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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 12. Gewohnheitsrecht.
auf das Recht selbst zurückwirkenden Gewohnheit ist auch
nur insofern herabwürdigend für dasselbe, als man das
wiederholte Handeln als ein gedankenloses, durch zufälli-
gen äußeren Anstoß bestimmtes, denkt: wird es dagegen
als ein besonnenes, aus der Energie des Geistes hervor-
gehendes gedacht, so ist durch diese Entstehung die Würde
des Rechts nicht gefährdet. Obgleich also der Name des
Gewohnheitsrechts von zwey Seiten her erklärt, und ge-
wissermaßen gerechtfertigt werden kann, so ist doch ein
weniger ausschließender Gebrauch desselben wünschenswerth,
da er das Erbtheil so mancher Misverständnisse mit sich
führt, die sich von jeher an denselben angeknüpft haben.

In beiden Beziehungen nun, in welchen die Übung des
Rechts wichtig ist, als Kennzeichen des positiven Rechts,
und als mitwirkender Entstehungsgrund, sind es zwey Klas-
sen von Handlungen, die sich vorzugsweise fruchtbar und
wirksam zeigen: die symbolischen Formen der Rechtsge-
schäfte, und die Urtheilssprüche der aus dem Volk gebil-
deten Gerichte (c). Jene bringen uns den Sinn der

muß der Darstellung der hier
genannten Institute vorbehalten
bleiben.
(c) Wenn ich hier auf die Na-
tur der Volksgerichte ein be-
sonderes Gewicht lege, so geschieht
dies im Gegensatz der gelehrten
Gerichte unserer neueren Zeiten,
die zugleich aus fortdauernden
Collegien bestehen (§ 14). Jener
Character findet sich recht unver-
kennbar bey den Deutschen Schöf-
fengerichten: nicht minder aber
in den Römischen res judicatae,
und zwar in diesen nicht sowohl,
wie man leicht glauben möchte,
weil die judices Privatpersonen,
also in diesem Sinne aus dem
Volk genommen waren: (denn
der Rechtssatz, worauf hier Alles
ankommt, ging ja von dem Prä-
tor aus, nicht von dem judex);
sondern deswegen, weil der Prä-
tor selbst jährlich wechselte, und

§. 12. Gewohnheitsrecht.
auf das Recht ſelbſt zurückwirkenden Gewohnheit iſt auch
nur inſofern herabwürdigend für daſſelbe, als man das
wiederholte Handeln als ein gedankenloſes, durch zufälli-
gen äußeren Anſtoß beſtimmtes, denkt: wird es dagegen
als ein beſonnenes, aus der Energie des Geiſtes hervor-
gehendes gedacht, ſo iſt durch dieſe Entſtehung die Würde
des Rechts nicht gefährdet. Obgleich alſo der Name des
Gewohnheitsrechts von zwey Seiten her erklärt, und ge-
wiſſermaßen gerechtfertigt werden kann, ſo iſt doch ein
weniger ausſchließender Gebrauch deſſelben wünſchenswerth,
da er das Erbtheil ſo mancher Misverſtändniſſe mit ſich
führt, die ſich von jeher an denſelben angeknüpft haben.

In beiden Beziehungen nun, in welchen die Übung des
Rechts wichtig iſt, als Kennzeichen des poſitiven Rechts,
und als mitwirkender Entſtehungsgrund, ſind es zwey Klaſ-
ſen von Handlungen, die ſich vorzugsweiſe fruchtbar und
wirkſam zeigen: die ſymboliſchen Formen der Rechtsge-
ſchäfte, und die Urtheilsſprüche der aus dem Volk gebil-
deten Gerichte (c). Jene bringen uns den Sinn der

muß der Darſtellung der hier
genannten Inſtitute vorbehalten
bleiben.
(c) Wenn ich hier auf die Na-
tur der Volksgerichte ein be-
ſonderes Gewicht lege, ſo geſchieht
dies im Gegenſatz der gelehrten
Gerichte unſerer neueren Zeiten,
die zugleich aus fortdauernden
Collegien beſtehen (§ 14). Jener
Character findet ſich recht unver-
kennbar bey den Deutſchen Schöf-
fengerichten: nicht minder aber
in den Römiſchen res judicatae,
und zwar in dieſen nicht ſowohl,
wie man leicht glauben möchte,
weil die judices Privatperſonen,
alſo in dieſem Sinne aus dem
Volk genommen waren: (denn
der Rechtsſatz, worauf hier Alles
ankommt, ging ja von dem Prä-
tor aus, nicht von dem judex);
ſondern deswegen, weil der Prä-
tor ſelbſt jährlich wechſelte, und
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[37/0093] §. 12. Gewohnheitsrecht. auf das Recht ſelbſt zurückwirkenden Gewohnheit iſt auch nur inſofern herabwürdigend für daſſelbe, als man das wiederholte Handeln als ein gedankenloſes, durch zufälli- gen äußeren Anſtoß beſtimmtes, denkt: wird es dagegen als ein beſonnenes, aus der Energie des Geiſtes hervor- gehendes gedacht, ſo iſt durch dieſe Entſtehung die Würde des Rechts nicht gefährdet. Obgleich alſo der Name des Gewohnheitsrechts von zwey Seiten her erklärt, und ge- wiſſermaßen gerechtfertigt werden kann, ſo iſt doch ein weniger ausſchließender Gebrauch deſſelben wünſchenswerth, da er das Erbtheil ſo mancher Misverſtändniſſe mit ſich führt, die ſich von jeher an denſelben angeknüpft haben. In beiden Beziehungen nun, in welchen die Übung des Rechts wichtig iſt, als Kennzeichen des poſitiven Rechts, und als mitwirkender Entſtehungsgrund, ſind es zwey Klaſ- ſen von Handlungen, die ſich vorzugsweiſe fruchtbar und wirkſam zeigen: die ſymboliſchen Formen der Rechtsge- ſchäfte, und die Urtheilsſprüche der aus dem Volk gebil- deten Gerichte (c). Jene bringen uns den Sinn der (b) (c) Wenn ich hier auf die Na- tur der Volksgerichte ein be- ſonderes Gewicht lege, ſo geſchieht dies im Gegenſatz der gelehrten Gerichte unſerer neueren Zeiten, die zugleich aus fortdauernden Collegien beſtehen (§ 14). Jener Character findet ſich recht unver- kennbar bey den Deutſchen Schöf- fengerichten: nicht minder aber in den Römiſchen res judicatae, und zwar in dieſen nicht ſowohl, wie man leicht glauben möchte, weil die judices Privatperſonen, alſo in dieſem Sinne aus dem Volk genommen waren: (denn der Rechtsſatz, worauf hier Alles ankommt, ging ja von dem Prä- tor aus, nicht von dem judex); ſondern deswegen, weil der Prä- tor ſelbſt jährlich wechſelte, und (b) muß der Darſtellung der hier genannten Inſtitute vorbehalten bleiben.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/93>, abgerufen am 21.11.2024.