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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Schuldenfähigkeit einer filiafamilias.

Allein bey genauerer Betrachtung verschwindet das
Gewicht dieser Analogie völlig. Denn der Pupill hat eine
natürliche Unfähigkeit zu juristischen Handlungen welche
ihn ärmer machen würden. Diese Unfähigkeit wird künst-
lich gehoben durch die auctoritas des Vormundes, aber
nur so weit dazu ein Bedürfniß vorhanden ist. Ein sol-
ches Bedürfniß findet sich in der That bey dem unabhän-
gigen Pupillen, weil derselbe eigenes Vermögen hat, wel-
ches oft die Nothwendigkeit mit sich führen kann, in Schuld-
verhältnisse einzutreten. Diese Nothwendigkeit kann bey
dem Unmündigen in väterlicher Gewalt, welcher kein Ver-
mögen hat, nicht vorkommen, darum war für ihn kein
Bedürfniß vorhanden, der natürlichen Unfähigkeit durch
eine künstliche Anstalt abzuhelfen. -- Alles anders bey den
mündigen Frauen. Auch diese waren unfähig zu vielen
Handlungen, aber ihre Unfähigkeit selbst war eine blos
künstliche, erfunden nicht in ihrem eigenen Interesse, son-
dern im Interesse ihrer Agnaten oder Patronen, welchen
dadurch ein Mittel gegeben werden sollte, die Entziehung
oder Verminderung der künftigen Intestaterbschaft in den
meisten Fällen zu verhindern (d). So lange sie nun in

1.). "Pupillus, licet ex quo
fari coeperit recte stipulari po-
test, tamen, si in parentis po-
testate est, ne auctore quidem
patre obligatur:
pubes vero,
qui in potestate est, proinde
ac si paterfamilias, obligari so-
let. Quod autem in pupillo
dicimus, idem et in filiafami-
lias impubere dicendum est."
(d) Gajus I. § 190--192. Aus
seiner Darstellung geht klar her-
vor, daß die ernstliche Bedeutung
der Geschlechtstutel lediglich auf
den Vortheil der Agnaten und Pa-
tronen berechnet war, und daß
die übrigen Arten dieser Tutel
nur als Ergänzung oder Milde-
Schuldenfähigkeit einer filiafamilias.

Allein bey genauerer Betrachtung verſchwindet das
Gewicht dieſer Analogie völlig. Denn der Pupill hat eine
natürliche Unfähigkeit zu juriſtiſchen Handlungen welche
ihn ärmer machen würden. Dieſe Unfähigkeit wird künſt-
lich gehoben durch die auctoritas des Vormundes, aber
nur ſo weit dazu ein Bedürfniß vorhanden iſt. Ein ſol-
ches Bedürfniß findet ſich in der That bey dem unabhän-
gigen Pupillen, weil derſelbe eigenes Vermögen hat, wel-
ches oft die Nothwendigkeit mit ſich führen kann, in Schuld-
verhältniſſe einzutreten. Dieſe Nothwendigkeit kann bey
dem Unmündigen in väterlicher Gewalt, welcher kein Ver-
mögen hat, nicht vorkommen, darum war fuͤr ihn kein
Bedürfniß vorhanden, der natürlichen Unfähigkeit durch
eine künſtliche Anſtalt abzuhelfen. — Alles anders bey den
mündigen Frauen. Auch dieſe waren unfähig zu vielen
Handlungen, aber ihre Unfähigkeit ſelbſt war eine blos
künſtliche, erfunden nicht in ihrem eigenen Intereſſe, ſon-
dern im Intereſſe ihrer Agnaten oder Patronen, welchen
dadurch ein Mittel gegeben werden ſollte, die Entziehung
oder Verminderung der künftigen Inteſtaterbſchaft in den
meiſten Fällen zu verhindern (d). So lange ſie nun in

1.). „Pupillus, licet ex quo
fari coeperit recte stipulari po-
test, tamen, si in parentis po-
testate est, ne auctore quidem
patre obligatur:
pubes vero,
qui in potestate est, proinde
ac si paterfamilias, obligari so-
let. Quod autem in pupillo
dicimus, idem et in filiafami-
lias impubere dicendum est.”
(d) Gajus I. § 190—192. Aus
ſeiner Darſtellung geht klar her-
vor, daß die ernſtliche Bedeutung
der Geſchlechtstutel lediglich auf
den Vortheil der Agnaten und Pa-
tronen berechnet war, und daß
die übrigen Arten dieſer Tutel
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[431/0445] Schuldenfähigkeit einer filiafamilias. Allein bey genauerer Betrachtung verſchwindet das Gewicht dieſer Analogie völlig. Denn der Pupill hat eine natürliche Unfähigkeit zu juriſtiſchen Handlungen welche ihn ärmer machen würden. Dieſe Unfähigkeit wird künſt- lich gehoben durch die auctoritas des Vormundes, aber nur ſo weit dazu ein Bedürfniß vorhanden iſt. Ein ſol- ches Bedürfniß findet ſich in der That bey dem unabhän- gigen Pupillen, weil derſelbe eigenes Vermögen hat, wel- ches oft die Nothwendigkeit mit ſich führen kann, in Schuld- verhältniſſe einzutreten. Dieſe Nothwendigkeit kann bey dem Unmündigen in väterlicher Gewalt, welcher kein Ver- mögen hat, nicht vorkommen, darum war fuͤr ihn kein Bedürfniß vorhanden, der natürlichen Unfähigkeit durch eine künſtliche Anſtalt abzuhelfen. — Alles anders bey den mündigen Frauen. Auch dieſe waren unfähig zu vielen Handlungen, aber ihre Unfähigkeit ſelbſt war eine blos künſtliche, erfunden nicht in ihrem eigenen Intereſſe, ſon- dern im Intereſſe ihrer Agnaten oder Patronen, welchen dadurch ein Mittel gegeben werden ſollte, die Entziehung oder Verminderung der künftigen Inteſtaterbſchaft in den meiſten Fällen zu verhindern (d). So lange ſie nun in (c) (d) Gajus I. § 190—192. Aus ſeiner Darſtellung geht klar her- vor, daß die ernſtliche Bedeutung der Geſchlechtstutel lediglich auf den Vortheil der Agnaten und Pa- tronen berechnet war, und daß die übrigen Arten dieſer Tutel nur als Ergänzung oder Milde- (c) 1.). „Pupillus, licet ex quo fari coeperit recte stipulari po- test, tamen, si in parentis po- testate est, ne auctore quidem patre obligatur: pubes vero, qui in potestate est, proinde ac si paterfamilias, obligari so- let. Quod autem in pupillo dicimus, idem et in filiafami- lias impubere dicendum est.”

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/445>, abgerufen am 23.11.2024.