Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Status und Capitis deminutio. wir nun nach dieser Stelle an, daß die Vestalin aus derAgnation austrat, und erwägen wir zugleich, daß sie nach dem ausdrücklichen Zeugniß keine capitis deminutio erlitt, so liegt darin eine unmittelbare Widerlegung der Mey- nung des Paulus, welche jeden Austritt aus der Agna- tion für eine capitis deminutio erklärt. Zugleich dient aber diese Stelle zu einem vollständigen Beweis der von mir behaupteten Unvollständigkeit der alten Definition der c. d. als einer Status mutatio. Denn eine Veränderung des Status lag für die Vestalin allerdings in der verlornen Agnation, ja auch schon (wenn man etwa den Verlust der Agnation nicht zugeben wollte) in der Befreyung von der väterlichen Gewalt; erlitt sie nun dennoch keine capitis deminutio, so muß wohl unter dieser etwas Anderes zu verstehen seyn, als die bloße Veränderung des Status. So ist also durch dieses vollgültige alte Zeugniß meine Meynung gegen den Vorwurf gesichert, die Definition der alten Juristen willkührlich meistern zu wollen. Eine ähnliche, nur weniger vollständige Unterstützung Ulpian. XXVIII. 7. Vgl. Zeit- schrift für geschichtl. Rechtswissen- schaft B. 2 S. 378. (d) Tacitus ann. IV 16. Ga- jus I. § 130. Ulpian. X. § 5. (e) Gajus III. § 114.
Status und Capitis deminutio. wir nun nach dieſer Stelle an, daß die Veſtalin aus derAgnation austrat, und erwägen wir zugleich, daß ſie nach dem ausdrücklichen Zeugniß keine capitis deminutio erlitt, ſo liegt darin eine unmittelbare Widerlegung der Mey- nung des Paulus, welche jeden Austritt aus der Agna- tion für eine capitis deminutio erklärt. Zugleich dient aber dieſe Stelle zu einem vollſtändigen Beweis der von mir behaupteten Unvollſtändigkeit der alten Definition der c. d. als einer Status mutatio. Denn eine Veränderung des Status lag für die Veſtalin allerdings in der verlornen Agnation, ja auch ſchon (wenn man etwa den Verluſt der Agnation nicht zugeben wollte) in der Befreyung von der väterlichen Gewalt; erlitt ſie nun dennoch keine capitis deminutio, ſo muß wohl unter dieſer etwas Anderes zu verſtehen ſeyn, als die bloße Veränderung des Status. So iſt alſo durch dieſes vollgültige alte Zeugniß meine Meynung gegen den Vorwurf geſichert, die Definition der alten Juriſten willkührlich meiſtern zu wollen. Eine ähnliche, nur weniger vollſtändige Unterſtützung Ulpian. XXVIII. 7. Vgl. Zeit- ſchrift für geſchichtl. Rechtswiſſen- ſchaft B. 2 S. 378. (d) Tacitus ann. IV 16. Ga- jus I. § 130. Ulpian. X. § 5. (e) Gajus III. § 114.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0519" n="505"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">Status</hi> und <hi rendition="#aq">Capitis deminutio.</hi></fw><lb/> wir nun nach dieſer Stelle an, daß die Veſtalin aus der<lb/> Agnation austrat, und erwägen wir zugleich, daß ſie nach<lb/> dem ausdrücklichen Zeugniß keine <hi rendition="#aq">capitis deminutio</hi> erlitt,<lb/> ſo liegt darin eine unmittelbare Widerlegung der Mey-<lb/> nung des Paulus, welche jeden Austritt aus der Agna-<lb/> tion für eine <hi rendition="#aq">capitis deminutio</hi> erklärt. Zugleich dient aber<lb/> dieſe Stelle zu einem vollſtändigen Beweis der von mir<lb/> behaupteten Unvollſtändigkeit der alten Definition der <hi rendition="#aq">c. d.