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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
derselben heißt die natürliche Person, oder der einzelne
Mensch, singularis persona (y).

III. Stiftungen, oder unsichtbare juristische Perso-
nen (§ 86). Seitdem die christliche Religion herrschend
wurde, kamen jene in der größten Ausdehnung und Man-
nichfaltigkeit vor, und wurden mit vieler Begünstigung
behandelt. Einen gemeinsamen Namen führen sie in den
Rechtsquellen nicht, und erst die Neueren haben dafür den
Ausdruck pia corpora erfunden (z). Um ihr eigentliches
Wesen durch den Gegensatz klarer hervor treten zu lassen,
wird es zuträglich seyn, zuvor den Zustand des vorchrist-
lichen Roms zu betrachten.

In der früheren Zeit sind solche juristische Personen
außerordentlich selten, und es kommt davon nur Folgen-
des vor, welches sich lediglich auf religiöse Austalten be-
zieht. Einige bestimmte Götter hatten ausnahmsweise das
Vorrecht bekommen, daß sie zu Erben eingesetzt werden
durften (aa). Darauf ist es denn auch ohne Zweifel zu
beziehen, wenn gültige, einem Tempel angewiesene, Fidei-
commisse (bb), und wenn Sklaven und Freygelassene, die

(y) L. 9 § 1 quod metus. (4. 2.).
(z) Viele derselben finden sich
zusammen gestellt in L. 23 C. de
SS. eccl.
(1. 2.), L. 35. 46 C. de
ep. et cler.
(1. 3). -- Vgl. über-
haupt Mühlenbruch T. 1 § 201.
Schilling Institutionen B. 2
§ 49. -- Allerdings steht in L. 19
C. de SS. eccles. (1. 2.) "dona-
tiones super piis causis factae;"

allein dieser Ausdruck bezeichnet
den frommen Zweck der Schen-
kung, nicht die juristische Person
als Donatar.
(aa) Ulpian. XXII. § 6. "Deos
heredes instituere non possu-
mus, praeter eos quos Scto,
constitutionibus Principum, in-
stituere concessum est: sicuti
Jovem Tarpejum" etc.
(bb) L. 20 § 1 de annuis leg.
(33. 1.). Es war den Priestern

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
derſelben heißt die natürliche Perſon, oder der einzelne
Menſch, singularis persona (y).

III. Stiftungen, oder unſichtbare juriſtiſche Perſo-
nen (§ 86). Seitdem die chriſtliche Religion herrſchend
wurde, kamen jene in der größten Ausdehnung und Man-
nichfaltigkeit vor, und wurden mit vieler Begünſtigung
behandelt. Einen gemeinſamen Namen führen ſie in den
Rechtsquellen nicht, und erſt die Neueren haben dafür den
Ausdruck pia corpora erfunden (z). Um ihr eigentliches
Weſen durch den Gegenſatz klarer hervor treten zu laſſen,
wird es zuträglich ſeyn, zuvor den Zuſtand des vorchriſt-
lichen Roms zu betrachten.

In der früheren Zeit ſind ſolche juriſtiſche Perſonen
außerordentlich ſelten, und es kommt davon nur Folgen-
des vor, welches ſich lediglich auf religiöſe Auſtalten be-
zieht. Einige beſtimmte Götter hatten ausnahmsweiſe das
Vorrecht bekommen, daß ſie zu Erben eingeſetzt werden
durften (aa). Darauf iſt es denn auch ohne Zweifel zu
beziehen, wenn gültige, einem Tempel angewieſene, Fidei-
commiſſe (bb), und wenn Sklaven und Freygelaſſene, die

(y) L. 9 § 1 quod metus. (4. 2.).
(z) Viele derſelben finden ſich
zuſammen geſtellt in L. 23 C. de
SS. eccl.
(1. 2.), L. 35. 46 C. de
ep. et cler.
(1. 3). — Vgl. über-
haupt Mühlenbruch T. 1 § 201.
Schilling Inſtitutionen B. 2
§ 49. — Allerdings ſteht in L. 19
C. de SS. eccles. (1. 2.) „dona-
tiones super piis causis factae;”

allein dieſer Ausdruck bezeichnet
den frommen Zweck der Schen-
kung, nicht die juriſtiſche Perſon
als Donatar.
(aa) Ulpian. XXII. § 6. „Deos
heredes instituere non possu-
mus, praeter eos quos Scto,
constitutionibus Principum, in-
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[262/0276] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. derſelben heißt die natürliche Perſon, oder der einzelne Menſch, singularis persona (y). III. Stiftungen, oder unſichtbare juriſtiſche Perſo- nen (§ 86). Seitdem die chriſtliche Religion herrſchend wurde, kamen jene in der größten Ausdehnung und Man- nichfaltigkeit vor, und wurden mit vieler Begünſtigung behandelt. Einen gemeinſamen Namen führen ſie in den Rechtsquellen nicht, und erſt die Neueren haben dafür den Ausdruck pia corpora erfunden (z). Um ihr eigentliches Weſen durch den Gegenſatz klarer hervor treten zu laſſen, wird es zuträglich ſeyn, zuvor den Zuſtand des vorchriſt- lichen Roms zu betrachten. In der früheren Zeit ſind ſolche juriſtiſche Perſonen außerordentlich ſelten, und es kommt davon nur Folgen- des vor, welches ſich lediglich auf religiöſe Auſtalten be- zieht. Einige beſtimmte Götter hatten ausnahmsweiſe das Vorrecht bekommen, daß ſie zu Erben eingeſetzt werden durften (aa). Darauf iſt es denn auch ohne Zweifel zu beziehen, wenn gültige, einem Tempel angewieſene, Fidei- commiſſe (bb), und wenn Sklaven und Freygelaſſene, die (y) L. 9 § 1 quod metus. (4. 2.). (z) Viele derſelben finden ſich zuſammen geſtellt in L. 23 C. de SS. eccl. (1. 2.), L. 35. 46 C. de ep. et cler. (1. 3). — Vgl. über- haupt Mühlenbruch T. 1 § 201. Schilling Inſtitutionen B. 2 § 49. — Allerdings ſteht in L. 19 C. de SS. eccles. (1. 2.) „dona- tiones super piis causis factae;” allein dieſer Ausdruck bezeichnet den frommen Zweck der Schen- kung, nicht die juriſtiſche Perſon als Donatar. (aa) Ulpian. XXII. § 6. „Deos heredes instituere non possu- mus, praeter eos quos Scto, constitutionibus Principum, in- stituere concessum est: sicuti Jovem Tarpejum” etc. (bb) L. 20 § 1 de annuis leg. (33. 1.). Es war den Prieſtern

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/276>, abgerufen am 22.11.2024.