Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. I. Wesen und Arten.
erste Buch sehr zweifelhaft wird. Mehr Consequenz und
ein schärfer bestimmter Begriff findet sich in Hugo's Be-
hauptung, der erste Theil (de personis) sey nichts An-
deres, als die Lehre von der Rechtsfähigkeit, oder
von den drey Eigenschaften, die der dreyfachen Capitis
deminutio
entsprechen (g). Es widerspricht aber dieser An-
nahme der wirkliche Inhalt des ersten Buchs von Gajus
und Justinian. Denn die in der dritten divisio enthal-
tene Lehre von der Vormundschaft hat mit der Rechtsfä-
higkeit gar Nichts zu schaffen, da sie weder auf einen
Mangel derselben, noch auf einen Ersatz für diesen Man-
gel sich bezieht (h). Dagegen fehlt auf der anderen Seite
einer der drey Hauptunterschiede für die Rechtsfähigkeit,
der Unterschied der Cives, latini, peregrini (i). Da nun

(g) Civil. Magazin B. 4 S. 20.
21. 235 -- 237. -- Andere suchen
zu vermitteln, indem sie sagen,
das Personenrecht sey die Lehre
von dem Status und den Fami-
lienverhältnissen; sie nehmen also
einen zweyfachen, durch keinen ge-
meinsamen Begriff verbundenen
Inhalt an, welche Annahme schon
an sich sehr bedenklich ist. So
Mühlenbruch I. § 78. -- Düroi
Archiv B. 6 S. 437 sagt, status
oder conditio bezeichne gewisse
wichtige Unterschiede ohne gemein-
schaftliche innere Merkmale; mit
der Annahme einer so gedanken-
losen Willkührlichkeit wird den
Römischen Juristen schlechte Ehre
erwiesen. Daneben behauptet er,
es gehöre dahin der Unterschied
der cives, latini, peregrini, der
doch als solcher im ersten Buch
des Gajus und der Institutionen
gar nicht vorkommt.
(h) Die Vormundschaft ist le-
diglich ein Ersatz für die fehlende
Handlungsfähigkeit. Das giebt
auch Hugo selbst zu, Rechtsge-
schichte S. 120 der 11ten Ausg.
(i) Über diesen wichtigen Punkt
täuscht man sich gewöhnlich durch
den Umstand, daß Gajus gele-
gentlich, aus Veranlassung an-
derer Rechtsinstitute, diese Ein-
theilung der Personen erwähnt:
namentlich bey dem connubium
(1 § 56), der causae probatio
(1 § 66 fg.), dem Soldatentesta-
ment (2 § 110), und am ausführ-
lichsten bey den drey Klassen der

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten.
erſte Buch ſehr zweifelhaft wird. Mehr Conſequenz und
ein ſchärfer beſtimmter Begriff findet ſich in Hugo’s Be-
hauptung, der erſte Theil (de personis) ſey nichts An-
deres, als die Lehre von der Rechtsfähigkeit, oder
von den drey Eigenſchaften, die der dreyfachen Capitis
deminutio
entſprechen (g). Es widerſpricht aber dieſer An-
nahme der wirkliche Inhalt des erſten Buchs von Gajus
und Juſtinian. Denn die in der dritten divisio enthal-
tene Lehre von der Vormundſchaft hat mit der Rechtsfä-
higkeit gar Nichts zu ſchaffen, da ſie weder auf einen
Mangel derſelben, noch auf einen Erſatz für dieſen Man-
gel ſich bezieht (h). Dagegen fehlt auf der anderen Seite
einer der drey Hauptunterſchiede für die Rechtsfähigkeit,
der Unterſchied der Cives, latini, peregrini (i). Da nun

(g) Civil. Magazin B. 4 S. 20.
21. 235 — 237. — Andere ſuchen
zu vermitteln, indem ſie ſagen,
das Perſonenrecht ſey die Lehre
von dem Status und den Fami-
lienverhältniſſen; ſie nehmen alſo
einen zweyfachen, durch keinen ge-
meinſamen Begriff verbundenen
Inhalt an, welche Annahme ſchon
an ſich ſehr bedenklich iſt. So
Mühlenbruch I. § 78. — Düroi
Archiv B. 6 S. 437 ſagt, status
oder conditio bezeichne gewiſſe
wichtige Unterſchiede ohne gemein-
ſchaftliche innere Merkmale; mit
der Annahme einer ſo gedanken-
loſen Willkührlichkeit wird den
Römiſchen Juriſten ſchlechte Ehre
erwieſen. Daneben behauptet er,
es gehöre dahin der Unterſchied
der cives, latini, peregrini, der
doch als ſolcher im erſten Buch
des Gajus und der Inſtitutionen
gar nicht vorkommt.
