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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Buch I. Quellen. Kap. II. Allg. Natur der Quellen.
die stete, oft unbewußte Verwechslung der ganz verschie-
denen Begriffe, die mit dem gemeinsamen Namen Volk
bezeichnet werden. Dieser Name bezeichnet nämlich

1. das Naturganze, in welchem wirklich der Staat
entsteht und fortwährend sein Daseyn führt, und bey wel-
chem von Wahl und Willkühr nicht die Rede seyn kann;

2. die Gesammtheit aller in einem Staate gleichzeitig
lebenden Individuen;

3. eben dieselben Individuen mit Abzug der Regierung,
also die Gehorchenden im Gegensatz der Herrschenden;

4. in republikanischen Staaten, wie in Rom, diejenige
organisirte Versammlung Einzelner, in welcher nach der
Verfassung die höchste Gewalt wirklich beruht. Diejenigen
nun, bei welchen auf eine verworrene Weise alle diese
Begriffe durcheinander liefen, wurden dadurch verleitet,
das ideale Recht des Volks als Naturganzen (1), und
das historische Recht des Römischen populus (4), auf die
Gesammtheit der Unterthanen (3) zu übertragen, und so,
mit Umkehrung aller Wahrheit, die Herrschaft den von
Rechtswegen Gehorchenden beyzulegen. Aber selbst wenn
man nicht diesen äußersten Schritt thut, sondern Recht
und Macht in der Gesammtheit aller jetzt lebenden Ein-
zelnen, also mit Einschluß der Regierenden (2) beruhen
läßt, so ist damit nur wenig gebessert. Vor Allem weil
die Einzelnen nicht als solche, und nach ihrer Kopfzahl,
sondern nur in ihrer verfassungsmäßigen Gliederung den
Staat ausmachen. Dann weil die Einzelnen niemals in

Buch I. Quellen. Kap. II. Allg. Natur der Quellen.
die ſtete, oft unbewußte Verwechslung der ganz verſchie-
denen Begriffe, die mit dem gemeinſamen Namen Volk
bezeichnet werden. Dieſer Name bezeichnet nämlich

1. das Naturganze, in welchem wirklich der Staat
entſteht und fortwährend ſein Daſeyn führt, und bey wel-
chem von Wahl und Willkühr nicht die Rede ſeyn kann;

2. die Geſammtheit aller in einem Staate gleichzeitig
lebenden Individuen;

3. eben dieſelben Individuen mit Abzug der Regierung,
alſo die Gehorchenden im Gegenſatz der Herrſchenden;

4. in republikaniſchen Staaten, wie in Rom, diejenige
organiſirte Verſammlung Einzelner, in welcher nach der
Verfaſſung die höchſte Gewalt wirklich beruht. Diejenigen
nun, bei welchen auf eine verworrene Weiſe alle dieſe
Begriffe durcheinander liefen, wurden dadurch verleitet,
das ideale Recht des Volks als Naturganzen (1), und
das hiſtoriſche Recht des Römiſchen populus (4), auf die
Geſammtheit der Unterthanen (3) zu übertragen, und ſo,
mit Umkehrung aller Wahrheit, die Herrſchaft den von
Rechtswegen Gehorchenden beyzulegen. Aber ſelbſt wenn
man nicht dieſen äußerſten Schritt thut, ſondern Recht
und Macht in der Geſammtheit aller jetzt lebenden Ein-
zelnen, alſo mit Einſchluß der Regierenden (2) beruhen
läßt, ſo iſt damit nur wenig gebeſſert. Vor Allem weil
die Einzelnen nicht als ſolche, und nach ihrer Kopfzahl,
ſondern nur in ihrer verfaſſungsmäßigen Gliederung den
Staat ausmachen. Dann weil die Einzelnen niemals in

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[30/0086] Buch I. Quellen. Kap. II. Allg. Natur der Quellen. die ſtete, oft unbewußte Verwechslung der ganz verſchie- denen Begriffe, die mit dem gemeinſamen Namen Volk bezeichnet werden. Dieſer Name bezeichnet nämlich 1. das Naturganze, in welchem wirklich der Staat entſteht und fortwährend ſein Daſeyn führt, und bey wel- chem von Wahl und Willkühr nicht die Rede ſeyn kann; 2. die Geſammtheit aller in einem Staate gleichzeitig lebenden Individuen; 3. eben dieſelben Individuen mit Abzug der Regierung, alſo die Gehorchenden im Gegenſatz der Herrſchenden; 4. in republikaniſchen Staaten, wie in Rom, diejenige organiſirte Verſammlung Einzelner, in welcher nach der Verfaſſung die höchſte Gewalt wirklich beruht. Diejenigen nun, bei welchen auf eine verworrene Weiſe alle dieſe Begriffe durcheinander liefen, wurden dadurch verleitet, das ideale Recht des Volks als Naturganzen (1), und das hiſtoriſche Recht des Römiſchen populus (4), auf die Geſammtheit der Unterthanen (3) zu übertragen, und ſo, mit Umkehrung aller Wahrheit, die Herrſchaft den von Rechtswegen Gehorchenden beyzulegen. Aber ſelbſt wenn man nicht dieſen äußerſten Schritt thut, ſondern Recht und Macht in der Geſammtheit aller jetzt lebenden Ein- zelnen, alſo mit Einſchluß der Regierenden (2) beruhen läßt, ſo iſt damit nur wenig gebeſſert. Vor Allem weil die Einzelnen nicht als ſolche, und nach ihrer Kopfzahl, ſondern nur in ihrer verfaſſungsmäßigen Gliederung den Staat ausmachen. Dann weil die Einzelnen niemals in

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/86>, abgerufen am 25.11.2024.