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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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§. 94. Juristische Personen. Rechte. (Fortsetzung.)
zu, daß manche Verbrechen und manche Strafen ausge-
schlossen bleiben müßten; denn es wird doch Niemand eine
Stadt des Ehebruchs, oder ein Hospital der Bigamie be-
schuldigen wollen; eben so würde bey einer Dorfgemeinde
die Strafe der Landesverweisung, bey einer Kirche oder
einem Armenhaus die Gefängnißstrafe, unübersteigliche
Schwierigkeiten haben; weniger Schwierigkeit macht die
Todesstrafe, welche hier in der Gestalt der Vernichtung
der juristischen Person angewendet werden könnte. -- Allein
es ist mit Recht bemerkt worden, daß solche Ausnahmen
möglicher Anwendung die Anwendung nicht im Allgemei-
nen ausschließen können.

Gegen den für die erste Meynung angeführten Grund
ist mit Recht eingewendet worden, daß er zu viel beweise.
Denn auch wenn ein einzelner Fremder in den Staat auf-
genommen wird und in dem Unterthaneneid Gehorsam ge-
gen die Gesetze verspricht, verletzt er durch jedes Verbre-
chen die Bedingung seiner Aufnahme; dennoch verliert er
dadurch nicht seine Persönlichkeit und am wenigsten seine
Straffähigkeit. Ja man könnte aus jenem streng durch-
geführten Grunde sogar folgern, daß eine juristische Per-
son überhaupt nicht verklagt werden könne, weil jede Klage
in dem Beklagten eine Rechtsverletzung voraussetzt, auf
welche aber (nach Jenen) das Existenzprivilegium der ju-

haupt der Wille der 2/3 diese ver-
pflichtende Kraft hat, so ist nicht
einzusehen, warum nicht die Stadt
als Dieb oder Räuber bestraft
werden sollte, wenn die 2/3 be-
schließen, zum Vortheil der Stadt-
kasse zu stehlen und zu rauben.

§. 94. Juriſtiſche Perſonen. Rechte. (Fortſetzung.)
zu, daß manche Verbrechen und manche Strafen ausge-
ſchloſſen bleiben müßten; denn es wird doch Niemand eine
Stadt des Ehebruchs, oder ein Hoſpital der Bigamie be-
ſchuldigen wollen; eben ſo würde bey einer Dorfgemeinde
die Strafe der Landesverweiſung, bey einer Kirche oder
einem Armenhaus die Gefängnißſtrafe, unüberſteigliche
Schwierigkeiten haben; weniger Schwierigkeit macht die
Todesſtrafe, welche hier in der Geſtalt der Vernichtung
der juriſtiſchen Perſon angewendet werden koͤnnte. — Allein
es iſt mit Recht bemerkt worden, daß ſolche Ausnahmen
möglicher Anwendung die Anwendung nicht im Allgemei-
nen ausſchließen können.

Gegen den für die erſte Meynung angeführten Grund
iſt mit Recht eingewendet worden, daß er zu viel beweiſe.
Denn auch wenn ein einzelner Fremder in den Staat auf-
genommen wird und in dem Unterthaneneid Gehorſam ge-
gen die Geſetze verſpricht, verletzt er durch jedes Verbre-
chen die Bedingung ſeiner Aufnahme; dennoch verliert er
dadurch nicht ſeine Perſoͤnlichkeit und am wenigſten ſeine
Straffähigkeit. Ja man könnte aus jenem ſtreng durch-
geführten Grunde ſogar folgern, daß eine juriſtiſche Per-
ſon überhaupt nicht verklagt werden könne, weil jede Klage
in dem Beklagten eine Rechtsverletzung vorausſetzt, auf
welche aber (nach Jenen) das Exiſtenzprivilegium der ju-

haupt der Wille der ⅔ dieſe ver-
pflichtende Kraft hat, ſo iſt nicht
einzuſehen, warum nicht die Stadt
als Dieb oder Räuber beſtraft
werden ſollte, wenn die ⅔ be-
ſchließen, zum Vortheil der Stadt-
kaſſe zu ſtehlen und zu rauben.
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[311/0325] §. 94. Juriſtiſche Perſonen. Rechte. (Fortſetzung.) zu, daß manche Verbrechen und manche Strafen ausge- ſchloſſen bleiben müßten; denn es wird doch Niemand eine Stadt des Ehebruchs, oder ein Hoſpital der Bigamie be- ſchuldigen wollen; eben ſo würde bey einer Dorfgemeinde die Strafe der Landesverweiſung, bey einer Kirche oder einem Armenhaus die Gefängnißſtrafe, unüberſteigliche Schwierigkeiten haben; weniger Schwierigkeit macht die Todesſtrafe, welche hier in der Geſtalt der Vernichtung der juriſtiſchen Perſon angewendet werden koͤnnte. — Allein es iſt mit Recht bemerkt worden, daß ſolche Ausnahmen möglicher Anwendung die Anwendung nicht im Allgemei- nen ausſchließen können. Gegen den für die erſte Meynung angeführten Grund iſt mit Recht eingewendet worden, daß er zu viel beweiſe. Denn auch wenn ein einzelner Fremder in den Staat auf- genommen wird und in dem Unterthaneneid Gehorſam ge- gen die Geſetze verſpricht, verletzt er durch jedes Verbre- chen die Bedingung ſeiner Aufnahme; dennoch verliert er dadurch nicht ſeine Perſoͤnlichkeit und am wenigſten ſeine Straffähigkeit. Ja man könnte aus jenem ſtreng durch- geführten Grunde ſogar folgern, daß eine juriſtiſche Per- ſon überhaupt nicht verklagt werden könne, weil jede Klage in dem Beklagten eine Rechtsverletzung vorausſetzt, auf welche aber (nach Jenen) das Exiſtenzprivilegium der ju- (b) (b) haupt der Wille der ⅔ dieſe ver- pflichtende Kraft hat, ſo iſt nicht einzuſehen, warum nicht die Stadt als Dieb oder Räuber beſtraft werden ſollte, wenn die ⅔ be- ſchließen, zum Vortheil der Stadt- kaſſe zu ſtehlen und zu rauben.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/325>, abgerufen am 22.11.2024.