Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
gensrecht abzweckt, unter unsre anomalischen Rechte ge-
hört, muß besonders bewiesen und erklärt werden.

Wenn ein Testator die nächsten Verwandten, die seine
Intestaterben hätten werden können, gar nicht oder zu
wenig bedenkt, so entsteht dadurch im Volke die Mey-
nung, der Ausgeschlossene müsse eine solche Strafe durch
schlechte oder lieblose Handlungen verdient haben. Ist
nun diese Meynung ungegründet, so liegt darin eine un-
verdiente Ehrenkränkung (t), zu deren Austilgung dem Ge-
kränkten folgendes Rechtsmittel dargeboten ist. Er darf
das Testament als inofficiosum anklagen, und findet sich
seine Behauptung gegründet, so wird angenommen, das
Testament sey in blinder Leidenschaft, dem Wahnsinn ähn-
lich, gemacht worden (u), es wird aufgehoben, die Inte-
staterbfolge wird eröffnet, und dadurch wird auf recht
öffentliche und feyerliche Weise die Unschuld des Ausge-
schlossenen anerkannt. -- Diese Behandlung der Sache
zieht aber die erwähnte Klage, ähnlich der Injurienklage,
unter unsre anomalischen Rechtsmittel. Wenn nämlich
einem filiusfamilias eine solche Kränkung wiederfuhr, z. B.
im Testament seiner Mutter oder seines mütterlichen Groß-
vaters, so wird dieses als eine höchst persönliche Angele-
genheit des Sohnes betrachtet (weit mehr als die Inju-

filiusfamilias als Kläger nicht im
Wege stand) sagt ausdrücklich Ga-
jus
IV.
§ 46.
(t) Es heißt injuria L. 4 L. 8
pr. de inoff. test.
(5. 2.). -- Auch
indignatio L. 22 pr. eod. -- "To-
tum de meritis filii agitur."
L. 22 § 1 eod.
(u) L. 2. 4. 5 de inoff. test.
(5. 2.).

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
gensrecht abzweckt, unter unſre anomaliſchen Rechte ge-
hört, muß beſonders bewieſen und erklärt werden.

Wenn ein Teſtator die nächſten Verwandten, die ſeine
Inteſtaterben hätten werden können, gar nicht oder zu
wenig bedenkt, ſo entſteht dadurch im Volke die Mey-
nung, der Ausgeſchloſſene müſſe eine ſolche Strafe durch
ſchlechte oder liebloſe Handlungen verdient haben. Iſt
nun dieſe Meynung ungegründet, ſo liegt darin eine un-
verdiente Ehrenkränkung (t), zu deren Austilgung dem Ge-
kränkten folgendes Rechtsmittel dargeboten iſt. Er darf
das Teſtament als inofficiosum anklagen, und findet ſich
ſeine Behauptung gegründet, ſo wird angenommen, das
Teſtament ſey in blinder Leidenſchaft, dem Wahnſinn ähn-
lich, gemacht worden (u), es wird aufgehoben, die Inte-
ſtaterbfolge wird eroͤffnet, und dadurch wird auf recht
öffentliche und feyerliche Weiſe die Unſchuld des Ausge-
ſchloſſenen anerkannt. — Dieſe Behandlung der Sache
zieht aber die erwähnte Klage, ähnlich der Injurienklage,
unter unſre anomaliſchen Rechtsmittel. Wenn nämlich
einem filiusfamilias eine ſolche Kränkung wiederfuhr, z. B.
im Teſtament ſeiner Mutter oder ſeines mütterlichen Groß-
vaters, ſo wird dieſes als eine höchſt perſönliche Angele-
genheit des Sohnes betrachtet (weit mehr als die Inju-

