Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 82. Infamie. Nebenwirkungen.

Zwar wurde die Wirkung des Verbots durch einen
Senatsschluß unter Marc Aurel bis zur Nichtigkeit der
Ehe ausgedehnt, jedoch nicht für die Freygebornen, son-
dern nur für die Senatoren, und auch für diese nur im
Verhältniß zu den Freygelassenen, und zu den durch gewisse
Gewerbe verächtlichen Personen (wie den Schauspielern),
niemals im Verhältniß zu den Infamen im Allgemeinen.

Das Eheverbot der Lex Julia hörte von selbst auf,
als durch Gesetze christlicher Kaiser die Cölibatsstrafen all-
gemein aufgehoben wurden. Die Ausdehnung jenes Ver-
bots für die Senatoren wurde von Justinian gänzlich auf-
gehoben.

Nunmehr hatte wieder die Infamie ihre Anwendbar-
keit auf das weibliche Geschlecht gänzlich verloren. Es
war eine consequente Folge davon, daß die Compilatoren,
als sie das prätorische Edict über die Infamen in die
Digesten aufnahmen, daraus wiederum die nachträglich
eingeschriebenen Stellen über ehrlose Frauen wegließen.



Die hier aufgezählten Nebenwirkungen sind die einzi-
gen, die sich mit Grund auf die Infamie, nach dem wah-
ren juristischen Begriff dieses Worts, zurückführen lassen.
Manche andere sind jedoch von unsren Juristen irriger-
weise dahin gezählt worden.

So sollen die Infamen unfähig seyn als Zeugen auf-
zutreten, sey es vor Gericht, oder bey feyerlichen Rechts-

§. 82. Infamie. Nebenwirkungen.

Zwar wurde die Wirkung des Verbots durch einen
Senatsſchluß unter Marc Aurel bis zur Nichtigkeit der
Ehe ausgedehnt, jedoch nicht für die Freygebornen, ſon-
dern nur für die Senatoren, und auch für dieſe nur im
Verhältniß zu den Freygelaſſenen, und zu den durch gewiſſe
Gewerbe verächtlichen Perſonen (wie den Schauſpielern),
niemals im Verhältniß zu den Infamen im Allgemeinen.

Das Eheverbot der Lex Julia hörte von ſelbſt auf,
als durch Geſetze chriſtlicher Kaiſer die Cölibatsſtrafen all-
gemein aufgehoben wurden. Die Ausdehnung jenes Ver-
bots für die Senatoren wurde von Juſtinian gänzlich auf-
gehoben.

Nunmehr hatte wieder die Infamie ihre Anwendbar-
keit auf das weibliche Geſchlecht gänzlich verloren. Es
war eine conſequente Folge davon, daß die Compilatoren,
als ſie das prätoriſche Edict über die Infamen in die
Digeſten aufnahmen, daraus wiederum die nachträglich
eingeſchriebenen Stellen über ehrloſe Frauen wegließen.



Die hier aufgezählten Nebenwirkungen ſind die einzi-
gen, die ſich mit Grund auf die Infamie, nach dem wah-
ren juriſtiſchen Begriff dieſes Worts, zurückführen laſſen.
Manche andere ſind jedoch von unſren Juriſten irriger-
weiſe dahin gezählt worden.

