Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.§. 53. Arten. sich schließt, entgegen zu setzen. Diese Betrachtungsweisefindet sich daher auch bey Vielen, wenngleich oft nicht in ihrer vollen Ausdehnung, oder nicht mit klarem Bewußt- seyn. Sie ist aber durchaus zu verwerfen, und es ist für die richtige Einsicht in das Wesen der Familie von Wich- tigkeit, daß sie als irrig aufgegeben werden. Es sollen daher gleich hier diejenigen wesentlichen Verschiedenheiten angegeben werden, die auf dem bisher gewonnenen Stand- punkt klar gemacht werden können; mit dem Vorbehalt, das eigenthümliche, völlig unterscheidende, Wesen der Fa- milie weiter unten (§ 54) noch bestimmter zur Anschauung zu bringen. Die Obligation hat zum Gegenstand eine ein- zelne Handlung, das Familienverhältniß die Person als Ganzes, insofern sie ein Glied in dem organischen Zusam- menhang der gesammten Menschheit ist. Der Stoff der Obligationen ist willkührlicher Natur, indem bald diese bald jene Handlung zum Inhalt einer Obligation gemacht werden kann; der Stoff der Familienverhältnisse ist durch die organische Natur des Menschen bestimmt, trägt also den Character der Nothwendigkeit in sich. Die Obliga- tion ist in der Regel vorübergehender Natur, das Fami- lienverhältniß ist zu einem fortdauernden Daseyn bestimmt. Daher bilden sich die einzelnen Familienverhältnisse, wo sie vollständig erscheinen, in zusammengesetzte Gesellschaf- ten aus, die eben den Gesammtnamen der Familien füh- ren. In den Familien nun sind die Keime des Staats §. 53. Arten. ſich ſchließt, entgegen zu ſetzen. Dieſe Betrachtungsweiſefindet ſich daher auch bey Vielen, wenngleich oft nicht in ihrer vollen Ausdehnung, oder nicht mit klarem Bewußt- ſeyn. Sie iſt aber durchaus zu verwerfen, und es iſt für die richtige Einſicht in das Weſen der Familie von Wich- tigkeit, daß ſie als irrig aufgegeben werden. Es ſollen daher gleich hier diejenigen weſentlichen Verſchiedenheiten angegeben werden, die auf dem bisher gewonnenen Stand- punkt klar gemacht werden können; mit dem Vorbehalt, das eigenthümliche, völlig unterſcheidende, Weſen der Fa- milie weiter unten (§ 54) noch beſtimmter zur Anſchauung zu bringen. Die Obligation hat zum Gegenſtand eine ein- zelne Handlung, das Familienverhältniß die Perſon als Ganzes, inſofern ſie ein Glied in dem organiſchen Zuſam- menhang der geſammten Menſchheit iſt. Der Stoff der Obligationen iſt willkührlicher Natur, indem bald dieſe bald jene Handlung zum Inhalt einer Obligation gemacht werden kann; der Stoff der Familienverhältniſſe iſt durch die organiſche Natur des Menſchen beſtimmt, trägt alſo den Character der Nothwendigkeit in ſich. Die Obliga- tion iſt in der Regel vorübergehender Natur, das Fami- lienverhältniß iſt zu einem fortdauernden Daſeyn beſtimmt. Daher bilden ſich die einzelnen Familienverhältniſſe, wo ſie vollſtändig erſcheinen, in zuſammengeſetzte Geſellſchaf- ten aus, die eben den Geſammtnamen der Familien füh- ren. In den Familien nun ſind die Keime des Staats <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0399" n="343"/><fw place="top" type="header">§. 53. Arten.