Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.§. 85. Juristische Personen. Begriff. Staatsrecht ist Nichts häufiger, als daß ein Zweig deröffentlichen Gewalt nur von Mehreren gemeinschaftlich, also von einer collectiven Einheit, ausgeübt werden kann; wollte man aber deswegen z. B. jedes Richtercollegium als juristische Person bezeichnen, so würde man nur den Begriff verdunkeln, indem gerade das Wesen der juristi- schen Person (die Vermögensfähigkeit) den meisten jener Collegien abgeht, obgleich einzelne unter ihnen, neben ih- rem Richteramt, auch den davon völlig verschiedenen Cha- racter einer juristischen Person erlangt haben können. Eben so ist es ganz uneigentlich, wenn Manche in einer erbli- chen Monarchie die ganze Reihe der Regenten als eine juristische Person bezeichnen (b). Daß den Römern, die so lange unter republicanischen Formen lebten, solche Ver- hältnisse des öffentlichen Rechts bekannt und geläufig wa- ren, versteht sich von selbst. In diesem Sinn sprechen sie von einem Collegium der Consuln, oder der Volkstribu- nen (c). Eben so sagen sie, die gleichzeitigen Duumvirn einer Stadt seyen als Einheit zu betrachten, ganz als ob nur ein einzelner Mensch dieses Amt bekleidete (d). Fer- ner wenn mehrere judices in einem Rechtsstreit ernannt würden, und einige derselben, oder gar alle, durch an- dere Personen ersetzt werden müßten, so bleibe es den- (b) Hasse, Archiv B. 5. S. 67. (c) Livius X. 22. 24. Cicero in Verrem II. 100, pro domo 47. (d) L. 25 ad munic. (50. 1.).
"Magistratus municipales, cum unum magistratum administrent, etiam unius hominis vicem su- stinent." §. 85. Juriſtiſche Perſonen. Begriff. Staatsrecht iſt Nichts häufiger, als daß ein Zweig deröffentlichen Gewalt nur von Mehreren gemeinſchaftlich, alſo von einer collectiven Einheit, ausgeübt werden kann; wollte man aber deswegen z. B. jedes Richtercollegium als juriſtiſche Perſon bezeichnen, ſo würde man nur den Begriff verdunkeln, indem gerade das Weſen der juriſti- ſchen Perſon (die Vermögensfähigkeit) den meiſten jener Collegien abgeht, obgleich einzelne unter ihnen, neben ih- rem Richteramt, auch den davon voͤllig verſchiedenen Cha- racter einer juriſtiſchen Perſon erlangt haben koͤnnen. Eben ſo iſt es ganz uneigentlich, wenn Manche in einer erbli- chen Monarchie die ganze Reihe der Regenten als eine juriſtiſche Perſon bezeichnen (b). Daß den Römern, die ſo lange unter republicaniſchen Formen lebten, ſolche Ver- hältniſſe des öffentlichen Rechts bekannt und geläufig wa- ren, verſteht ſich von ſelbſt. In dieſem Sinn ſprechen ſie von einem Collegium der Conſuln, oder der Volkstribu- nen (c). Eben ſo ſagen ſie, die gleichzeitigen Duumvirn einer Stadt ſeyen als Einheit zu betrachten, ganz als ob nur ein einzelner Menſch dieſes Amt bekleidete (d). Fer- ner wenn mehrere judices in einem Rechtsſtreit ernannt würden, und einige derſelben, oder gar alle, durch an- dere Perſonen erſetzt werden müßten, ſo bleibe es den- (b) Haſſe, Archiv B. 5. S. 67. (c) Livius X. 22. 24. Cicero in Verrem II. 100, pro domo 47. (d) L. 25 ad munic. (50. 1.).
