Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 80. Infamie. Juristische Bedeutung. (Fortsetzung.)
wahre Verhältniß dieses. Die Theilnahme an der Römi-
schen Volksversammlung, welche über die höchsten Inte-
ressen des ganzen Reichs entschied, war ungleich wichti-
ger, als die an den Comitien einer einzelnen Landstadt.
Es war also gar nicht inconsequent, die Personen, welche
von alter Zeit her in Rom als Infames galten, in Rom
von den Comitien auszuschließen, in den Municipien aber
zuzulassen: während ihnen alle höhere Ehren auch in den
Municipien versagt seyn sollten. Dann lag darin ein er-
ster großer Schritt zu der unter den Kaisern immer voll-
ständiger durchgeführten Umbildung der Landstädte in ari-
stokratische Corporationen (h): eine Maaßregel, die ohne-
hin unvermeidlich war, wenn die monströse Verbreitung
der Civität über ganz Italien nicht völlig sinnlos bleiben
sollte. -- Sieht man die Sache von dieser Seite an, wo-
durch allein jener räthselhafte Volksschluß Licht erhalten
kann, so liegt auch darin wieder eine Bestätigung unsrer
allgemeinen Ansicht von der wesentlich publicistischen Na-
tur aller Infamie.

Vergleichen wir nun die einzelnen Fälle der Infamie,
so wie sie von einer Seite in dem Edict, von der ande-
ren in der Tafel von Heraklea aufgezählt werden, so fin-
den wir bey den meisten Fällen völlige Übereinstimmung,
und diese ist schon oben (§ 77) bey jedem derselben be-
merkt worden. Daß die Tafel zuweilen eine größere

(h) Vergl. Savigny Geschichte des R. R. im Mittelalter B. 1
§ 6. 7.

§. 80. Infamie. Juriſtiſche Bedeutung. (Fortſetzung.)
wahre Verhältniß dieſes. Die Theilnahme an der Römi-
ſchen Volksverſammlung, welche über die höchſten Inte-
reſſen des ganzen Reichs entſchied, war ungleich wichti-
ger, als die an den Comitien einer einzelnen Landſtadt.
Es war alſo gar nicht inconſequent, die Perſonen, welche
von alter Zeit her in Rom als Infames galten, in Rom
von den Comitien auszuſchließen, in den Municipien aber
zuzulaſſen: während ihnen alle höhere Ehren auch in den
Municipien verſagt ſeyn ſollten. Dann lag darin ein er-
ſter großer Schritt zu der unter den Kaiſern immer voll-
ſtändiger durchgeführten Umbildung der Landſtädte in ari-
ſtokratiſche Corporationen (h): eine Maaßregel, die ohne-
hin unvermeidlich war, wenn die monſtröſe Verbreitung
der Civität über ganz Italien nicht völlig ſinnlos bleiben
ſollte. — Sieht man die Sache von dieſer Seite an, wo-
durch allein jener räthſelhafte Volksſchluß Licht erhalten
kann, ſo liegt auch darin wieder eine Beſtätigung unſrer
allgemeinen Anſicht von der weſentlich publiciſtiſchen Na-
tur aller Infamie.

Vergleichen wir nun die einzelnen Fälle der Infamie,
ſo wie ſie von einer Seite in dem Edict, von der ande-
ren in der Tafel von Heraklea aufgezählt werden, ſo fin-
den wir bey den meiſten Fällen völlige Übereinſtimmung,
und dieſe iſt ſchon oben (§ 77) bey jedem derſelben be-
merkt worden. Daß die Tafel zuweilen eine größere

