Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Vitalität.
seyen vital und rechtsfähig, die im dritten und vierten
aber nicht.

2) G. E. Oeltze de partu vivo vitali et non vitali
Jenae
1769. Er vertheidigt bestimmt die Regel, daß das
nicht vitale, d. h. das vor dem siebenten Monat geborene
Kind keine Rechte habe; man findet bey ihm klare Begriffe,
und manches schätzbare literarische Material. Aber die
Beweise für seine Behauptung sind freylich unglaublich
schwach. Ich will sie kurz zusammenstellen:

a) Ein nicht vitales Kind kann seinen Nebenmenschen
Nichts nützen, ist daher einem todtgeborenen gleich (§ 15).

b) L. 12 de statu hom. (1. 5.). Hier erklärt er das
septimo mense nasci perfectum partum durch vitalem,
was den Worten nach angehen würde, aber durch den
Schluß der Stelle völlig widerlegt wird (S. oben Note y).
Dieser Widerlegung sucht er dadurch zu entgehen, daß er
am Schluß das justum filium esse von der Rechtsfähig-
keit des Sohnes versteht, da es doch offenbar nur die
Legitimität desselben, die Geburt ex justis nuptiis, bezeich-
nen kann (§ 16).

c) L. 2 C. de posthumis (6. 29.) sagt, ein abortus
habe keine Rechte; da nun das nicht vitale Kind ein abor-
tus
sey, so habe es keine Rechte (§ 19).

d) L. 3 C. de posthumis (6. 29.) macht die Bedingung:
si vivus perfecte natus est; das heiße ein vitales Kind
(§ 21). Aber perfecte natus bezeichnet nicht den Gegen-
satz gegen das unreife Kind, sondern gegen dasjenige, wel-

Vitalität.
ſeyen vital und rechtsfähig, die im dritten und vierten
aber nicht.

2) G. E. Oeltze de partu vivo vitali et non vitali
Jenae
1769. Er vertheidigt beſtimmt die Regel, daß das
nicht vitale, d. h. das vor dem ſiebenten Monat geborene
Kind keine Rechte habe; man findet bey ihm klare Begriffe,
und manches ſchätzbare literariſche Material. Aber die
Beweiſe für ſeine Behauptung ſind freylich unglaublich
ſchwach. Ich will ſie kurz zuſammenſtellen:

a) Ein nicht vitales Kind kann ſeinen Nebenmenſchen
Nichts nützen, iſt daher einem todtgeborenen gleich (§ 15).

b) L. 12 de statu hom. (1. 5.). Hier erklärt er das
septimo mense nasci perfectum partum durch vitalem,
was den Worten nach angehen würde, aber durch den
Schluß der Stelle völlig widerlegt wird (S. oben Note y).
Dieſer Widerlegung ſucht er dadurch zu entgehen, daß er
am Schluß das justum filium esse von der Rechtsfähig-
keit des Sohnes verſteht, da es doch offenbar nur die
Legitimität deſſelben, die Geburt ex justis nuptiis, bezeich-
nen kann (§ 16).

c) L. 2 C. de posthumis (6. 29.) ſagt, ein abortus
habe keine Rechte; da nun das nicht vitale Kind ein abor-
tus
ſey, ſo habe es keine Rechte (§ 19).