filiusfamilias als Kläger nicht im
Wege ſtand) ſagt ausdrücklich Ga-
jus
IV.
§ 46.
(t) Es heißt injuria L. 4 L. 8
pr. de inoff. test.
(5. 2.). — Auch
indignatio L. 22 pr. eod. — „To-
tum de meritis filii agitur.”
L. 22 § 1 eod.
(u) L. 2. 4. 5 de inoff. test.
(5. 2.).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0142" n="128"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Per&#x017F;onen.</fw><lb/>
gensrecht abzweckt, unter un&#x017F;re anomali&#x017F;chen Rechte ge-<lb/>
hört, muß be&#x017F;onders bewie&#x017F;en und erklärt werden.</p><lb/>
                <p>Wenn ein Te&#x017F;tator die näch&#x017F;ten Verwandten, die &#x017F;eine<lb/>
Inte&#x017F;taterben hätten werden können, gar nicht oder zu<lb/>
wenig bedenkt, &#x017F;o ent&#x017F;teht dadurch im Volke die Mey-<lb/>
nung, der Ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene mü&#x017F;&#x017F;e eine &#x017F;olche Strafe durch<lb/>
&#x017F;chlechte oder lieblo&#x017F;e Handlungen verdient haben. I&#x017F;t<lb/>
nun die&#x017F;e Meynung ungegründet, &#x017F;o liegt darin eine un-<lb/>
verdiente Ehrenkränkung <note place="foot" n="(t)">Es heißt <hi rendition="#aq">injuria <hi rendition="#i">L.</hi> 4 <hi rendition="#i">L.</hi> 8<lb/><hi rendition="#i">pr. de inoff. test.</hi></hi> (5. 2.). &#x2014; Auch<lb/><hi rendition="#aq">indignatio <hi rendition="#i">L.</hi> 22 <hi rendition="#i">pr. eod.</hi> &#x2014; &#x201E;To-<lb/>
tum <hi rendition="#i">de meritis filii</hi> agitur.&#x201D;<lb/><hi rendition="#i">L.</hi> 22 § 1 <hi rendition="#i">eod.</hi></hi></note>, zu deren Austilgung dem Ge-<lb/>
kränkten folgendes Rechtsmittel dargeboten i&#x017F;t. Er darf<lb/>
das Te&#x017F;tament als <hi rendition="#aq">inofficiosum</hi> anklagen, und findet &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;eine Behauptung gegründet, &#x017F;o wird angenommen, das<lb/>
Te&#x017F;tament &#x017F;ey in blinder Leiden&#x017F;chaft, dem Wahn&#x017F;inn ähn-<lb/>
lich, gemacht worden <note place="foot" n="(u)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 2. 4. 5 <hi rendition="#i">de inoff. test.</hi></hi><lb/>
(5. 2.).</note>, es wird aufgehoben, die Inte-<lb/>
&#x017F;taterbfolge wird ero&#x0364;ffnet, und dadurch wird auf recht<lb/>
öffentliche und feyerliche Wei&#x017F;e die Un&#x017F;chuld des Ausge-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen anerkannt. &#x2014; Die&#x017F;e Behandlung der Sache<lb/>
zieht aber die erwähnte Klage, ähnlich der Injurienklage,<lb/>
unter un&#x017F;re anomali&#x017F;chen Rechtsmittel. Wenn nämlich<lb/>
einem <hi rendition="#aq">filiusfamilias</hi> eine &#x017F;olche Kränkung wiederfuhr, z. B.<lb/>
im Te&#x017F;tament &#x017F;einer Mutter oder &#x017F;eines mütterlichen Groß-<lb/>
vaters, &#x017F;o wird die&#x017F;es als eine höch&#x017F;t per&#x017F;önliche Angele-<lb/>
genheit des Sohnes betrachtet (weit mehr als die Inju-<lb/><note xml:id="seg2pn_27_2" prev="#seg2pn_27_1" place="foot" n="(s)"><hi rendition="#aq">filiusfamilias</hi> als Kläger nicht im<lb/>
Wege &#x017F;tand) &#x017F;agt ausdrücklich <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Ga-<lb/>
jus</hi> IV.</hi> § 46.</note><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0142] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. gensrecht abzweckt, unter unſre anomaliſchen Rechte ge- hört, muß beſonders bewieſen und erklärt werden. Wenn ein Teſtator die nächſten Verwandten, die ſeine Inteſtaterben hätten werden können, gar nicht oder zu wenig bedenkt, ſo entſteht dadurch im Volke die Mey- nung, der Ausgeſchloſſene müſſe eine ſolche Strafe durch ſchlechte oder liebloſe Handlungen verdient haben. Iſt nun dieſe Meynung ungegründet, ſo liegt darin eine un- verdiente Ehrenkränkung (t), zu deren Austilgung dem Ge- kränkten folgendes Rechtsmittel dargeboten iſt. Er darf das Teſtament als inofficiosum anklagen, und findet ſich ſeine Behauptung gegründet, ſo wird angenommen, das Teſtament ſey in blinder Leidenſchaft, dem Wahnſinn ähn- lich, gemacht worden (u), es wird aufgehoben, die Inte- ſtaterbfolge wird eroͤffnet, und dadurch wird auf recht öffentliche und feyerliche Weiſe die Unſchuld des Ausge- ſchloſſenen anerkannt. — Dieſe Behandlung der Sache zieht aber die erwähnte Klage, ähnlich der Injurienklage, unter unſre anomaliſchen Rechtsmittel. Wenn nämlich einem filiusfamilias eine ſolche Kränkung wiederfuhr, z. B. im Teſtament ſeiner Mutter oder ſeines mütterlichen Groß- vaters, ſo wird dieſes als eine höchſt perſönliche Angele- genheit des Sohnes betrachtet (weit mehr als die Inju- (s) (t) Es heißt injuria L. 4 L. 8 pr. de inoff. test. (5. 2.). — Auch indignatio L. 22 pr. eod. — „To- tum de meritis filii agitur.” L. 22 § 1 eod. (u) L. 2. 4. 5 de inoff. test. (5. 2.). (s) filiusfamilias als Kläger nicht im Wege ſtand) ſagt ausdrücklich Ga- jus IV. § 46.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/142
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/142>, abgerufen am 21.11.2024.