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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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§. 65. Einschränkung der Rechtsfähigkeit. I. Unfreyheit.
letzten Beziehung also fehlte dem Sklaven nicht etwa blos
das Connubium und das Commercium, sondern es war
ihm die Möglichkeit jeder Ehe und Verwandtschaft über-
haupt versagt (c), so wie die Möglichkeit des Eigenthums
jeder Art, des natürlichen nicht minder wie des streng
Römischen. Da nun außerdem die potestas des Herrn
über den Sklaven die Wirkung hat, daß der Sklave dem

Rede, indessen lassen die im Text
angeführten unbestrittenen An-
wendungen keinen Zweifel, daß
sich auch darauf die Unfähigkeit
erstreckte. Um aber Misverständ-
nissen vorzubeugen, will ich dar-
über noch Folgendes bemerken.
Die Römer schreiben einstimmig
die Entstehung der Sklaverey über-
haupt dem jus gentium zu (L. 4
de just. et jure. L. 1 § 1 de
his qui sui.
Gajus I.
§ 52); die
Repräsentation des Herrn durch
den Sklaven setzen sie wahrschein-
lich nicht in das jus gentium, son-
dern in das jus civile (Recht des
Besitzes § 7. S. 82 der 6. Ausg.);
wohin sie die Rechtsunfähigkeit
an sich setzen, darüber fehlt jedes
Zeugniß, indessen scheint es mir
natürlicher anzunehmen, daß auch
diese, eben so wie die Repräsen-
tation, aus dem jus civile ab-
geleitet wurde, besonders da noch
so manche ganz positive Modifi-
cationen derselben unten vorkom-
men werden. War nun dieses
wirklich die herrschende Ansicht, so
darf es darum doch nicht als In-
consequenz getadelt werden, wenn
diese durch das jus civile begrün-
dete Unfähigkeit auch auf die Ge-
meinschaft des jus gentium hem-
mend einwirkte, so daß z. B. der
Sklave nicht einmal einer natür-
lichen Verwandtschaft fähig war.
Die Annahme dieses Verhältnis-
ses wird vielmehr theils durch die
allgemeine Natur des jus gen-
tium
gerechtfertigt (§ 22), theils
durch unzweifelhafte Analogien be-
stätigt, indem z. B. eine gegen
die Verbotsgesetze des jus civile
geschlossene Ehe gar nicht als Ehe
betrachtet wird, nicht einmal als
eine nach jus gentium wirksame
(§ 12 J. de nuptiis 1. 10.).
(c) L. 1 § 2 unde cogn. (38.
8.). ".. nec enim facile ulla
servilis videtur esse cognatio."
-- L. 10 § 5 de gradibus (38.
10.) "ad Leges serviles cogna-
tiones non pertinent"
(vorher
war gesagt worden, der gemei-
ne, nichtjuristische Sprachgebrauch
nehme auch bey Sklaven Ver-
wandtschaften an). -- Erst Justi-
nian hat diese Unfähigkeit in ih-
ren Wirkungen auf die nach der
Freylassung eintretende Erbfolge
modificirt. § 10 J. de grad. cogn.
(3. 6.).

§. 65. Einſchränkung der Rechtsfähigkeit. I. Unfreyheit.
letzten Beziehung alſo fehlte dem Sklaven nicht etwa blos
das Connubium und das Commercium, ſondern es war
ihm die Möglichkeit jeder Ehe und Verwandtſchaft über-
haupt verſagt (c), ſo wie die Möglichkeit des Eigenthums
jeder Art, des natürlichen nicht minder wie des ſtreng
Römiſchen. Da nun außerdem die potestas des Herrn
über den Sklaven die Wirkung hat, daß der Sklave dem