d) L. 3 C. de posthumis (6. 29.) macht die Bedingung:
si vivus perfecte natus est; das heiße ein vitales Kind
(§ 21). Aber perfecte natus bezeichnet nicht den Gegen-
ſatz gegen das unreife Kind, ſondern gegen dasjenige, wel-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0425" n="411"/><fw place="top" type="header">Vitalität.</fw><lb/>
&#x017F;eyen vital und rechtsfähig, die im dritten und vierten<lb/>
aber nicht.</p><lb/>
          <p>2) <hi rendition="#aq">G. E. <hi rendition="#k">Oeltze</hi> de partu vivo vitali et non vitali<lb/>
Jenae</hi> 1769. Er vertheidigt be&#x017F;timmt die Regel, daß das<lb/>
nicht vitale, d. h. das vor dem &#x017F;iebenten Monat geborene<lb/>
Kind keine Rechte habe; man findet bey ihm klare Begriffe,<lb/>
und manches &#x017F;chätzbare literari&#x017F;che Material. Aber die<lb/>
Bewei&#x017F;e für &#x017F;eine Behauptung &#x017F;ind freylich unglaublich<lb/>
&#x017F;chwach. Ich will &#x017F;ie kurz zu&#x017F;ammen&#x017F;tellen:</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">a)</hi> Ein nicht vitales Kind kann &#x017F;einen Nebenmen&#x017F;chen<lb/>
Nichts nützen, i&#x017F;t daher einem todtgeborenen gleich (§ 15).</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">b) L. 12 de statu hom.</hi> (1. 5.). Hier erklärt er das<lb/><hi rendition="#aq">septimo mense nasci <hi rendition="#i">perfectum</hi> partum</hi> durch <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">vitalem,</hi></hi><lb/>
was den Worten nach angehen würde, aber durch den<lb/>
Schluß der Stelle völlig widerlegt wird (S. oben Note <hi rendition="#aq">y</hi>).<lb/>
Die&#x017F;er Widerlegung &#x017F;ucht er dadurch zu entgehen, daß er<lb/>
am Schluß das <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">justum</hi> filium esse</hi> von der Rechtsfähig-<lb/>
keit des Sohnes ver&#x017F;teht, da es doch offenbar nur die<lb/>
Legitimität de&#x017F;&#x017F;elben, die Geburt <hi rendition="#aq">ex justis nuptiis,</hi> bezeich-<lb/>
nen kann (§ 16).</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">c) L. 2 C. de posthumis</hi> (6. 29.) &#x017F;agt, ein <hi rendition="#aq">abortus</hi><lb/>
habe keine Rechte; da nun das nicht vitale Kind ein <hi rendition="#aq">abor-<lb/>
tus</hi> &#x017F;ey, &#x017F;o habe es keine Rechte (§ 19).</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">d) L. 3 C. de posthumis</hi> (6. 29.) macht die Bedingung:<lb/><hi rendition="#aq">si vivus <hi rendition="#i">perfecte</hi> natus est;</hi> das heiße ein vitales Kind<lb/>
(§ 21). Aber <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">perfecte</hi> natus</hi> bezeichnet nicht den Gegen-<lb/>
&#x017F;atz gegen das unreife Kind, &#x017F;ondern gegen dasjenige, wel-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[411/0425] Vitalität. ſeyen vital und rechtsfähig, die im dritten und vierten aber nicht. 2) G. E. Oeltze de partu vivo vitali et non vitali Jenae 1769. Er vertheidigt beſtimmt die Regel, daß das nicht vitale, d. h. das vor dem ſiebenten Monat geborene Kind keine Rechte habe; man findet bey ihm klare Begriffe, und manches ſchätzbare literariſche Material. Aber die Beweiſe für ſeine Behauptung ſind freylich unglaublich ſchwach. Ich will ſie kurz zuſammenſtellen: a) Ein nicht vitales Kind kann ſeinen Nebenmenſchen Nichts nützen, iſt daher einem todtgeborenen gleich (§ 15). b) L. 12 de statu hom. (1. 5.). Hier erklärt er das septimo mense nasci perfectum partum durch vitalem, was den Worten nach angehen würde, aber durch den Schluß der Stelle völlig widerlegt wird (S. oben Note y). Dieſer Widerlegung ſucht er dadurch zu entgehen, daß er am Schluß das justum filium esse von der Rechtsfähig- keit des Sohnes verſteht, da es doch offenbar nur die Legitimität deſſelben, die Geburt ex justis nuptiis, bezeich- nen kann (§ 16). c) L. 2 C. de posthumis (6. 29.) ſagt, ein abortus habe keine Rechte; da nun das nicht vitale Kind ein abor- tus ſey, ſo habe es keine Rechte (§ 19). d) L. 3 C. de posthumis (6. 29.) macht die Bedingung: si vivus perfecte natus est; das heiße ein vitales Kind (§ 21). Aber perfecte natus bezeichnet nicht den Gegen- ſatz gegen das unreife Kind, ſondern gegen dasjenige, wel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/425
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/425>, abgerufen am 22.11.2024.