gensrecht abzweckt, unter unsre anomalischen Rechte ge- hört, muß besonders bewiesen und erklärt werden.
Wenn ein Testator die nächsten Verwandten, die seine Intestaterben hätten werden können, gar nicht oder zu wenig bedenkt, so entsteht dadurch im Volke die Mey- nung, der Ausgeschlossene müsse eine solche Strafe durch schlechte oder lieblose Handlungen verdient haben. Ist nun diese Meynung ungegründet, so liegt darin eine un- verdiente Ehrenkränkung (t), zu deren Austilgung dem Ge- kränkten folgendes Rechtsmittel dargeboten ist. Er darf das Testament als inofficiosum anklagen, und findet sich seine Behauptung gegründet, so wird angenommen, das Testament sey in blinder Leidenschaft, dem Wahnsinn ähn- lich, gemacht worden (u), es wird aufgehoben, die Inte- staterbfolge wird eröffnet, und dadurch wird auf recht öffentliche und feyerliche Weise die Unschuld des Ausge- schlossenen anerkannt. -- Diese Behandlung der Sache zieht aber die erwähnte Klage, ähnlich der Injurienklage, unter unsre anomalischen Rechtsmittel. Wenn nämlich einem filiusfamilias eine solche Kränkung wiederfuhr, z. B. im Testament seiner Mutter oder seines mütterlichen Groß- vaters, so wird dieses als eine höchst persönliche Angele- genheit des Sohnes betrachtet (weit mehr als die Inju-
filiusfamilias als Kläger nicht im Wege stand) sagt ausdrücklich Ga- jus IV. § 46.
(t) Es heißt injuria L. 4 L. 8 pr. de inoff. test. (5. 2.). -- Auch indignatio L. 22 pr. eod. -- "To- tum de meritis filii agitur." L. 22 § 1 eod.
(u)L. 2. 4. 5 de inoff. test. (5. 2.).
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
gensrecht abzweckt, unter unſre anomaliſchen Rechte ge- hört, muß beſonders bewieſen und erklärt werden.
Wenn ein Teſtator die nächſten Verwandten, die ſeine Inteſtaterben hätten werden können, gar nicht oder zu wenig bedenkt, ſo entſteht dadurch im Volke die Mey- nung, der Ausgeſchloſſene müſſe eine ſolche Strafe durch ſchlechte oder liebloſe Handlungen verdient haben. Iſt nun dieſe Meynung ungegründet, ſo liegt darin eine un- verdiente Ehrenkränkung (t), zu deren Austilgung dem Ge- kränkten folgendes Rechtsmittel dargeboten iſt. Er darf das Teſtament als inofficiosum anklagen, und findet ſich ſeine Behauptung gegründet, ſo wird angenommen, das Teſtament ſey in blinder Leidenſchaft, dem Wahnſinn ähn- lich, gemacht worden (u), es wird aufgehoben, die Inte- ſtaterbfolge wird eroͤffnet, und dadurch wird auf recht öffentliche und feyerliche Weiſe die Unſchuld des Ausge- ſchloſſenen anerkannt. — Dieſe Behandlung der Sache zieht aber die erwähnte Klage, ähnlich der Injurienklage, unter unſre anomaliſchen Rechtsmittel. Wenn nämlich einem filiusfamilias eine ſolche Kränkung wiederfuhr, z. B. im Teſtament ſeiner Mutter oder ſeines mütterlichen Groß- vaters, ſo wird dieſes als eine höchſt perſönliche Angele- genheit des Sohnes betrachtet (weit mehr als die Inju-
filiusfamilias als Kläger nicht im Wege ſtand) ſagt ausdrücklich Ga- jus IV. § 46.
(t) Es heißt injuria L. 4 L. 8 pr. de inoff. test. (5. 2.). — Auch indignatio L. 22 pr. eod. — „To- tum de meritis filii agitur.” L. 22 § 1 eod.
(u)L. 2. 4. 5 de inoff. test. (5. 2.).
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
gensrecht abzweckt, unter unſre anomaliſchen Rechte ge-
hört, muß beſonders bewieſen und erklärt werden.
Wenn ein Teſtator die nächſten Verwandten, die ſeine
Inteſtaterben hätten werden können, gar nicht oder zu
wenig bedenkt, ſo entſteht dadurch im Volke die Mey-
nung, der Ausgeſchloſſene müſſe eine ſolche Strafe durch
ſchlechte oder liebloſe Handlungen verdient haben. Iſt
nun dieſe Meynung ungegründet, ſo liegt darin eine un-
verdiente Ehrenkränkung (t), zu deren Austilgung dem Ge-
kränkten folgendes Rechtsmittel dargeboten iſt. Er darf
das Teſtament als inofficiosum anklagen, und findet ſich
ſeine Behauptung gegründet, ſo wird angenommen, das
Teſtament ſey in blinder Leidenſchaft, dem Wahnſinn ähn-
lich, gemacht worden (u), es wird aufgehoben, die Inte-
ſtaterbfolge wird eroͤffnet, und dadurch wird auf recht
öffentliche und feyerliche Weiſe die Unſchuld des Ausge-
ſchloſſenen anerkannt. — Dieſe Behandlung der Sache
zieht aber die erwähnte Klage, ähnlich der Injurienklage,
unter unſre anomaliſchen Rechtsmittel. Wenn nämlich
einem filiusfamilias eine ſolche Kränkung wiederfuhr, z. B.
im Teſtament ſeiner Mutter oder ſeines mütterlichen Groß-
vaters, ſo wird dieſes als eine höchſt perſönliche Angele-
genheit des Sohnes betrachtet (weit mehr als die Inju-
(s)
(t) Es heißt injuria L. 4 L. 8
pr. de inoff. test. (5. 2.). — Auch
indignatio L. 22 pr. eod. — „To-
tum de meritis filii agitur.”
L. 22 § 1 eod.
(u) L. 2. 4. 5 de inoff. test.
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(s) filiusfamilias als Kläger nicht im
Wege ſtand) ſagt ausdrücklich Ga-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/142>, abgerufen am 21.11.2024.
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