Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. I. Wesen und Arten.

Insbesondere aber muß ich mich noch gegen den über-
triebenen Werth erklären, welcher oft auf diese die Form
unsrer wissenschaftlichen Darstellungen betreffenden Fragen
gelegt wird. Nicht als ob dieser Gegenstand eben gleich-
gültig wäre: nur müssen wir uns nicht darüber täuschen,
was eigentlich das Wesentliche dabey ist. Wenn eine
dogmatische Darstellung des Rechts so beschaffen ist, daß
die innere Einheit der Rechtsinstitute zerstört, das wesent-
lich Verschiedene verbunden, daß das wahre Verhältniß
der Wichtigkeit verschiedener Institute gegen einander ent-
stellt und verkehrt wird, dann sind solche formelle Män-
gel wesentlich, weil sie den Stoff selbst verdunkeln, und
der wahren Einsicht hinderlich werden. Wo aber jener
Fall nicht eintritt, da können wir uns die Anordnung ei-
nes Werks gefallen lassen, auch wenn wir manche Män-
gel derselben wahrzunehmen glauben. Nach diesem Princip
einer in gewissen Gränzen zulässigen Duldsamkeit ist oben

wunderung jenes Römischen Sy-
stems, welchem er eine größere
Verbreitung zuschreibt, als ich an-
zunehmen historischen Grund finde,
räumt doch ein, daß nach allge-
meinen Rechtsansichten, und be-
sonders für das Bedürfniß un-
sres heutigen Rechts, manche an-
dere Anordnung zweckmäßiger seyn
möchte, als die der Institutionen,
und er kommt dabey im Ganzen
auf die von mir angenommenen
Gesichtspunkte. Civ. Mag. B. 5
S. 397. B. 6 S. 284--287. Über-
haupt halte ich die Meynungsver-
schiedenheit, die hierin unter uns
besteht, für weit unwesentlicher,
als sie auf den ersten Blick er-
scheint, und es macht mir beson-
dere Freude hinzusetzen zu kön-
nen, daß mir die hier dargelegte
Anordnung zuerst durch Hugo's
Institutionen Berlin 1789 zuge-
kommen ist, obgleich ich sie seit-
dem auf meine Weise zu ent-
wickeln und zu begründen ver-
sucht habe.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten.

Insbeſondere aber muß ich mich noch gegen den über-
triebenen Werth erklären, welcher oft auf dieſe die Form
unſrer wiſſenſchaftlichen Darſtellungen betreffenden Fragen
gelegt wird. Nicht als ob dieſer Gegenſtand eben gleich-
gültig wäre: nur müſſen wir uns nicht darüber täuſchen,
was eigentlich das Weſentliche dabey iſt. Wenn eine
dogmatiſche Darſtellung des Rechts ſo beſchaffen iſt, daß
die innere Einheit der Rechtsinſtitute zerſtört, das weſent-
lich Verſchiedene verbunden, daß das wahre Verhältniß
der Wichtigkeit verſchiedener Inſtitute gegen einander ent-
ſtellt und verkehrt wird, dann ſind ſolche formelle Män-
gel weſentlich, weil ſie den Stoff ſelbſt verdunkeln, und
der wahren Einſicht hinderlich werden. Wo aber jener
Fall nicht eintritt, da koͤnnen wir uns die Anordnung ei-
nes Werks gefallen laſſen, auch wenn wir manche Män-
gel derſelben wahrzunehmen glauben. Nach dieſem Princip
einer in gewiſſen Gränzen zuläſſigen Duldſamkeit iſt oben