(h) Vergl. Savigny Geſchichte des R. R. im Mittelalter B. 1
§ 6. 7.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0221" n="207"/><fw place="top" type="header">§. 80. Infamie. Juri&#x017F;ti&#x017F;che Bedeutung. (Fort&#x017F;etzung.)</fw><lb/>
wahre Verhältniß die&#x017F;es. Die Theilnahme an der Römi-<lb/>
&#x017F;chen Volksver&#x017F;ammlung, welche über die höch&#x017F;ten Inte-<lb/>
re&#x017F;&#x017F;en des ganzen Reichs ent&#x017F;chied, war ungleich wichti-<lb/>
ger, als die an den Comitien einer einzelnen Land&#x017F;tadt.<lb/>
Es war al&#x017F;o gar nicht incon&#x017F;equent, die Per&#x017F;onen, welche<lb/>
von alter Zeit her in Rom als <hi rendition="#aq">Infames</hi> galten, in Rom<lb/>
von den Comitien auszu&#x017F;chließen, in den Municipien aber<lb/>
zuzula&#x017F;&#x017F;en: während ihnen alle höhere Ehren auch in den<lb/>
Municipien ver&#x017F;agt &#x017F;eyn &#x017F;ollten. Dann lag darin ein er-<lb/>
&#x017F;ter großer Schritt zu der unter den Kai&#x017F;ern immer voll-<lb/>
&#x017F;tändiger durchgeführten Umbildung der Land&#x017F;tädte in ari-<lb/>
&#x017F;tokrati&#x017F;che Corporationen <note place="foot" n="(h)">Vergl. <hi rendition="#g">Savigny</hi> Ge&#x017F;chichte des R. R. im Mittelalter B. 1<lb/>
§ 6. 7.</note>: eine Maaßregel, die ohne-<lb/>
hin unvermeidlich war, wenn die mon&#x017F;trö&#x017F;e Verbreitung<lb/>
der Civität über ganz Italien nicht völlig &#x017F;innlos bleiben<lb/>
&#x017F;ollte. &#x2014; Sieht man die Sache von die&#x017F;er Seite an, wo-<lb/>
durch allein jener räth&#x017F;elhafte Volks&#x017F;chluß Licht erhalten<lb/>
kann, &#x017F;o liegt auch darin wieder eine Be&#x017F;tätigung un&#x017F;rer<lb/>
allgemeinen An&#x017F;icht von der we&#x017F;entlich publici&#x017F;ti&#x017F;chen Na-<lb/>
tur aller Infamie.</p><lb/>
            <p>Vergleichen wir nun die einzelnen Fälle der Infamie,<lb/>
&#x017F;o wie &#x017F;ie von einer Seite in dem Edict, von der ande-<lb/>
ren in der Tafel von Heraklea aufgezählt werden, &#x017F;o fin-<lb/>
den wir bey den mei&#x017F;ten Fällen völlige Überein&#x017F;timmung,<lb/>
und die&#x017F;e i&#x017F;t &#x017F;chon oben (§ 77) bey jedem der&#x017F;elben be-<lb/>
merkt worden. Daß die Tafel zuweilen eine größere<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0221] §. 80. Infamie. Juriſtiſche Bedeutung. (Fortſetzung.) wahre Verhältniß dieſes. Die Theilnahme an der Römi- ſchen Volksverſammlung, welche über die höchſten Inte- reſſen des ganzen Reichs entſchied, war ungleich wichti- ger, als die an den Comitien einer einzelnen Landſtadt. Es war alſo gar nicht inconſequent, die Perſonen, welche von alter Zeit her in Rom als Infames galten, in Rom von den Comitien auszuſchließen, in den Municipien aber zuzulaſſen: während ihnen alle höhere Ehren auch in den Municipien verſagt ſeyn ſollten. Dann lag darin ein er- ſter großer Schritt zu der unter den Kaiſern immer voll- ſtändiger durchgeführten Umbildung der Landſtädte in ari- ſtokratiſche Corporationen (h): eine Maaßregel, die ohne- hin unvermeidlich war, wenn die monſtröſe Verbreitung der Civität über ganz Italien nicht völlig ſinnlos bleiben ſollte. — Sieht man die Sache von dieſer Seite an, wo- durch allein jener räthſelhafte Volksſchluß Licht erhalten kann, ſo liegt auch darin wieder eine Beſtätigung unſrer allgemeinen Anſicht von der weſentlich publiciſtiſchen Na- tur aller Infamie. Vergleichen wir nun die einzelnen Fälle der Infamie, ſo wie ſie von einer Seite in dem Edict, von der ande- ren in der Tafel von Heraklea aufgezählt werden, ſo fin- den wir bey den meiſten Fällen völlige Übereinſtimmung, und dieſe iſt ſchon oben (§ 77) bey jedem derſelben be- merkt worden. Daß die Tafel zuweilen eine größere (h) Vergl. Savigny Geſchichte des R. R. im Mittelalter B. 1 § 6. 7.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/221
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/221>, abgerufen am 22.11.2024.