</fw><lb/> ſich ſchließt, entgegen zu ſetzen. Dieſe Betrachtungsweiſe<lb/> findet ſich daher auch bey Vielen, wenngleich oft nicht in<lb/> ihrer vollen Ausdehnung, oder nicht mit klarem Bewußt-<lb/> ſeyn. Sie iſt aber durchaus zu verwerfen, und es iſt für<lb/> die richtige Einſicht in das Weſen der Familie von Wich-<lb/> tigkeit, daß ſie als irrig aufgegeben werden. Es ſollen<lb/> daher gleich hier diejenigen weſentlichen Verſchiedenheiten<lb/> angegeben werden, die auf dem bisher gewonnenen Stand-<lb/> punkt klar gemacht werden können; mit dem Vorbehalt,<lb/> das eigenthümliche, völlig unterſcheidende, Weſen der Fa-<lb/> milie weiter unten (§ 54) noch beſtimmter zur Anſchauung<lb/> zu bringen. Die Obligation hat zum Gegenſtand eine ein-<lb/> zelne Handlung, das Familienverhältniß die Perſon als<lb/> Ganzes, inſofern ſie ein Glied in dem organiſchen Zuſam-<lb/> menhang der geſammten Menſchheit iſt. Der Stoff der<lb/> Obligationen iſt willkührlicher Natur, indem bald dieſe<lb/> bald jene Handlung zum Inhalt einer Obligation gemacht<lb/> werden kann; der Stoff der Familienverhältniſſe iſt durch<lb/> die organiſche Natur des Menſchen beſtimmt, trägt alſo<lb/> den Character der Nothwendigkeit in ſich. Die Obliga-<lb/> tion iſt in der Regel vorübergehender Natur, das Fami-<lb/> lienverhältniß iſt zu einem fortdauernden Daſeyn beſtimmt.<lb/> Daher bilden ſich die einzelnen Familienverhältniſſe, wo<lb/> ſie vollſtändig erſcheinen, in zuſammengeſetzte Geſellſchaf-<lb/> ten aus, die eben den Geſammtnamen der Familien füh-<lb/> ren. In den Familien nun ſind die Keime des Staats<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [343/0399]
§. 53. Arten.
ſich ſchließt, entgegen zu ſetzen. Dieſe Betrachtungsweiſe
findet ſich daher auch bey Vielen, wenngleich oft nicht in
ihrer vollen Ausdehnung, oder nicht mit klarem Bewußt-
ſeyn. Sie iſt aber durchaus zu verwerfen, und es iſt für
die richtige Einſicht in das Weſen der Familie von Wich-
tigkeit, daß ſie als irrig aufgegeben werden. Es ſollen
daher gleich hier diejenigen weſentlichen Verſchiedenheiten
angegeben werden, die auf dem bisher gewonnenen Stand-
punkt klar gemacht werden können; mit dem Vorbehalt,
das eigenthümliche, völlig unterſcheidende, Weſen der Fa-
milie weiter unten (§ 54) noch beſtimmter zur Anſchauung
zu bringen. Die Obligation hat zum Gegenſtand eine ein-
zelne Handlung, das Familienverhältniß die Perſon als
Ganzes, inſofern ſie ein Glied in dem organiſchen Zuſam-
menhang der geſammten Menſchheit iſt. Der Stoff der
Obligationen iſt willkührlicher Natur, indem bald dieſe
bald jene Handlung zum Inhalt einer Obligation gemacht
werden kann; der Stoff der Familienverhältniſſe iſt durch
die organiſche Natur des Menſchen beſtimmt, trägt alſo
den Character der Nothwendigkeit in ſich. Die Obliga-
tion iſt in der Regel vorübergehender Natur, das Fami-
lienverhältniß iſt zu einem fortdauernden Daſeyn beſtimmt.
Daher bilden ſich die einzelnen Familienverhältniſſe, wo
ſie vollſtändig erſcheinen, in zuſammengeſetzte Geſellſchaf-
ten aus, die eben den Geſammtnamen der Familien füh-
ren. In den Familien nun ſind die Keime des Staats
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Zitationshilfe: | Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/399>, abgerufen am 23.07.2024. |