</hi><lb/> als einer <hi rendition="#aq">Status mutatio.</hi> Denn eine Veränderung des<lb/><hi rendition="#aq">Status</hi> lag für die Veſtalin allerdings in der verlornen<lb/> Agnation, ja auch ſchon (wenn man etwa den Verluſt der<lb/> Agnation nicht zugeben wollte) in der Befreyung von der<lb/> väterlichen Gewalt; erlitt ſie nun dennoch keine <hi rendition="#aq">capitis<lb/> deminutio,</hi> ſo muß wohl unter dieſer etwas Anderes zu<lb/> verſtehen ſeyn, als die bloße Veränderung des <hi rendition="#aq">Status.</hi><lb/> So iſt alſo durch dieſes vollgültige alte Zeugniß meine<lb/> Meynung gegen den Vorwurf geſichert, die Definition der<lb/> alten Juriſten willkührlich meiſtern zu wollen.</p><lb/> <p>Eine ähnliche, nur weniger vollſtändige Unterſtützung<lb/> gewährt unſrer Meynung Dasjenige, was über die Weihe<lb/> des <hi rendition="#aq">flamen Dialis</hi> berichtet wird. Auch dieſer trat aus<lb/> der väterlichen Gewalt <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Tacitus</hi> ann. IV 16. <hi rendition="#k">Ga-<lb/> jus</hi> I. § 130. <hi rendition="#k">Ulpian.</hi> X. § 5.</hi></note>, und auch bey ihm war dieſe<lb/> wichtige Veränderung ſeines <hi rendition="#aq">Status</hi> entſchieden nicht als<lb/><hi rendition="#aq">capitis deminutio</hi> anzuſehen <note place="foot" n="(e)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Gajus</hi> III. § 114.</hi></note>. Die Parallele wäre voll-<lb/><note xml:id="seg2pn_84_2" prev="#seg2pn_84_1" place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Ulpian.</hi> XXVIII. 7.</hi> Vgl. Zeit-<lb/> ſchrift für geſchichtl. Rechtswiſſen-<lb/> ſchaft B. 2 S. 378.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [505/0519]
Status und Capitis deminutio.
wir nun nach dieſer Stelle an, daß die Veſtalin aus der
Agnation austrat, und erwägen wir zugleich, daß ſie nach
dem ausdrücklichen Zeugniß keine capitis deminutio erlitt,
ſo liegt darin eine unmittelbare Widerlegung der Mey-
nung des Paulus, welche jeden Austritt aus der Agna-
tion für eine capitis deminutio erklärt. Zugleich dient aber
dieſe Stelle zu einem vollſtändigen Beweis der von mir
behaupteten Unvollſtändigkeit der alten Definition der c. d.
als einer Status mutatio. Denn eine Veränderung des
Status lag für die Veſtalin allerdings in der verlornen
Agnation, ja auch ſchon (wenn man etwa den Verluſt der
Agnation nicht zugeben wollte) in der Befreyung von der
väterlichen Gewalt; erlitt ſie nun dennoch keine capitis
deminutio, ſo muß wohl unter dieſer etwas Anderes zu
verſtehen ſeyn, als die bloße Veränderung des Status.
So iſt alſo durch dieſes vollgültige alte Zeugniß meine
Meynung gegen den Vorwurf geſichert, die Definition der
alten Juriſten willkührlich meiſtern zu wollen.
Eine ähnliche, nur weniger vollſtändige Unterſtützung
gewährt unſrer Meynung Dasjenige, was über die Weihe
des flamen Dialis berichtet wird. Auch dieſer trat aus
der väterlichen Gewalt (d), und auch bey ihm war dieſe
wichtige Veränderung ſeines Status entſchieden nicht als
capitis deminutio anzuſehen (e). Die Parallele wäre voll-
(c)
(d) Tacitus ann. IV 16. Ga-
jus I. § 130. Ulpian. X. § 5.
(e) Gajus III. § 114.
(c) Ulpian. XXVIII. 7. Vgl. Zeit-
ſchrift für geſchichtl. Rechtswiſſen-
ſchaft B. 2 S. 378.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |