht, ohne Zweifel weil nach altem Recht die Infamie
auf Frauen gar keine Anwendbarkeit hatte (Num. I.), aber
gemeynt war doch etwas ganz Ähnliches in den einzeln
aufgezählten verbotenen Fällen (c), ja mehrere derselben
kamen ausdrücklich im Edict als Fälle der Infamie vor.
Sollte nun z. B. eine wegen Diebstahls verurtheilte Frau
nicht dem Eheverbot der L. Julia unterworfen seyn? Nichts
war natürlicher, als auf die allgemeine Regel zu kommen:
die Ehe wird für Freygeborne, also auch für Senatoren,
durch jeden Fall der Infamie verhindert, bey Senatoren
überdem noch durch die Libertinität des andern Theiles;
gerade so wird die Regel wörtlich von Ulpian ausge-

Stelle spricht von den Eheverbo-
ten für die Senatoren: da nun
hier die L. Julia zwar den quae-
stus corpore,
aber nicht das le-
nocinium,
genannt hatte, so fin-
det der Jurist nöthig, für das
lenocinium künstlich zu beweisen,
daß es mit unter das Verbot ge-
höre; dennoch war das lenoci-
nium
in den Eheverboten der Frey-
gebornen ausdrücklich genannt,
was ihm also nicht zu genügen
schien.
(b) L. 43 § 8 de ritu nupt.
(23. 2,). "Eas quas ingenui ce-
teri prohibentur ducere uxores,
Senatores non ducent."
(c) Dieser Sinn der gesetzli-
chen Bestimmungen wird auch von
den alten Juristen in ihren Com-
mentaren über das Gesetz aner-
kannt, indem sie von den daselbst
einzeln aufgezählten Personen ganz
dieselben Ausdrücke gebrauchen,
welche sonst von den Infamen des
prätorischen Edicts regelmäßig ge-
braucht werden. L. 43 § 4. 12.
13 de ritu nupt. (32. 2.) "lege
notatur," "erit notata," "id-
circo notetur," "notata erit,"
"quia factum lex, non senten-
tiam notaverit"
u. s. w.

Infamie.
ſehr natürliche Regel auf: jedes Verbot für die Freyge-
bornen ſey auch auf die Senatoren anzuwenden (b). Sie
giengen aber noch weiter in ihrer Reflexion über das Ge-
ſetz. Dieſes hatte den Ausdruck der Infamie nicht ge-
braucht, ohne Zweifel weil nach altem Recht die Infamie
auf Frauen gar keine Anwendbarkeit hatte (Num. I.), aber
gemeynt war doch etwas ganz Ähnliches in den einzeln
aufgezählten verbotenen Fällen (c), ja mehrere derſelben
kamen ausdrücklich im Edict als Fälle der Infamie vor.
Sollte nun z. B. eine wegen Diebſtahls verurtheilte Frau
nicht dem Eheverbot der L. Julia unterworfen ſeyn? Nichts
war natürlicher, als auf die allgemeine Regel zu kommen:
die Ehe wird für Freygeborne, alſo auch für Senatoren,
durch jeden Fall der Infamie verhindert, bey Senatoren
überdem noch durch die Libertinität des andern Theiles;
gerade ſo wird die Regel wörtlich von Ulpian ausge-

Stelle ſpricht von den Eheverbo-
ten für die Senatoren: da nun
hier die L. Julia zwar den quae-
stus corpore,
aber nicht das le-
nocinium,
genannt hatte, ſo fin-
det der Juriſt nöthig, für das
lenocinium künſtlich zu beweiſen,
daß es mit unter das Verbot ge-
höre; dennoch war das lenoci-
nium
in den Eheverboten der Frey-
gebornen ausdrücklich genannt,
was ihm alſo nicht zu genügen
ſchien.
(b) L. 43 § 8 de ritu nupt.
(23. 2,). „Eas quas ingenui ce-
teri prohibentur ducere uxores,
Senatores non ducent.”
(c) Dieſer Sinn der geſetzli-
chen Beſtimmungen wird auch von
den alten Juriſten in ihren Com-
mentaren über das Geſetz aner-
kannt, indem ſie von den daſelbſt
einzeln aufgezählten Perſonen ganz
dieſelben Ausdrücke gebrauchen,
welche ſonſt von den Infamen des
prätoriſchen Edicts regelmäßig ge-
braucht werden. L. 43 § 4. 12.
13 de ritu nupt. (32. 2.) „lege
notatur,” „erit notata,” „id-
circo notetur,” „notata erit,”
„quia factum lex, non senten-
tiam notaverit
u. ſ. w.
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[519/0533] Infamie. ſehr natürliche Regel auf: jedes Verbot für die Freyge- bornen ſey auch auf die Senatoren anzuwenden (b). Sie giengen aber noch weiter in ihrer Reflexion über das Ge- ſetz. Dieſes hatte den Ausdruck der Infamie nicht ge- braucht, ohne Zweifel weil nach altem Recht die Infamie auf Frauen gar keine Anwendbarkeit hatte (Num. I.), aber gemeynt war doch etwas ganz Ähnliches in den einzeln aufgezählten verbotenen Fällen (c), ja mehrere derſelben kamen ausdrücklich im Edict als Fälle der Infamie vor. Sollte nun z. B. eine wegen Diebſtahls verurtheilte Frau nicht dem Eheverbot der L. Julia unterworfen ſeyn? Nichts war natürlicher, als auf die allgemeine Regel zu kommen: die Ehe wird für Freygeborne, alſo auch für Senatoren, durch jeden Fall der Infamie verhindert, bey Senatoren überdem noch durch die Libertinität des andern Theiles; gerade ſo wird die Regel wörtlich von Ulpian ausge- (a) (b) L. 43 § 8 de ritu nupt. (23. 2,). „Eas quas ingenui ce- teri prohibentur ducere uxores, Senatores non ducent.” (c) Dieſer Sinn der geſetzli- chen Beſtimmungen wird auch von den alten Juriſten in ihren Com- mentaren über das Geſetz aner- kannt, indem ſie von den daſelbſt einzeln aufgezählten Perſonen ganz dieſelben Ausdrücke gebrauchen, welche ſonſt von den Infamen des prätoriſchen Edicts regelmäßig ge- braucht werden. L. 43 § 4. 12. 13 de ritu nupt. (32. 2.) „lege notatur,” „erit notata,” „id- circo notetur,” „notata erit,” „quia factum lex, non senten- tiam notaverit” u. ſ. w. (a) Stelle ſpricht von den Eheverbo- ten für die Senatoren: da nun hier die L. Julia zwar den quae- stus corpore, aber nicht das le- nocinium, genannt hatte, ſo fin- det der Juriſt nöthig, für das lenocinium künſtlich zu beweiſen, daß es mit unter das Verbot ge- höre; dennoch war das lenoci- nium in den Eheverboten der Frey- gebornen ausdrücklich genannt, was ihm alſo nicht zu genügen ſchien.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/533>, abgerufen am 22.11.2024.