Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen. Klage im Namen der Gemeinde anzustellen. Wollte mander Regierung die Ausübung dieses obervormundschaftli- chen Rechts versagen, so würde man damit den Einzel- nen die Macht einräumen, die willkührlichste und regello- seste Gemeinheitstheilung zu erzwingen (f). Über die hier verhandelten Gegenstände enthält das (f) Für den einfachen Fall, daß in der That alle oder fast alle Einzelne in diesem Conflict mit der Gemeinde erscheinen, ist die Sache so klar, daß die hier auf- gestellte Behauptung nicht leicht Widerspruch finden möchte. Allein öfter erscheint sie in folgender et- was verwickelteren Gestalt. Wenn nämlich nur ein Theil der Ge- meindeglieder die ausschließende Nutzung eines Gemeindewaldes hat, so geschieht es wohl, daß eben diese Waldbeerbte den Be- sitz als Einzelne an sich reißen, und dann vorgeben, es könne nicht anders gegen sie geklagt werden, als vermittelst eines von den Übrigen errichteten Syn- dicats. Auch das ist illusorisch; denn da diese Übrigen gar kein Interesse bey der Sache haben, so können sie leicht durch ganz geringe Geldvortheile abgefunden werden, so daß auch sie das Syn- dicat verweigern. Der Fall ist also von jenem ersten, einfachsten Fall doch nicht wesentlich ver- schieden. -- Fälle solcher verschie- denen Arten sind in neuerer Zeit öfter in den ostrheinischen (vor- mals Nassauischen) Theilen des Preußischen Staats vorgekommen, und der Rheinische Revisionshof in Berlin hat dieselben, seit einer Reihe von Jahren, stets nach den hier aufgestellten Grundsätzen be- urtheilt. (g) L. 3 C. de vend.reb. civ. (11.
31.) "domus, aut annonae civiles, aut quaelibet aedificia vel man- cipia." Annonae civiles sind Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. Klage im Namen der Gemeinde anzuſtellen. Wollte mander Regierung die Ausübung dieſes obervormundſchaftli- chen Rechts verſagen, ſo würde man damit den Einzel- nen die Macht einräumen, die willkührlichſte und regello- ſeſte Gemeinheitstheilung zu erzwingen (f). Über die hier verhandelten Gegenſtände enthält das (f) Für den einfachen Fall, daß in der That alle oder faſt alle Einzelne in dieſem Conflict mit der Gemeinde erſcheinen, iſt die Sache ſo klar, daß die hier auf- geſtellte Behauptung nicht leicht Widerſpruch finden möchte. Allein öfter erſcheint ſie in folgender et- was verwickelteren Geſtalt. Wenn nämlich nur ein Theil der Ge- meindeglieder die ausſchließende Nutzung eines Gemeindewaldes hat, ſo geſchieht es wohl, daß eben dieſe Waldbeerbte den Be- ſitz als Einzelne an ſich reißen, und dann vorgeben, es könne nicht anders gegen ſie geklagt werden, als vermittelſt eines von den Übrigen errichteten Syn- dicats. Auch das iſt illuſoriſch; denn da dieſe Übrigen gar kein Intereſſe bey der Sache haben, ſo können ſie leicht durch ganz geringe Geldvortheile abgefunden werden, ſo daß auch ſie das Syn- dicat verweigern. Der Fall iſt alſo von jenem erſten, einfachſten Fall doch nicht weſentlich ver- ſchieden. — Fälle ſolcher verſchie- denen Arten ſind in neuerer Zeit öfter in den oſtrheiniſchen (vor- mals Naſſauiſchen) Theilen des Preußiſchen Staats vorgekommen, und der Rheiniſche Reviſionshof in Berlin hat dieſelben, ſeit einer Reihe von Jahren, ſtets nach den hier aufgeſtellten Grundſätzen be- urtheilt. (g) L. 3 C. de vend.reb. civ. (11.
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
Klage im Namen der Gemeinde anzuſtellen. Wollte man
der Regierung die Ausübung dieſes obervormundſchaftli-
chen Rechts verſagen, ſo würde man damit den Einzel-
nen die Macht einräumen, die willkührlichſte und regello-
ſeſte Gemeinheitstheilung zu erzwingen (f).
Über die hier verhandelten Gegenſtände enthält das
Römiſche Recht ungemein wenig. In den Stadtgemein-
den war in der Kaiſerzeit eine faſt unbeſchränkte Gewalt
den Decurionen eingeräumt (§ 96). Doch findet ſich auch
dabey ſchon eine merkwürdige Einſchränkung in einer Con-
ſtitution des K. Leo. Wenn eine Stadt Gebäude, Grund-
renten, oder Sklaven (g) verkaufen will, ſo wird dazu in
(f) Für den einfachen Fall, daß
in der That alle oder faſt alle
Einzelne in dieſem Conflict mit
der Gemeinde erſcheinen, iſt die
Sache ſo klar, daß die hier auf-
geſtellte Behauptung nicht leicht
Widerſpruch finden möchte. Allein
öfter erſcheint ſie in folgender et-
was verwickelteren Geſtalt. Wenn
nämlich nur ein Theil der Ge-
meindeglieder die ausſchließende
Nutzung eines Gemeindewaldes
hat, ſo geſchieht es wohl, daß
eben dieſe Waldbeerbte den Be-
ſitz als Einzelne an ſich reißen,
und dann vorgeben, es könne
nicht anders gegen ſie geklagt
werden, als vermittelſt eines von
den Übrigen errichteten Syn-
dicats. Auch das iſt illuſoriſch;
denn da dieſe Übrigen gar kein
Intereſſe bey der Sache haben,
ſo können ſie leicht durch ganz
geringe Geldvortheile abgefunden
werden, ſo daß auch ſie das Syn-
dicat verweigern. Der Fall iſt
alſo von jenem erſten, einfachſten
Fall doch nicht weſentlich ver-
ſchieden. — Fälle ſolcher verſchie-
denen Arten ſind in neuerer Zeit
öfter in den oſtrheiniſchen (vor-
mals Naſſauiſchen) Theilen des
Preußiſchen Staats vorgekommen,
und der Rheiniſche Reviſionshof
in Berlin hat dieſelben, ſeit einer
Reihe von Jahren, ſtets nach den
hier aufgeſtellten Grundſätzen be-
urtheilt.
(g) L. 3 C. de vend.reb. civ. (11.
31.) „domus, aut annonae civiles,
aut quaelibet aedificia vel man-
cipia.” Annonae civiles ſind
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