Rede, indeſſen laſſen die im Text
angeführten unbeſtrittenen An-
wendungen keinen Zweifel, daß
ſich auch darauf die Unfähigkeit
erſtreckte. Um aber Misverſtänd-
niſſen vorzubeugen, will ich dar-
über noch Folgendes bemerken.
Die Römer ſchreiben einſtimmig
die Entſtehung der Sklaverey über-
haupt dem jus gentium zu (L. 4
de just. et jure. L. 1 § 1 de
his qui sui.
Gajus I.
§ 52); die
Repräſentation des Herrn durch
den Sklaven ſetzen ſie wahrſchein-
lich nicht in das jus gentium, ſon-
dern in das jus civile (Recht des
Beſitzes § 7. S. 82 der 6. Ausg.);
wohin ſie die Rechtsunfähigkeit
an ſich ſetzen, darüber fehlt jedes
Zeugniß, indeſſen ſcheint es mir
natürlicher anzunehmen, daß auch
dieſe, eben ſo wie die Repräſen-
tation, aus dem jus civile ab-
geleitet wurde, beſonders da noch
ſo manche ganz poſitive Modifi-
cationen derſelben unten vorkom-
men werden. War nun dieſes
wirklich die herrſchende Anſicht, ſo
darf es darum doch nicht als In-
conſequenz getadelt werden, wenn
dieſe durch das jus civile begrün-
dete Unfähigkeit auch auf die Ge-
meinſchaft des jus gentium hem-
mend einwirkte, ſo daß z. B. der
Sklave nicht einmal einer natür-
lichen Verwandtſchaft fähig war.
Die Annahme dieſes Verhältniſ-
ſes wird vielmehr theils durch die
allgemeine Natur des jus gen-
tium
gerechtfertigt (§ 22), theils
durch unzweifelhafte Analogien be-
ſtätigt, indem z. B. eine gegen
die Verbotsgeſetze des jus civile
geſchloſſene Ehe gar nicht als Ehe
betrachtet wird, nicht einmal als
eine nach jus gentium wirkſame
(§ 12 J. de nuptiis 1. 10.).
(c) L. 1 § 2 unde cogn. (38.
8.). „.. nec enim facile ulla
servilis videtur esse cognatio.”
L. 10 § 5 de gradibus (38.
10.) „ad Leges serviles cogna-
tiones non pertinent”
(vorher
war geſagt worden, der gemei-
ne, nichtjuriſtiſche Sprachgebrauch
nehme auch bey Sklaven Ver-
wandtſchaften an). — Erſt Juſti-
nian hat dieſe Unfähigkeit in ih-
ren Wirkungen auf die nach der
Freylaſſung eintretende Erbfolge
modificirt. § 10 J. de grad. cogn.
(3. 6.).
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[31/0045] §. 65. Einſchränkung der Rechtsfähigkeit. I. Unfreyheit. letzten Beziehung alſo fehlte dem Sklaven nicht etwa blos das Connubium und das Commercium, ſondern es war ihm die Möglichkeit jeder Ehe und Verwandtſchaft über- haupt verſagt (c), ſo wie die Möglichkeit des Eigenthums jeder Art, des natürlichen nicht minder wie des ſtreng Römiſchen. Da nun außerdem die potestas des Herrn über den Sklaven die Wirkung hat, daß der Sklave dem (b) (c) L. 1 § 2 unde cogn. (38. 8.). „.. nec enim facile ulla servilis videtur esse cognatio.” — L. 10 § 5 de gradibus (38. 10.) „ad Leges serviles cogna- tiones non pertinent” (vorher war geſagt worden, der gemei- ne, nichtjuriſtiſche Sprachgebrauch nehme auch bey Sklaven Ver- wandtſchaften an). — Erſt Juſti- nian hat dieſe Unfähigkeit in ih- ren Wirkungen auf die nach der Freylaſſung eintretende Erbfolge modificirt. § 10 J. de grad. cogn. (3. 6.). (b) Rede, indeſſen laſſen die im Text angeführten unbeſtrittenen An- wendungen keinen Zweifel, daß ſich auch darauf die Unfähigkeit erſtreckte. Um aber Misverſtänd- niſſen vorzubeugen, will ich dar- über noch Folgendes bemerken. Die Römer ſchreiben einſtimmig die Entſtehung der Sklaverey über- haupt dem jus gentium zu (L. 4 de just. et jure. L. 1 § 1 de his qui sui. Gajus I. § 52); die Repräſentation des Herrn durch den Sklaven ſetzen ſie wahrſchein- lich nicht in das jus gentium, ſon- dern in das jus civile (Recht des Beſitzes § 7. S. 82 der 6. Ausg.); wohin ſie die Rechtsunfähigkeit an ſich ſetzen, darüber fehlt jedes Zeugniß, indeſſen ſcheint es mir natürlicher anzunehmen, daß auch dieſe, eben ſo wie die Repräſen- tation, aus dem jus civile ab- geleitet wurde, beſonders da noch ſo manche ganz poſitive Modifi- cationen derſelben unten vorkom- men werden. War nun dieſes wirklich die herrſchende Anſicht, ſo darf es darum doch nicht als In- conſequenz getadelt werden, wenn dieſe durch das jus civile begrün- dete Unfähigkeit auch auf die Ge- meinſchaft des jus gentium hem- mend einwirkte, ſo daß z. B. der Sklave nicht einmal einer natür- lichen Verwandtſchaft fähig war. Die Annahme dieſes Verhältniſ- ſes wird vielmehr theils durch die allgemeine Natur des jus gen- tium gerechtfertigt (§ 22), theils durch unzweifelhafte Analogien be- ſtätigt, indem z. B. eine gegen die Verbotsgeſetze des jus civile geſchloſſene Ehe gar nicht als Ehe betrachtet wird, nicht einmal als eine nach jus gentium wirkſame (§ 12 J. de nuptiis 1. 10.).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/45>, abgerufen am 26.04.2024.