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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 55. Familienrecht. Fortsetzung.
der Freygelassenen nach den völlig veränderten Bedürfnis-
sen zu modificiren. -- Zu dieser zweyten Beziehung ge-
hört endlich auch noch die Manumission, das heißt die
Fähigkeit des Herrn, dem Sklaven die Freyheit und in
der Regel selbst die Civität zu ertheilen: endlich auch das
liberale judicium, oder die vindicatio in servitutem und
in libertatem, welche der potestas denselben Schutz ge-
währt, wie die gewöhnliche vindicatio dem dominium. --
Noch etwas verschieden von diesem Allen ist die dem Skla-
ven fast gänzlich fehlende Rechtsfähigkeit. Denn diese
kann sich auch bey solchen finden, über welche jetzt domi-
nium
und potestas zufällig nicht besteht, den servis sine
domino.
Denn obgleich das ganze Rechtsinstitut der Skla-
verey nur um der Gewalt des Herrn willen eingeführt
und ausgebildet worden war, so hatte man doch daraus
den allgemeinen Begriff des Sklavenstandes, als ei-
nes Zustandes an sich, gebildet, der nun auch in den Fäl-
len der zufällig herrenlosen Sklaven sollte Daseyn und
Wirksamkeit haben können (a).


(a) Dahin gehören folgende
Fälle: 1) der servus poenae,
welcher keinesweges im Eigen-
thum des Staats war. L. 17
pr. de poenis (48. 19.). L. 3 pr.
de his q. pro non scr.
(34. 8.).
L. 12 de j. fisci (49. 14.). L. 25
§ 3 de adqu. hered.
(29. 2.). --
2) Der Nömer, der in Gefan-
genschaft des Feindes kam; denn
der Feind war rechtlos, konnte
also auch keine potestas und kein
dominium haben. -- 3) Der Frey-
gelassene, an welchem vor der
Freylassung ein Anderer den Nies-
brauch erworben hatte. Ulpian I.
§ 19 (L 1 C. comm. de manu-
miss.
7. 15.). -- 4)
Der von sei-
nem Herrn derelinquirte Sklave.
L. 38 § 1 de nox. act. (9. 4.).
L. 36 de stip. serv. (45. 3.).
L. 8 pro derelicto
(41. 7.). Es
war etwas ganz Specielles und
rein Positives, daß nach einem

§. 55. Familienrecht. Fortſetzung.
der Freygelaſſenen nach den völlig veränderten Bedürfniſ-
ſen zu modificiren. — Zu dieſer zweyten Beziehung ge-
hört endlich auch noch die Manumiſſion, das heißt die
Fähigkeit des Herrn, dem Sklaven die Freyheit und in
der Regel ſelbſt die Civität zu ertheilen: endlich auch das
liberale judicium, oder die vindicatio in servitutem und
in libertatem, welche der potestas denſelben Schutz ge-
währt, wie die gewöhnliche vindicatio dem dominium.
Noch etwas verſchieden von dieſem Allen iſt die dem Skla-
ven faſt gänzlich fehlende Rechtsfähigkeit. Denn dieſe
kann ſich auch bey ſolchen finden, über welche jetzt domi-
nium
und potestas zufällig nicht beſteht, den servis sine
domino.
Denn obgleich das ganze Rechtsinſtitut der Skla-
verey nur um der Gewalt des Herrn willen eingeführt
und ausgebildet worden war, ſo hatte man doch daraus
den allgemeinen Begriff des Sklavenſtandes, als ei-
nes Zuſtandes an ſich, gebildet, der nun auch in den Fäl-
len der zufällig herrenloſen Sklaven ſollte Daſeyn und
Wirkſamkeit haben können (a).


(a) Dahin gehören folgende
Fälle: 1) der servus poenae,
welcher keinesweges im Eigen-
thum des Staats war. L. 17
pr. de poenis (48. 19.). L. 3 pr.
de his q. pro non scr.
(34. 8.).
L. 12 de j. fisci (49. 14.). L. 25
§ 3 de adqu. hered.
(29. 2.). —
2) Der Nömer, der in Gefan-
genſchaft des Feindes kam; denn
der Feind war rechtlos, konnte
alſo auch keine potestas und kein
dominium haben. — 3) Der Frey-
gelaſſene, an welchem vor der
Freylaſſung ein Anderer den Nies-
brauch erworben hatte. Ulpian I.
§ 19 (L 1 C. comm. de manu-
miss.
7. 15.). — 4)
Der von ſei-
nem Herrn derelinquirte Sklave.
L. 38 § 1 de nox. act. (9. 4.).
L. 36 de stip. serv. (45. 3.).
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(41. 7.). Es
war etwas ganz Specielles und
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[359/0415] §. 55. Familienrecht. Fortſetzung. der Freygelaſſenen nach den völlig veränderten Bedürfniſ- ſen zu modificiren. — Zu dieſer zweyten Beziehung ge- hört endlich auch noch die Manumiſſion, das heißt die Fähigkeit des Herrn, dem Sklaven die Freyheit und in der Regel ſelbſt die Civität zu ertheilen: endlich auch das liberale judicium, oder die vindicatio in servitutem und in libertatem, welche der potestas denſelben Schutz ge- währt, wie die gewöhnliche vindicatio dem dominium. — Noch etwas verſchieden von dieſem Allen iſt die dem Skla- ven faſt gänzlich fehlende Rechtsfähigkeit. Denn dieſe kann ſich auch bey ſolchen finden, über welche jetzt domi- nium und potestas zufällig nicht beſteht, den servis sine domino. Denn obgleich das ganze Rechtsinſtitut der Skla- verey nur um der Gewalt des Herrn willen eingeführt und ausgebildet worden war, ſo hatte man doch daraus den allgemeinen Begriff des Sklavenſtandes, als ei- nes Zuſtandes an ſich, gebildet, der nun auch in den Fäl- len der zufällig herrenloſen Sklaven ſollte Daſeyn und Wirkſamkeit haben können (a). (a) Dahin gehören folgende Fälle: 1) der servus poenae, welcher keinesweges im Eigen- thum des Staats war. L. 17 pr. de poenis (48. 19.). L. 3 pr. de his q. pro non scr. (34. 8.). L. 12 de j. fisci (49. 14.). L. 25 § 3 de adqu. hered. (29. 2.). — 2) Der Nömer, der in Gefan- genſchaft des Feindes kam; denn der Feind war rechtlos, konnte alſo auch keine potestas und kein dominium haben. — 3) Der Frey- gelaſſene, an welchem vor der Freylaſſung ein Anderer den Nies- brauch erworben hatte. Ulpian I. § 19 (L 1 C. comm. de manu- miss. 7. 15.). — 4) Der von ſei- nem Herrn derelinquirte Sklave. L. 38 § 1 de nox. act. (9. 4.). L. 36 de stip. serv. (45. 3.). L. 8 pro derelicto (41. 7.). Es war etwas ganz Specielles und rein Poſitives, daß nach einem

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/415>, abgerufen am 14.08.2024.