Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Gesetze. haft seyn kann (§ 37), so ist es wünschenswerth, daß ir-gend eine hoch stehende Gewalt vorhanden sey, in welcher beide Befugnisse vereinigt angetroffen werden, und deren Thätigkeit daher durch die Zweifel über jene Gränze nicht gehemmt seyn möge. Besteht eine zur Fortbildung des Rechts überhaupt angeordnete Behörde (§ 31), so ist es ohnehin unzweifelhaft, daß sie ihren Beruf auch da zu üben hat, wo das Daseyn einer zweifelhaften Gesetzaus- legung dazu die Aufforderung giebt. Allein auch wo eine solche Behörde nicht besteht, oder auch außer und neben derselben, könnte das Recht dieser freyer waltenden Aus- legung einem Gerichtshof unbedenklich anvertraut werden, der überhaupt eine ähnliche Stellung wie der Französische Cassationshof einnähme. Dieser würde dann einen ähnli- chen Einfluß ausüben, und für die Rechtspflege ähnliche Vortheile darbieten, wie im alten Rom der Prätor und die Juristen, so daß ihm diejenige ausdehnende und ein- schränkende Auslegung besonders verliehen wäre, welche oben als ein dem reinen Richteramt nicht zukommendes Verfahren aus dem Gebiete wahrer Auslegung verwiesen werden mußte. Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze. haft ſeyn kann (§ 37), ſo iſt es wünſchenswerth, daß ir-gend eine hoch ſtehende Gewalt vorhanden ſey, in welcher beide Befugniſſe vereinigt angetroffen werden, und deren Thätigkeit daher durch die Zweifel über jene Gränze nicht gehemmt ſeyn möge. Beſteht eine zur Fortbildung des Rechts überhaupt angeordnete Behörde (§ 31), ſo iſt es ohnehin unzweifelhaft, daß ſie ihren Beruf auch da zu üben hat, wo das Daſeyn einer zweifelhaften Geſetzaus- legung dazu die Aufforderung giebt. Allein auch wo eine ſolche Behörde nicht beſteht, oder auch außer und neben derſelben, könnte das Recht dieſer freyer waltenden Aus- legung einem Gerichtshof unbedenklich anvertraut werden, der überhaupt eine ähnliche Stellung wie der Franzöſiſche Caſſationshof einnähme. Dieſer würde dann einen ähnli- chen Einfluß ausüben, und für die Rechtspflege ähnliche Vortheile darbieten, wie im alten Rom der Prätor und die Juriſten, ſo daß ihm diejenige ausdehnende und ein- ſchränkende Auslegung beſonders verliehen wäre, welche oben als ein dem reinen Richteramt nicht zukommendes Verfahren aus dem Gebiete wahrer Auslegung verwieſen werden mußte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0386" n="330"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Auslegung der Geſetze.</fw><lb/> haft ſeyn kann (§ 37), ſo iſt es wünſchenswerth, daß ir-<lb/> gend eine hoch ſtehende Gewalt vorhanden ſey, in welcher<lb/> beide Befugniſſe vereinigt angetroffen werden, und deren<lb/> Thätigkeit daher durch die Zweifel über jene Gränze nicht<lb/> gehemmt ſeyn möge. Beſteht eine zur Fortbildung des<lb/> Rechts überhaupt angeordnete Behörde (§ 31), ſo iſt es<lb/> ohnehin unzweifelhaft, daß ſie ihren Beruf auch da zu<lb/> üben hat, wo das Daſeyn einer zweifelhaften Geſetzaus-<lb/> legung dazu die Aufforderung giebt. Allein auch wo eine<lb/> ſolche Behörde nicht beſteht, oder auch außer und neben<lb/> derſelben, könnte das Recht dieſer freyer waltenden Aus-<lb/> legung einem Gerichtshof unbedenklich anvertraut werden,<lb/> der überhaupt eine ähnliche Stellung wie der Franzöſiſche<lb/> Caſſationshof einnähme. Dieſer würde dann einen ähnli-<lb/> chen Einfluß ausüben, und für die Rechtspflege ähnliche<lb/> Vortheile darbieten, wie im alten Rom der Prätor und<lb/> die Juriſten, ſo daß ihm diejenige ausdehnende und ein-<lb/> ſchränkende Auslegung beſonders verliehen wäre, welche<lb/> oben als ein dem reinen Richteramt nicht zukommendes<lb/> Verfahren aus dem Gebiete wahrer Auslegung verwieſen<lb/> werden mußte.</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [330/0386]
Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze.
haft ſeyn kann (§ 37), ſo iſt es wünſchenswerth, daß ir-
gend eine hoch ſtehende Gewalt vorhanden ſey, in welcher
beide Befugniſſe vereinigt angetroffen werden, und deren
Thätigkeit daher durch die Zweifel über jene Gränze nicht
gehemmt ſeyn möge. Beſteht eine zur Fortbildung des
Rechts überhaupt angeordnete Behörde (§ 31), ſo iſt es
ohnehin unzweifelhaft, daß ſie ihren Beruf auch da zu
üben hat, wo das Daſeyn einer zweifelhaften Geſetzaus-
legung dazu die Aufforderung giebt. Allein auch wo eine
ſolche Behörde nicht beſteht, oder auch außer und neben
derſelben, könnte das Recht dieſer freyer waltenden Aus-
legung einem Gerichtshof unbedenklich anvertraut werden,
der überhaupt eine ähnliche Stellung wie der Franzöſiſche
Caſſationshof einnähme. Dieſer würde dann einen ähnli-
chen Einfluß ausüben, und für die Rechtspflege ähnliche
Vortheile darbieten, wie im alten Rom der Prätor und
die Juriſten, ſo daß ihm diejenige ausdehnende und ein-
ſchränkende Auslegung beſonders verliehen wäre, welche
oben als ein dem reinen Richteramt nicht zukommendes
Verfahren aus dem Gebiete wahrer Auslegung verwieſen
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