So ſollen die Infamen unfähig ſeyn als Zeugen auf-
zutreten, ſey es vor Gericht, oder bey feyerlichen Rechts-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0235" n="221"/>
            <fw place="top" type="header">§. 82. Infamie. Nebenwirkungen.</fw><lb/>
            <p>Zwar wurde die Wirkung des Verbots durch einen<lb/>
Senats&#x017F;chluß unter Marc Aurel bis zur Nichtigkeit der<lb/>
Ehe ausgedehnt, jedoch nicht für die Freygebornen, &#x017F;on-<lb/>
dern nur für die Senatoren, und auch für die&#x017F;e nur im<lb/>
Verhältniß zu den Freygela&#x017F;&#x017F;enen, und zu den durch gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Gewerbe verächtlichen Per&#x017F;onen (wie den Schau&#x017F;pielern),<lb/>
niemals im Verhältniß zu den Infamen im Allgemeinen.</p><lb/>
            <p>Das Eheverbot der <hi rendition="#aq">Lex Julia</hi> hörte von &#x017F;elb&#x017F;t auf,<lb/>
als durch Ge&#x017F;etze chri&#x017F;tlicher Kai&#x017F;er die Cölibats&#x017F;trafen all-<lb/>
gemein aufgehoben wurden. Die Ausdehnung jenes Ver-<lb/>
bots für die Senatoren wurde von Ju&#x017F;tinian gänzlich auf-<lb/>
gehoben.</p><lb/>
            <p>Nunmehr hatte wieder die Infamie ihre Anwendbar-<lb/>
keit auf das weibliche Ge&#x017F;chlecht gänzlich verloren. Es<lb/>
war eine con&#x017F;equente Folge davon, daß die Compilatoren,<lb/>
als &#x017F;ie das prätori&#x017F;che Edict über die Infamen in die<lb/>
Dige&#x017F;ten aufnahmen, daraus wiederum die nachträglich<lb/>
einge&#x017F;chriebenen Stellen über ehrlo&#x017F;e Frauen wegließen.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Die hier aufgezählten Nebenwirkungen &#x017F;ind die einzi-<lb/>
gen, die &#x017F;ich mit Grund auf die Infamie, nach dem wah-<lb/>
ren juri&#x017F;ti&#x017F;chen Begriff die&#x017F;es Worts, zurückführen la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Manche andere &#x017F;ind jedoch von un&#x017F;ren Juri&#x017F;ten irriger-<lb/>
wei&#x017F;e dahin gezählt worden.</p><lb/>
            <p>So &#x017F;ollen die Infamen unfähig &#x017F;eyn als Zeugen auf-<lb/>
zutreten, &#x017F;ey es vor Gericht, oder bey feyerlichen Rechts-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0235] §. 82. Infamie. Nebenwirkungen. Zwar wurde die Wirkung des Verbots durch einen Senatsſchluß unter Marc Aurel bis zur Nichtigkeit der Ehe ausgedehnt, jedoch nicht für die Freygebornen, ſon- dern nur für die Senatoren, und auch für dieſe nur im Verhältniß zu den Freygelaſſenen, und zu den durch gewiſſe Gewerbe verächtlichen Perſonen (wie den Schauſpielern), niemals im Verhältniß zu den Infamen im Allgemeinen. Das Eheverbot der Lex Julia hörte von ſelbſt auf, als durch Geſetze chriſtlicher Kaiſer die Cölibatsſtrafen all- gemein aufgehoben wurden. Die Ausdehnung jenes Ver- bots für die Senatoren wurde von Juſtinian gänzlich auf- gehoben. Nunmehr hatte wieder die Infamie ihre Anwendbar- keit auf das weibliche Geſchlecht gänzlich verloren. Es war eine conſequente Folge davon, daß die Compilatoren, als ſie das prätoriſche Edict über die Infamen in die Digeſten aufnahmen, daraus wiederum die nachträglich eingeſchriebenen Stellen über ehrloſe Frauen wegließen. Die hier aufgezählten Nebenwirkungen ſind die einzi- gen, die ſich mit Grund auf die Infamie, nach dem wah- ren juriſtiſchen Begriff dieſes Worts, zurückführen laſſen. Manche andere ſind jedoch von unſren Juriſten irriger- weiſe dahin gezählt worden. So ſollen die Infamen unfähig ſeyn als Zeugen auf- zutreten, ſey es vor Gericht, oder bey feyerlichen Rechts-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/235
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/235>, abgerufen am 24.11.2024.