wunderung jenes Römiſchen Sy-
ſtems, welchem er eine größere
Verbreitung zuſchreibt, als ich an-
zunehmen hiſtoriſchen Grund finde,
räumt doch ein, daß nach allge-
meinen Rechtsanſichten, und be-
ſonders für das Bedürfniß un-
ſres heutigen Rechts, manche an-
dere Anordnung zweckmäßiger ſeyn
möchte, als die der Inſtitutionen,
und er kommt dabey im Ganzen
auf die von mir angenommenen
Geſichtspunkte. Civ. Mag. B. 5
S. 397. B. 6 S. 284—287. Über-
haupt halte ich die Meynungsver-
ſchiedenheit, die hierin unter uns
beſteht, für weit unweſentlicher,
als ſie auf den erſten Blick er-
ſcheint, und es macht mir beſon-
dere Freude hinzuſetzen zu kön-
nen, daß mir die hier dargelegte
Anordnung zuerſt durch Hugo’s
Inſtitutionen Berlin 1789 zuge-
kommen iſt, obgleich ich ſie ſeit-
dem auf meine Weiſe zu ent-
wickeln und zu begründen ver-
ſucht habe.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0462" n="406"/>
            <fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">I.</hi> We&#x017F;en und Arten.</fw><lb/>
            <p>Insbe&#x017F;ondere aber muß ich mich noch gegen den über-<lb/>
triebenen Werth erklären, welcher oft auf die&#x017F;e die Form<lb/>
un&#x017F;rer wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Dar&#x017F;tellungen betreffenden Fragen<lb/>
gelegt wird. Nicht als ob die&#x017F;er Gegen&#x017F;tand eben gleich-<lb/>
gültig wäre: nur mü&#x017F;&#x017F;en wir uns nicht darüber täu&#x017F;chen,<lb/>
was eigentlich das We&#x017F;entliche dabey i&#x017F;t. Wenn eine<lb/>
dogmati&#x017F;che Dar&#x017F;tellung des Rechts &#x017F;o be&#x017F;chaffen i&#x017F;t, daß<lb/>
die innere Einheit der Rechtsin&#x017F;titute zer&#x017F;tört, das we&#x017F;ent-<lb/>
lich Ver&#x017F;chiedene verbunden, daß das wahre Verhältniß<lb/>
der Wichtigkeit ver&#x017F;chiedener In&#x017F;titute gegen einander ent-<lb/>
&#x017F;tellt und verkehrt wird, dann &#x017F;ind &#x017F;olche formelle Män-<lb/>
gel we&#x017F;entlich, weil &#x017F;ie den Stoff &#x017F;elb&#x017F;t verdunkeln, und<lb/>
der wahren Ein&#x017F;icht hinderlich werden. Wo aber jener<lb/>
Fall nicht eintritt, da ko&#x0364;nnen wir uns die Anordnung ei-<lb/>
nes Werks gefallen la&#x017F;&#x017F;en, auch wenn wir manche Män-<lb/>
gel der&#x017F;elben wahrzunehmen glauben. Nach die&#x017F;em Princip<lb/>
einer in gewi&#x017F;&#x017F;en Gränzen zulä&#x017F;&#x017F;igen Duld&#x017F;amkeit i&#x017F;t oben<lb/><note xml:id="seg2pn_57_2" prev="#seg2pn_57_1" place="foot" n="(s)">wunderung jenes Römi&#x017F;chen Sy-<lb/>
&#x017F;tems, welchem er eine größere<lb/>
Verbreitung zu&#x017F;chreibt, als ich an-<lb/>
zunehmen hi&#x017F;tori&#x017F;chen Grund finde,<lb/>
räumt doch ein, daß nach allge-<lb/>
meinen Rechtsan&#x017F;ichten, und be-<lb/>
&#x017F;onders für das Bedürfniß un-<lb/>
&#x017F;res heutigen Rechts, manche an-<lb/>
dere Anordnung zweckmäßiger &#x017F;eyn<lb/>
möchte, als die der In&#x017F;titutionen,<lb/>
und er kommt dabey im Ganzen<lb/>
auf die von mir angenommenen<lb/>
Ge&#x017F;ichtspunkte. Civ. Mag. B. 5<lb/>
S. 397. B. 6 S. 284&#x2014;287. Über-<lb/>
haupt halte ich die Meynungsver-<lb/>
&#x017F;chiedenheit, die hierin unter uns<lb/>
be&#x017F;teht, für weit unwe&#x017F;entlicher,<lb/>
als &#x017F;ie auf den er&#x017F;ten Blick er-<lb/>
&#x017F;cheint, und es macht mir be&#x017F;on-<lb/>
dere Freude hinzu&#x017F;etzen zu kön-<lb/>
nen, daß mir die hier dargelegte<lb/>
Anordnung zuer&#x017F;t durch <hi rendition="#g">Hugo&#x2019;s</hi><lb/>
In&#x017F;titutionen Berlin 1789 zuge-<lb/>
kommen i&#x017F;t, obgleich ich &#x017F;ie &#x017F;eit-<lb/>
dem auf meine Wei&#x017F;e zu ent-<lb/>
wickeln und zu begründen ver-<lb/>
&#x017F;ucht habe.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[406/0462] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten. Insbeſondere aber muß ich mich noch gegen den über- triebenen Werth erklären, welcher oft auf dieſe die Form unſrer wiſſenſchaftlichen Darſtellungen betreffenden Fragen gelegt wird. Nicht als ob dieſer Gegenſtand eben gleich- gültig wäre: nur müſſen wir uns nicht darüber täuſchen, was eigentlich das Weſentliche dabey iſt. Wenn eine dogmatiſche Darſtellung des Rechts ſo beſchaffen iſt, daß die innere Einheit der Rechtsinſtitute zerſtört, das weſent- lich Verſchiedene verbunden, daß das wahre Verhältniß der Wichtigkeit verſchiedener Inſtitute gegen einander ent- ſtellt und verkehrt wird, dann ſind ſolche formelle Män- gel weſentlich, weil ſie den Stoff ſelbſt verdunkeln, und der wahren Einſicht hinderlich werden. Wo aber jener Fall nicht eintritt, da koͤnnen wir uns die Anordnung ei- nes Werks gefallen laſſen, auch wenn wir manche Män- gel derſelben wahrzunehmen glauben. Nach dieſem Princip einer in gewiſſen Gränzen zuläſſigen Duldſamkeit iſt oben (s) (s) wunderung jenes Römiſchen Sy- ſtems, welchem er eine größere Verbreitung zuſchreibt, als ich an- zunehmen hiſtoriſchen Grund finde, räumt doch ein, daß nach allge- meinen Rechtsanſichten, und be- ſonders für das Bedürfniß un- ſres heutigen Rechts, manche an- dere Anordnung zweckmäßiger ſeyn möchte, als die der Inſtitutionen, und er kommt dabey im Ganzen auf die von mir angenommenen Geſichtspunkte. Civ. Mag. B. 5 S. 397. B. 6 S. 284—287. Über- haupt halte ich die Meynungsver- ſchiedenheit, die hierin unter uns beſteht, für weit unweſentlicher, als ſie auf den erſten Blick er- ſcheint, und es macht mir beſon- dere Freude hinzuſetzen zu kön- nen, daß mir die hier dargelegte Anordnung zuerſt durch Hugo’s Inſtitutionen Berlin 1789 zuge- kommen iſt, obgleich ich ſie ſeit- dem auf meine Weiſe zu ent- wickeln und zu begründen ver- ſucht habe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/462
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/462>, abgerufen am 22.11.2024.