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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Beylage IV.
lichkeit, worauf hier die Exception gegründet werden soll,
besteht darin, daß der Glaubiger, der einen Nachlaß durch
Vertrag zugesagt hatte, nun dennoch das Ganze einklagt.
Diese Thatsache aber fällt in eine Zeit, worin der frühere
Sklave schon frey, also zur Erwerbung jeder Obligation
fähig ist; die Unredlichkeit aber als solche, als reine That-
sache von unsittlichem Character, wird dadurch nicht aus-
geschlossen, daß der frühere Vertrag durch die ganz po-
sitive Rechtsunfähigkeit der Sklaven juristisch unwirksam
geblieben war.

Die Ausnahme, nach welcher der Sklave eine natura-
lis obligatio
erwerben soll, wenn darin der Herr selbst
als Schuldner auftritt, zeigt sich auf zweyerley Weise in
merkwürdigen Anwendungen. Erstlich noch während des
Sklavenstandes, wenn im Verhältniß zu fremden Glau-
bigern die Frage entsteht, wie groß das Peculium ist.
Nach einer allgemeinen, für Kinder und Sklaven gelten-
den Regel, sollten dem Peculium hinzugerechnet werden
die Schulden des Herrn an den Sklaven, umgekehrt aber
sollten abgerechnet werden die Schulden des Sklaven an
den Herrn (c). Bey dieser Regel also wurden die gegen-
seitigen Obligationen als völlig gültige (jedoch nur als

(c) L. 5 § 4 L. 9 § 2 de pe-
culio
(15. 1.). -- Eine Anwen-
dung dieser deductio auf den
filiusfamilias liegt der berühm-
ten L. Frater a fratre (L. 38 de
cond. ind.
12. 6.) zum Grunde.
-- Eine Anwendung derselben
noch außer der actio de pecu-
lio,
nämlich auf die Geldzahlung,
die ein statuliber aus seinem Pe-
culium machen darf, um dadurch
frey zu werden, findet sich in L. 3
§ 2 de statulib.
(40. 7.).

Beylage IV.
lichkeit, worauf hier die Exception gegründet werden ſoll,
beſteht darin, daß der Glaubiger, der einen Nachlaß durch
Vertrag zugeſagt hatte, nun dennoch das Ganze einklagt.
Dieſe Thatſache aber fällt in eine Zeit, worin der frühere
Sklave ſchon frey, alſo zur Erwerbung jeder Obligation
fähig iſt; die Unredlichkeit aber als ſolche, als reine That-
ſache von unſittlichem Character, wird dadurch nicht aus-
geſchloſſen, daß der frühere Vertrag durch die ganz po-
ſitive Rechtsunfähigkeit der Sklaven juriſtiſch unwirkſam
geblieben war.

Die Ausnahme, nach welcher der Sklave eine natura-
lis obligatio
erwerben ſoll, wenn darin der Herr ſelbſt
als Schuldner auftritt, zeigt ſich auf zweyerley Weiſe in
merkwürdigen Anwendungen. Erſtlich noch während des
Sklavenſtandes, wenn im Verhältniß zu fremden Glau-
bigern die Frage entſteht, wie groß das Peculium iſt.
Nach einer allgemeinen, für Kinder und Sklaven gelten-
den Regel, ſollten dem Peculium hinzugerechnet werden
die Schulden des Herrn an den Sklaven, umgekehrt aber
ſollten abgerechnet werden die Schulden des Sklaven an
den Herrn (c). Bey dieſer Regel alſo wurden die gegen-
ſeitigen Obligationen als völlig gültige (jedoch nur als

(c) L. 5 § 4 L. 9 § 2 de pe-
culio
(15. 1.). — Eine Anwen-
dung dieſer deductio auf den
filiusfamilias liegt der berühm-
ten L. Frater a fratre (L. 38 de
cond. ind.
12. 6.) zum Grunde.
— Eine Anwendung derſelben
noch außer der actio de pecu-
lio,
nämlich auf die Geldzahlung,
die ein statuliber aus ſeinem Pe-
culium machen darf, um dadurch
frey zu werden, findet ſich in L. 3
§ 2 de statulib.
(40. 7.).
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[422/0436] Beylage IV. lichkeit, worauf hier die Exception gegründet werden ſoll, beſteht darin, daß der Glaubiger, der einen Nachlaß durch Vertrag zugeſagt hatte, nun dennoch das Ganze einklagt. Dieſe Thatſache aber fällt in eine Zeit, worin der frühere Sklave ſchon frey, alſo zur Erwerbung jeder Obligation fähig iſt; die Unredlichkeit aber als ſolche, als reine That- ſache von unſittlichem Character, wird dadurch nicht aus- geſchloſſen, daß der frühere Vertrag durch die ganz po- ſitive Rechtsunfähigkeit der Sklaven juriſtiſch unwirkſam geblieben war. Die Ausnahme, nach welcher der Sklave eine natura- lis obligatio erwerben ſoll, wenn darin der Herr ſelbſt als Schuldner auftritt, zeigt ſich auf zweyerley Weiſe in merkwürdigen Anwendungen. Erſtlich noch während des Sklavenſtandes, wenn im Verhältniß zu fremden Glau- bigern die Frage entſteht, wie groß das Peculium iſt. Nach einer allgemeinen, für Kinder und Sklaven gelten- den Regel, ſollten dem Peculium hinzugerechnet werden die Schulden des Herrn an den Sklaven, umgekehrt aber ſollten abgerechnet werden die Schulden des Sklaven an den Herrn (c). Bey dieſer Regel alſo wurden die gegen- ſeitigen Obligationen als völlig gültige (jedoch nur als (c) L. 5 § 4 L. 9 § 2 de pe- culio (15. 1.). — Eine Anwen- dung dieſer deductio auf den filiusfamilias liegt der berühm- ten L. Frater a fratre (L. 38 de cond. ind. 12. 6.) zum Grunde. — Eine Anwendung derſelben noch außer der actio de pecu- lio, nämlich auf die Geldzahlung, die ein statuliber aus ſeinem Pe- culium machen darf, um dadurch frey zu werden, findet ſich in L. 3 § 2 de statulib. (40. 7.).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/436>, abgerufen am 22.11.2024.