Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.§ 49. Praktischer Werth der Römischen Aussprüche. Aushülfe eines authentisch erklärenden Gesetzes (b); einsolches zu bewirken hat kein Richter die Macht, bis zu seiner Erscheinung mit dem Urtheil zu warten hat er nicht das Recht, vor Allem aber wäre es nicht das was Justinian will, sondern etwas ganz Anderes. Eben so täusche man sich nicht durch die Verweisung auf eine Ge- setzcommission oder auf ein Justizministerium, welche aller- dings in manchen Staaten solche Belehrungen zu ertheilen pflegen (c); denn auch dieses ist etwas ganz Anderes, und daß es bey Justinian mit der persönlichen Einwirkung des Kaisers auf die Auslegung wahrer Ernst war, geht aus dem, was wir von seiner Person wissen, deutlich genug hervor. Glauben wir aber einmal, uns über Justinians wirkliche Vorschrift durch irgend ein Surrogat wegsetzen zu dürfen, warum wollten wir dann auf halbem Wege stehen bleiben, und nicht lieber unsere natürliche Freyheit der Auslegung geltend machen? Das Gefühl dieses Nothstandes war es, was die oben (b) Thibaut Abhandlungen S. 102. Vgl. dagegen Löhr, Magazin III. S. 208, der nur mit Unrecht daran Anstoß nimmt, daß die authentische Auslegung dann eine rückwirkende Kraft er- halten müßte. Diese hat sie aber jederzeit ohnehin, wie unten ge- zeigt werden wird. Vgl. einst- weilen Nov. 143 pr. (c) Eine solche, mit bindender
Kraft interpretirende, Gesetzcom- mission bestand vormals im Preu- ßischen Staate, ist aber später- hin aufgehoben worden. Vergl. unten § 51 Note c. Hier ist jedoch von Ländern des gemei- nen Rechts die Rede. § 49. Praktiſcher Werth der Römiſchen Ausſprüche. Aushülfe eines authentiſch erklärenden Geſetzes (b); einſolches zu bewirken hat kein Richter die Macht, bis zu ſeiner Erſcheinung mit dem Urtheil zu warten hat er nicht das Recht, vor Allem aber wäre es nicht das was Juſtinian will, ſondern etwas ganz Anderes. Eben ſo täuſche man ſich nicht durch die Verweiſung auf eine Ge- ſetzcommiſſion oder auf ein Juſtizminiſterium, welche aller- dings in manchen Staaten ſolche Belehrungen zu ertheilen pflegen (c); denn auch dieſes iſt etwas ganz Anderes, und daß es bey Juſtinian mit der perſönlichen Einwirkung des Kaiſers auf die Auslegung wahrer Ernſt war, geht aus dem, was wir von ſeiner Perſon wiſſen, deutlich genug hervor. Glauben wir aber einmal, uns über Juſtinians wirkliche Vorſchrift durch irgend ein Surrogat wegſetzen zu dürfen, warum wollten wir dann auf halbem Wege ſtehen bleiben, und nicht lieber unſere natürliche Freyheit der Auslegung geltend machen? Das Gefühl dieſes Nothſtandes war es, was die oben (b) Thibaut Abhandlungen S. 102. Vgl. dagegen Löhr, Magazin III. S. 208, der nur mit Unrecht daran Anſtoß nimmt, daß die authentiſche Auslegung dann eine rückwirkende Kraft er- halten müßte. Dieſe hat ſie aber jederzeit ohnehin, wie unten ge- zeigt werden wird. Vgl. einſt- weilen Nov. 143 pr. (c) Eine ſolche, mit bindender
Kraft interpretirende, Geſetzcom- miſſion beſtand vormals im Preu- ßiſchen Staate, iſt aber ſpäter- hin aufgehoben worden. Vergl. unten § 51 Note c. Hier iſt jedoch von Ländern des gemei- nen Rechts die Rede. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0371" n="315"/><fw place="top" type="header">§ 49. Praktiſcher Werth der Römiſchen Ausſprüche.</fw><lb/> Aushülfe eines authentiſch erklärenden Geſetzes <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#g">Thibaut</hi> Abhandlungen<lb/> S. 102. Vgl. dagegen <hi rendition="#g">Löhr</hi>,<lb/> Magazin <hi rendition="#aq">III.