„Magistratus municipales, cum unum magistratum administrent, etiam unius hominis vicem su- stinent.” <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0251" n="237"/><fw place="top" type="header">§. 85. Juriſtiſche Perſonen. Begriff.</fw><lb/> Staatsrecht iſt Nichts häufiger, als daß ein Zweig der<lb/> öffentlichen Gewalt nur von Mehreren gemeinſchaftlich,<lb/> alſo von einer collectiven Einheit, ausgeübt werden kann;<lb/> wollte man aber deswegen z. B. jedes Richtercollegium<lb/> als juriſtiſche Perſon bezeichnen, ſo würde man nur den<lb/> Begriff verdunkeln, indem gerade das Weſen der juriſti-<lb/> ſchen Perſon (die Vermögensfähigkeit) den meiſten jener<lb/> Collegien abgeht, obgleich einzelne unter ihnen, neben ih-<lb/> rem Richteramt, auch den davon voͤllig verſchiedenen Cha-<lb/> racter einer juriſtiſchen Perſon erlangt haben koͤnnen. Eben<lb/> ſo iſt es ganz uneigentlich, wenn Manche in einer erbli-<lb/> chen Monarchie die ganze Reihe der Regenten als eine<lb/> juriſtiſche Perſon bezeichnen <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#g">Haſſe</hi>, Archiv B. 5.<lb/> S. 67.</note>. Daß den Römern, die<lb/> ſo lange unter republicaniſchen Formen lebten, ſolche Ver-<lb/> hältniſſe des öffentlichen Rechts bekannt und geläufig wa-<lb/> ren, verſteht ſich von ſelbſt. In dieſem Sinn ſprechen ſie<lb/> von einem Collegium der Conſuln, oder der Volkstribu-<lb/> nen <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Livius</hi> X. 22. 24. <hi rendition="#k">Cicero</hi></hi><lb/> in <hi rendition="#aq">Verrem II. 100, pro domo</hi> 47.</note>. Eben ſo ſagen ſie, die gleichzeitigen Duumvirn<lb/> einer Stadt ſeyen als Einheit zu betrachten, ganz als ob<lb/> nur ein einzelner Menſch dieſes Amt bekleidete <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L</hi>. 25 <hi rendition="#i">ad munic.</hi> (50. 1.).<lb/> „Magistratus municipales, cum<lb/> unum magistratum administrent,<lb/> etiam unius hominis vicem su-<lb/> stinent.”</hi></note>. Fer-<lb/> ner wenn mehrere <hi rendition="#aq">judices</hi> in einem Rechtsſtreit ernannt<lb/> würden, und einige derſelben, oder gar alle, durch an-<lb/> dere Perſonen erſetzt werden müßten, ſo bleibe es den-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [237/0251]
§. 85. Juriſtiſche Perſonen. Begriff.
Staatsrecht iſt Nichts häufiger, als daß ein Zweig der
öffentlichen Gewalt nur von Mehreren gemeinſchaftlich,
alſo von einer collectiven Einheit, ausgeübt werden kann;
wollte man aber deswegen z. B. jedes Richtercollegium
als juriſtiſche Perſon bezeichnen, ſo würde man nur den
Begriff verdunkeln, indem gerade das Weſen der juriſti-
ſchen Perſon (die Vermögensfähigkeit) den meiſten jener
Collegien abgeht, obgleich einzelne unter ihnen, neben ih-
rem Richteramt, auch den davon voͤllig verſchiedenen Cha-
racter einer juriſtiſchen Perſon erlangt haben koͤnnen. Eben
ſo iſt es ganz uneigentlich, wenn Manche in einer erbli-
chen Monarchie die ganze Reihe der Regenten als eine
juriſtiſche Perſon bezeichnen (b). Daß den Römern, die
ſo lange unter republicaniſchen Formen lebten, ſolche Ver-
hältniſſe des öffentlichen Rechts bekannt und geläufig wa-
ren, verſteht ſich von ſelbſt. In dieſem Sinn ſprechen ſie
von einem Collegium der Conſuln, oder der Volkstribu-
nen (c). Eben ſo ſagen ſie, die gleichzeitigen Duumvirn
einer Stadt ſeyen als Einheit zu betrachten, ganz als ob
nur ein einzelner Menſch dieſes Amt bekleidete (d). Fer-
ner wenn mehrere judices in einem Rechtsſtreit ernannt
würden, und einige derſelben, oder gar alle, durch an-
dere Perſonen erſetzt werden müßten, ſo bleibe es den-
(b) Haſſe, Archiv B. 5.
S. 67.
(c) Livius X. 22. 24. Cicero
in Verrem II. 100, pro domo 47.
(d) L. 25 ad munic. (50. 1.).
„Magistratus municipales, cum
unum magistratum administrent,
etiam unius hominis vicem su-
stinent.”
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/251 |
Zitationshilfe: | Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/251>, abgerufen am 16.07.2024. |