(h) Die Vormundſchaft iſt le-
diglich ein Erſatz für die fehlende
Handlungsfähigkeit. Das giebt
auch Hugo ſelbſt zu, Rechtsge-
ſchichte S. 120 der 11ten Ausg.
(i) Über dieſen wichtigen Punkt
täuſcht man ſich gewöhnlich durch
den Umſtand, daß Gajus gele-
gentlich, aus Veranlaſſung an-
derer Rechtsinſtitute, dieſe Ein-
theilung der Perſonen erwähnt:
namentlich bey dem connubium
(1 § 56), der causae probatio
(1 § 66 fg.), dem Soldatenteſta-
ment (2 § 110), und am ausführ-
lichſten bey den drey Klaſſen der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0454" n="398"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">I.</hi> We&#x017F;en und Arten.</fw><lb/>
er&#x017F;te Buch &#x017F;ehr zweifelhaft wird. Mehr Con&#x017F;equenz und<lb/>
ein &#x017F;chärfer be&#x017F;timmter Begriff findet &#x017F;ich in <hi rendition="#g">Hugo&#x2019;s</hi> Be-<lb/>
hauptung, der er&#x017F;te Theil (<hi rendition="#aq">de personis</hi>) &#x017F;ey nichts An-<lb/>
deres, als die Lehre von der <hi rendition="#g">Rechtsfähigkeit</hi>, oder<lb/>
von den drey Eigen&#x017F;chaften, die der dreyfachen <hi rendition="#aq">Capitis<lb/>
deminutio</hi> ent&#x017F;prechen <note place="foot" n="(g)">Civil. Magazin B. 4 S. 20.<lb/>
21. 235 &#x2014; 237. &#x2014; Andere &#x017F;uchen<lb/>
zu vermitteln, indem &#x017F;ie &#x017F;agen,<lb/>
das Per&#x017F;onenrecht &#x017F;ey die Lehre<lb/>
von dem <hi rendition="#aq">Status</hi> <hi rendition="#g">und</hi> den Fami-<lb/>
lienverhältni&#x017F;&#x017F;en; &#x017F;ie nehmen al&#x017F;o<lb/>
einen zweyfachen, durch keinen ge-<lb/>
mein&#x017F;amen Begriff verbundenen<lb/>
Inhalt an, welche Annahme &#x017F;chon<lb/>
an &#x017F;ich &#x017F;ehr bedenklich i&#x017F;t. So<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Mühlenbruch</hi> I.</hi> § 78. &#x2014; <hi rendition="#g">Düroi</hi><lb/>
Archiv B. 6 S. 437 &#x017F;agt, <hi rendition="#aq">status</hi><lb/>
oder <hi rendition="#aq">conditio</hi> bezeichne gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
wichtige Unter&#x017F;chiede ohne gemein-<lb/>
&#x017F;chaftliche innere Merkmale; mit<lb/>
der Annahme einer &#x017F;o gedanken-<lb/>
lo&#x017F;en Willkührlichkeit wird den<lb/>
Römi&#x017F;chen Juri&#x017F;ten &#x017F;chlechte Ehre<lb/>
erwie&#x017F;en. Daneben behauptet er,<lb/>
es gehöre dahin der Unter&#x017F;chied<lb/>
der <hi rendition="#aq">cives, latini, peregrini,</hi> der<lb/>
doch als &#x017F;olcher im er&#x017F;ten Buch<lb/>
des Gajus und der In&#x017F;titutionen<lb/>
gar nicht vorkommt.</note>. Es wider&#x017F;pricht aber die&#x017F;er An-<lb/>
nahme der wirkliche Inhalt des er&#x017F;ten Buchs von Gajus<lb/>
und Ju&#x017F;tinian. Denn die in der dritten <hi rendition="#aq">divisio</hi> enthal-<lb/>
tene Lehre von der Vormund&#x017F;chaft hat mit der Rechtsfä-<lb/>
higkeit gar Nichts zu &#x017F;chaffen, da &#x017F;ie weder auf einen<lb/>
Mangel der&#x017F;elben, noch auf einen Er&#x017F;atz für die&#x017F;en Man-<lb/>
gel &#x017F;ich bezieht <note place="foot" n="(h)">Die Vormund&#x017F;chaft i&#x017F;t le-<lb/>
diglich ein Er&#x017F;atz für die fehlende<lb/>
Handlungsfähigkeit. Das giebt<lb/>
auch <hi rendition="#g">Hugo</hi> &#x017F;elb&#x017F;t zu, Rechtsge-<lb/>
