Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Vorrede. ternehmung fordert? Beruhigen kann neben jener Selbst-erkenntniß die Betrachtung, daß die Wahrheit nicht blos gefördert wird, indem wir sie unmittelbar erkennen und aussprechen, sondern auch indem wir den Weg dazu zei- gen und bahnen, indem wir die Fragen und Aufgaben fest stellen, auf deren Lösung aller Erfolg beruht; dann helfen wir Anderen, an das Ziel zu gelangen, welches zu erreichen uns nicht gewährt wurde. So beruhigt mich auch jetzt das Selbstvertrauen, daß das vorliegende Werk fruchtbare Keime der Wahrheit enthalten mag, die vielleicht erst in Anderen ihre volle Entwicklung fin- den, und zu reifen Früchten gedeihen werden. Wenn dann über der neuen, reicheren Entfaltung die gegen- wärtige Arbeit, die dazu den Keim darbot, in den Hin- tergrund tritt, ja vergessen wird, so liegt daran wenig. Das einzelne Werk ist so vergänglich, wie der einzelne Mensch in seiner sichtbaren Erscheinung; aber unver- gänglich ist der durch die Lebensalter der Einzelnen fort- schreitende Gedanke, der uns Alle, die wir mit Ernst und Liebe arbeiten, zu einer großen, bleibenden Gemein- schaft verbindet, und worin jeder, auch der geringe, Beytrag des Einzelnen sein dauerndes Leben findet. Geschrieben im September 1839. Vorrede. ternehmung fordert? Beruhigen kann neben jener Selbſt-erkenntniß die Betrachtung, daß die Wahrheit nicht blos gefördert wird, indem wir ſie unmittelbar erkennen und ausſprechen, ſondern auch indem wir den Weg dazu zei- gen und bahnen, indem wir die Fragen und Aufgaben feſt ſtellen, auf deren Löſung aller Erfolg beruht; dann helfen wir Anderen, an das Ziel zu gelangen, welches zu erreichen uns nicht gewährt wurde. So beruhigt mich auch jetzt das Selbſtvertrauen, daß das vorliegende Werk fruchtbare Keime der Wahrheit enthalten mag, die vielleicht erſt in Anderen ihre volle Entwicklung fin- den, und zu reifen Früchten gedeihen werden. Wenn dann über der neuen, reicheren Entfaltung die gegen- wärtige Arbeit, die dazu den Keim darbot, in den Hin- tergrund tritt, ja vergeſſen wird, ſo liegt daran wenig. Das einzelne Werk iſt ſo vergänglich, wie der einzelne Menſch in ſeiner ſichtbaren Erſcheinung; aber unver- gänglich iſt der durch die Lebensalter der Einzelnen fort- ſchreitende Gedanke, der uns Alle, die wir mit Ernſt und Liebe arbeiten, zu einer großen, bleibenden Gemein- ſchaft verbindet, und worin jeder, auch der geringe, Beytrag des Einzelnen ſein dauerndes Leben findet. Geſchrieben im September 1839. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0056" n="L"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vorrede</hi>.</fw><lb/> ternehmung fordert? Beruhigen kann neben jener Selbſt-<lb/> erkenntniß die Betrachtung, daß die Wahrheit nicht blos<lb/> gefördert wird, indem wir ſie unmittelbar erkennen und<lb/> ausſprechen, ſondern auch indem wir den Weg dazu zei-<lb/> gen und bahnen, indem wir die Fragen und Aufgaben<lb/> feſt ſtellen, auf deren Löſung aller Erfolg beruht; dann<lb/> helfen wir Anderen, an das Ziel zu gelangen, welches<lb/> zu erreichen uns nicht gewährt wurde. So beruhigt<lb/> mich auch jetzt das Selbſtvertrauen, daß das vorliegende<lb/> Werk fruchtbare Keime der Wahrheit enthalten mag,<lb/> die vielleicht erſt in Anderen ihre volle Entwicklung fin-<lb/> den, und zu reifen Früchten gedeihen werden. Wenn<lb/> dann über der neuen, reicheren Entfaltung die gegen-<lb/> wärtige Arbeit, die dazu den Keim darbot, in den Hin-<lb/> tergrund tritt, ja vergeſſen wird, ſo liegt daran wenig.<lb/> Das einzelne Werk iſt ſo vergänglich, wie der einzelne<lb/> Menſch in ſeiner ſichtbaren Erſcheinung; aber unver-<lb/> gänglich iſt der durch die Lebensalter der Einzelnen fort-<lb/> ſchreitende Gedanke, der uns Alle, die wir mit Ernſt<lb/> und Liebe arbeiten, zu einer großen, bleibenden Gemein-<lb/> ſchaft verbindet, und worin jeder, auch der geringe,<lb/> Beytrag des Einzelnen ſein dauerndes Leben findet.</p><lb/> <p>Geſchrieben im September 1839.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [L/0056]
Vorrede.
ternehmung fordert? Beruhigen kann neben jener Selbſt-
erkenntniß die Betrachtung, daß die Wahrheit nicht blos
gefördert wird, indem wir ſie unmittelbar erkennen und
ausſprechen, ſondern auch indem wir den Weg dazu zei-
gen und bahnen, indem wir die Fragen und Aufgaben
feſt ſtellen, auf deren Löſung aller Erfolg beruht; dann
helfen wir Anderen, an das Ziel zu gelangen, welches
zu erreichen uns nicht gewährt wurde. So beruhigt
mich auch jetzt das Selbſtvertrauen, daß das vorliegende
Werk fruchtbare Keime der Wahrheit enthalten mag,
die vielleicht erſt in Anderen ihre volle Entwicklung fin-
den, und zu reifen Früchten gedeihen werden. Wenn
dann über der neuen, reicheren Entfaltung die gegen-
wärtige Arbeit, die dazu den Keim darbot, in den Hin-
tergrund tritt, ja vergeſſen wird, ſo liegt daran wenig.
Das einzelne Werk iſt ſo vergänglich, wie der einzelne
Menſch in ſeiner ſichtbaren Erſcheinung; aber unver-
gänglich iſt der durch die Lebensalter der Einzelnen fort-
ſchreitende Gedanke, der uns Alle, die wir mit Ernſt
und Liebe arbeiten, zu einer großen, bleibenden Gemein-
ſchaft verbindet, und worin jeder, auch der geringe,
Beytrag des Einzelnen ſein dauerndes Leben findet.
Geſchrieben im September 1839.
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