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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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§. 75. Rechtsfähigkeit u. cap. deminutio. Heutige Anwendung.
gründet zu haben. -- Noch auffallender ist die Behandlung
der Schenkung, die doch gewiß um gar Nichts positiver
ist, als der Kauf und die Miethe. Auch geht hierin der
Code ganz von dem Projet ab, und die Juristen gehen
wieder ihren eigenen Weg (Note g). Der Grund, den
Toullier für die civile Natur der Schenkung angiebt,
daß die Schenkung an positive Formen gebunden sey,
kann gar Nichts entscheiden; denn auch der Kauf und die
Miethe, so bald sie einen Werth von 150 Franken über-
steigen, sind einer positiven Form unterworfen (art. 1341),
und doch sollen diese Verträge unbedingt dem Deportirten
zugänglich seyn.

Doch wichtiger als alles Andere ist die Behandlung
der Ehe. In dieser unterschied man zwar ein natürliches,
civiles und religiöses Element (k); indem man ihr aber
die effets civils versagte, meynte man damit unzweifelhaft
alle und jede juristische Wirkungen, wie es auch im Lauf
der Discussionen ausdrücklich anerkannt worden ist. In
Beziehung auf die Ehe eines Deportirten ist also, da sie
juristisch gar nicht existirt, weder Ehebruch noch Bigamie
möglich. Die Kinder eines Deportirten sind uneheliche,
sind batards, sie haben keinen Vater, und es gilt für sie
kein Erbrecht, selbst nicht in das Vermögen der Seiten-
verwandten (l). In beiden Beziehungen macht es auch

(k) Conference T. 1 p. 86.
92. 98.
(l) Conference p. 86. 110. --
Toullier
§ 285. 293 behauptet die
Legitimität der Kinder, weil ja
doch das vinculum matrimonii
(le lien)
fortdauere. Offenbar
im Widerspruch gegen das Ge-

§. 75. Rechtsfähigkeit u. cap. deminutio. Heutige Anwendung.
gründet zu haben. — Noch auffallender iſt die Behandlung
der Schenkung, die doch gewiß um gar Nichts poſitiver
iſt, als der Kauf und die Miethe. Auch geht hierin der
Code ganz von dem Projet ab, und die Juriſten gehen
wieder ihren eigenen Weg (Note g). Der Grund, den
Toullier für die civile Natur der Schenkung angiebt,
daß die Schenkung an poſitive Formen gebunden ſey,
kann gar Nichts entſcheiden; denn auch der Kauf und die
Miethe, ſo bald ſie einen Werth von 150 Franken über-
ſteigen, ſind einer poſitiven Form unterworfen (art. 1341),
und doch ſollen dieſe Verträge unbedingt dem Deportirten
zugänglich ſeyn.

Doch wichtiger als alles Andere iſt die Behandlung
der Ehe. In dieſer unterſchied man zwar ein natürliches,
civiles und religiöſes Element (k); indem man ihr aber
die effets civils verſagte, meynte man damit unzweifelhaft
alle und jede juriſtiſche Wirkungen, wie es auch im Lauf
der Discuſſionen ausdrücklich anerkannt worden iſt. In
Beziehung auf die Ehe eines Deportirten iſt alſo, da ſie
juriſtiſch gar nicht exiſtirt, weder Ehebruch noch Bigamie
möglich. Die Kinder eines Deportirten ſind uneheliche,
ſind bâtards, ſie haben keinen Vater, und es gilt für ſie
kein Erbrecht, ſelbſt nicht in das Vermögen der Seiten-
verwandten (l). In beiden Beziehungen macht es auch

(k) Conférence T. 1 p. 86.
92. 98.
(l) Conférence p. 86. 110. —
Toullier
§ 285. 293 behauptet die
Legitimität der Kinder, weil ja
doch das vinculum matrimonii
(le lien)
fortdauere. Offenbar
im Widerſpruch gegen das Ge-
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[157/0171] §. 75. Rechtsfähigkeit u. cap. deminutio. Heutige Anwendung. gründet zu haben. — Noch auffallender iſt die Behandlung der Schenkung, die doch gewiß um gar Nichts poſitiver iſt, als der Kauf und die Miethe. Auch geht hierin der Code ganz von dem Projet ab, und die Juriſten gehen wieder ihren eigenen Weg (Note g). Der Grund, den Toullier für die civile Natur der Schenkung angiebt, daß die Schenkung an poſitive Formen gebunden ſey, kann gar Nichts entſcheiden; denn auch der Kauf und die Miethe, ſo bald ſie einen Werth von 150 Franken über- ſteigen, ſind einer poſitiven Form unterworfen (art. 1341), und doch ſollen dieſe Verträge unbedingt dem Deportirten zugänglich ſeyn. Doch wichtiger als alles Andere iſt die Behandlung der Ehe. In dieſer unterſchied man zwar ein natürliches, civiles und religiöſes Element (k); indem man ihr aber die effets civils verſagte, meynte man damit unzweifelhaft alle und jede juriſtiſche Wirkungen, wie es auch im Lauf der Discuſſionen ausdrücklich anerkannt worden iſt. In Beziehung auf die Ehe eines Deportirten iſt alſo, da ſie juriſtiſch gar nicht exiſtirt, weder Ehebruch noch Bigamie möglich. Die Kinder eines Deportirten ſind uneheliche, ſind bâtards, ſie haben keinen Vater, und es gilt für ſie kein Erbrecht, ſelbſt nicht in das Vermögen der Seiten- verwandten (l). In beiden Beziehungen macht es auch (k) Conférence T. 1 p. 86. 92. 98. (l) Conférence p. 86. 110. — Toullier § 285. 293 behauptet die Legitimität der Kinder, weil ja doch das vinculum matrimonii (le lien) fortdauere. Offenbar im Widerſpruch gegen das Ge-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/171>, abgerufen am 29.11.2024.