&#x017F;chichte S. 120 der 11ten Ausg.</note>. Dagegen fehlt auf der anderen Seite<lb/>
einer der drey Hauptunter&#x017F;chiede für die Rechtsfähigkeit,<lb/>
der Unter&#x017F;chied der <hi rendition="#aq">Cives, latini, peregrini</hi> <note xml:id="seg2pn_54_1" next="#seg2pn_54_2" place="foot" n="(i)">Über die&#x017F;en wichtigen Punkt<lb/>
täu&#x017F;cht man &#x017F;ich gewöhnlich durch<lb/>
den Um&#x017F;tand, daß Gajus gele-<lb/>
gentlich, aus Veranla&#x017F;&#x017F;ung an-<lb/>
derer Rechtsin&#x017F;titute, die&#x017F;e Ein-<lb/>
theilung der Per&#x017F;onen erwähnt:<lb/>
namentlich bey dem <hi rendition="#aq">connubium</hi><lb/>
(1 § 56), der <hi rendition="#aq">causae probatio</hi><lb/>
(1 § 66 fg.), dem Soldatente&#x017F;ta-<lb/>
ment (2 § 110), und am ausführ-<lb/>
lich&#x017F;ten bey den drey Kla&#x017F;&#x017F;en der</note>. Da nun<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[398/0454] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten. erſte Buch ſehr zweifelhaft wird. Mehr Conſequenz und ein ſchärfer beſtimmter Begriff findet ſich in Hugo’s Be- hauptung, der erſte Theil (de personis) ſey nichts An- deres, als die Lehre von der Rechtsfähigkeit, oder von den drey Eigenſchaften, die der dreyfachen Capitis deminutio entſprechen (g). Es widerſpricht aber dieſer An- nahme der wirkliche Inhalt des erſten Buchs von Gajus und Juſtinian. Denn die in der dritten divisio enthal- tene Lehre von der Vormundſchaft hat mit der Rechtsfä- higkeit gar Nichts zu ſchaffen, da ſie weder auf einen Mangel derſelben, noch auf einen Erſatz für dieſen Man- gel ſich bezieht (h). Dagegen fehlt auf der anderen Seite einer der drey Hauptunterſchiede für die Rechtsfähigkeit, der Unterſchied der Cives, latini, peregrini (i). Da nun (g) Civil. Magazin B. 4 S. 20. 21. 235 — 237. — Andere ſuchen zu vermitteln, indem ſie ſagen, das Perſonenrecht ſey die Lehre von dem Status und den Fami- lienverhältniſſen; ſie nehmen alſo einen zweyfachen, durch keinen ge- meinſamen Begriff verbundenen Inhalt an, welche Annahme ſchon an ſich ſehr bedenklich iſt. So Mühlenbruch I. § 78. — Düroi Archiv B. 6 S. 437 ſagt, status oder conditio bezeichne gewiſſe wichtige Unterſchiede ohne gemein- ſchaftliche innere Merkmale; mit der Annahme einer ſo gedanken- loſen Willkührlichkeit wird den Römiſchen Juriſten ſchlechte Ehre erwieſen. Daneben behauptet er, es gehöre dahin der Unterſchied der cives, latini, peregrini, der doch als ſolcher im erſten Buch des Gajus und der Inſtitutionen gar nicht vorkommt. (h) Die Vormundſchaft iſt le- diglich ein Erſatz für die fehlende Handlungsfähigkeit. Das giebt auch Hugo ſelbſt zu, Rechtsge- ſchichte S. 120 der 11ten Ausg. (i) Über dieſen wichtigen Punkt täuſcht man ſich gewöhnlich durch den Umſtand, daß Gajus gele- gentlich, aus Veranlaſſung an- derer Rechtsinſtitute, dieſe Ein- theilung der Perſonen erwähnt: namentlich bey dem connubium (1 § 56), der causae probatio (1 § 66 fg.), dem Soldatenteſta- ment (2 § 110), und am ausführ- lichſten bey den drey Klaſſen der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/454
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/454>, abgerufen am 03.05.2024.