</hi> S. 208, der nur<lb/> mit Unrecht daran Anſtoß nimmt,<lb/> daß die authentiſche Auslegung<lb/> dann eine rückwirkende Kraft er-<lb/> halten müßte. Dieſe hat ſie aber<lb/> jederzeit ohnehin, wie unten ge-<lb/> zeigt werden wird. Vgl. einſt-<lb/> weilen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Nov.</hi> 143 <hi rendition="#i">pr.</hi></hi></note>; ein<lb/> ſolches zu bewirken hat kein Richter die Macht, bis zu<lb/> ſeiner Erſcheinung mit dem Urtheil zu warten hat er<lb/> nicht das Recht, vor Allem aber wäre es nicht das was<lb/> Juſtinian will, ſondern etwas ganz Anderes. Eben ſo<lb/> täuſche man ſich nicht durch die Verweiſung auf eine Ge-<lb/> ſetzcommiſſion oder auf ein Juſtizminiſterium, welche aller-<lb/> dings in manchen Staaten ſolche Belehrungen zu ertheilen<lb/> pflegen <note place="foot" n="(c)">Eine ſolche, mit bindender<lb/> Kraft interpretirende, Geſetzcom-<lb/> miſſion beſtand vormals im Preu-<lb/> ßiſchen Staate, iſt aber ſpäter-<lb/> hin aufgehoben worden. Vergl.<lb/><choice><sic>uuten</sic><corr>unten</corr></choice> § 51 Note <hi rendition="#aq">c.</hi> Hier iſt<lb/> jedoch von Ländern des gemei-<lb/> nen Rechts die Rede.</note>; denn auch dieſes iſt etwas ganz Anderes, und<lb/> daß es bey Juſtinian mit der perſönlichen Einwirkung des<lb/> Kaiſers auf die Auslegung wahrer Ernſt war, geht aus<lb/> dem, was wir von ſeiner Perſon wiſſen, deutlich genug<lb/> hervor. Glauben wir aber einmal, uns über Juſtinians<lb/> wirkliche Vorſchrift durch irgend ein Surrogat wegſetzen<lb/> zu dürfen, warum wollten wir dann auf halbem Wege<lb/> ſtehen bleiben, und nicht lieber unſere natürliche Freyheit<lb/> der Auslegung geltend machen?</p><lb/> <p>Das Gefühl dieſes Nothſtandes war es, was die oben<lb/> (§ 48) angegebene höchſt gewaltſame Erklärung von Ju-<lb/> ſtinians Verordnungen veranlaßte; allein eine Rechtferti-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [315/0371]
§ 49. Praktiſcher Werth der Römiſchen Ausſprüche.
Aushülfe eines authentiſch erklärenden Geſetzes (b); ein
ſolches zu bewirken hat kein Richter die Macht, bis zu
ſeiner Erſcheinung mit dem Urtheil zu warten hat er
nicht das Recht, vor Allem aber wäre es nicht das was
Juſtinian will, ſondern etwas ganz Anderes. Eben ſo
täuſche man ſich nicht durch die Verweiſung auf eine Ge-
ſetzcommiſſion oder auf ein Juſtizminiſterium, welche aller-
dings in manchen Staaten ſolche Belehrungen zu ertheilen
pflegen (c); denn auch dieſes iſt etwas ganz Anderes, und
daß es bey Juſtinian mit der perſönlichen Einwirkung des
Kaiſers auf die Auslegung wahrer Ernſt war, geht aus
dem, was wir von ſeiner Perſon wiſſen, deutlich genug
hervor. Glauben wir aber einmal, uns über Juſtinians
wirkliche Vorſchrift durch irgend ein Surrogat wegſetzen
zu dürfen, warum wollten wir dann auf halbem Wege
ſtehen bleiben, und nicht lieber unſere natürliche Freyheit
der Auslegung geltend machen?
Das Gefühl dieſes Nothſtandes war es, was die oben
(§ 48) angegebene höchſt gewaltſame Erklärung von Ju-
ſtinians Verordnungen veranlaßte; allein eine Rechtferti-
(b) Thibaut Abhandlungen
S. 102. Vgl. dagegen Löhr,
Magazin III. S. 208, der nur
mit Unrecht daran Anſtoß nimmt,
daß die authentiſche Auslegung
dann eine rückwirkende Kraft er-
halten müßte. Dieſe hat ſie aber
jederzeit ohnehin, wie unten ge-
zeigt werden wird. Vgl. einſt-
weilen Nov. 143 pr.
(c) Eine ſolche, mit bindender
Kraft interpretirende, Geſetzcom-
miſſion beſtand vormals im Preu-
ßiſchen Staate, iſt aber ſpäter-
hin aufgehoben worden. Vergl.
unten § 51 Note c. Hier iſt
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