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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 40. Justinianische Gesetze. Einzelne Stellen für sich.
aber ist uns zu dieser Auslegung das reichste Material
gegeben durch die Vergleichung, nicht nur mit allen an-
deren Stellen der Justinianischen Gesetzgebung, sondern
auch mit den gesammten früheren und späteren Rechts-
quellen; denn durch die oben festgestellten Gränzen des
aufgenommenen Canons (§ 17) kann uns der wissenschaft-
liche Gebrauch jenes reichen Schatzes auf keine Weise
beschränkt werden.

Ferner ist in dieser Beziehung wichtig die große Ver-
schiedenheit jener Bestandtheile, nach welcher wir zwey
Klassen derselben annehmen können. Die erste und zahl-
reichste Klasse umfaßt die ganzen Digesten, und im Codex
die Rescripte. Diese sind, ihrer Hauptbestimmung nach,
Zeugnisse für das damals bestehende Recht, sie haben
insoferne einen wissenschaftlichen Character, und das syste-
matische Element der Auslegung ist in ihnen vorherrschend
(§ 33). Jedoch muß hier gegen einen zweyfachen Mis-
brauch gewarnt werden, der von der Anerkennung dieses
Characters gemacht werden könnte. Zuerst nämlich haben
sich die Rescripte keinesweges strenge in diesen Gränzen
gehalten, vielmehr ist in einem nicht unbedeutenden Um-
fang auch die Fortbildung des Rechts durch sie bewirkt
worden (§ 24); ja auch den wissenschaftlichen Arbeiten

da ist es aber auch auf Stellen
des Codex anzuwenden, wenn
mehrere derselben ursprünglich
nur Eine Constitution gebildet
haben (Coassation). Dieser Fall
kommt häufiger im Theodosischen
Codex vor, doch ist er auch dem
Justinianischen nicht fremd. Als
Beyspiel kann dienen L. 5 C. de
act. emti
(4. 49.) verbunden mit
L. 3 C. in quib. causis (2. 41).

§. 40. Juſtinianiſche Geſetze. Einzelne Stellen für ſich.
aber iſt uns zu dieſer Auslegung das reichſte Material
gegeben durch die Vergleichung, nicht nur mit allen an-
deren Stellen der Juſtinianiſchen Geſetzgebung, ſondern
auch mit den geſammten früheren und ſpäteren Rechts-
quellen; denn durch die oben feſtgeſtellten Gränzen des
aufgenommenen Canons (§ 17) kann uns der wiſſenſchaft-
liche Gebrauch jenes reichen Schatzes auf keine Weiſe
beſchränkt werden.

Ferner iſt in dieſer Beziehung wichtig die große Ver-
ſchiedenheit jener Beſtandtheile, nach welcher wir zwey
Klaſſen derſelben annehmen können. Die erſte und zahl-
reichſte Klaſſe umfaßt die ganzen Digeſten, und im Codex
die Reſcripte. Dieſe ſind, ihrer Hauptbeſtimmung nach,
Zeugniſſe für das damals beſtehende Recht, ſie haben
inſoferne einen wiſſenſchaftlichen Character, und das ſyſte-
matiſche Element der Auslegung iſt in ihnen vorherrſchend
(§ 33). Jedoch muß hier gegen einen zweyfachen Mis-
brauch gewarnt werden, der von der Anerkennung dieſes
Characters gemacht werden könnte. Zuerſt nämlich haben
ſich die Reſcripte keinesweges ſtrenge in dieſen Gränzen
gehalten, vielmehr iſt in einem nicht unbedeutenden Um-
fang auch die Fortbildung des Rechts durch ſie bewirkt
worden (§ 24); ja auch den wiſſenſchaftlichen Arbeiten

da iſt es aber auch auf Stellen
des Codex anzuwenden, wenn
mehrere derſelben urſprünglich
nur Eine Conſtitution gebildet
haben (Coaſſation). Dieſer Fall
kommt häufiger im Theodoſiſchen
Codex vor, doch iſt er auch dem
Juſtinianiſchen nicht fremd. Als
Beyſpiel kann dienen L. 5 C. de
act. emti
(4. 49.) verbunden mit
L. 3 C. in quib. causis (2. 41).
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[253/0309] §. 40. Juſtinianiſche Geſetze. Einzelne Stellen für ſich. aber iſt uns zu dieſer Auslegung das reichſte Material gegeben durch die Vergleichung, nicht nur mit allen an- deren Stellen der Juſtinianiſchen Geſetzgebung, ſondern auch mit den geſammten früheren und ſpäteren Rechts- quellen; denn durch die oben feſtgeſtellten Gränzen des aufgenommenen Canons (§ 17) kann uns der wiſſenſchaft- liche Gebrauch jenes reichen Schatzes auf keine Weiſe beſchränkt werden. Ferner iſt in dieſer Beziehung wichtig die große Ver- ſchiedenheit jener Beſtandtheile, nach welcher wir zwey Klaſſen derſelben annehmen können. Die erſte und zahl- reichſte Klaſſe umfaßt die ganzen Digeſten, und im Codex die Reſcripte. Dieſe ſind, ihrer Hauptbeſtimmung nach, Zeugniſſe für das damals beſtehende Recht, ſie haben inſoferne einen wiſſenſchaftlichen Character, und das ſyſte- matiſche Element der Auslegung iſt in ihnen vorherrſchend (§ 33). Jedoch muß hier gegen einen zweyfachen Mis- brauch gewarnt werden, der von der Anerkennung dieſes Characters gemacht werden könnte. Zuerſt nämlich haben ſich die Reſcripte keinesweges ſtrenge in dieſen Gränzen gehalten, vielmehr iſt in einem nicht unbedeutenden Um- fang auch die Fortbildung des Rechts durch ſie bewirkt worden (§ 24); ja auch den wiſſenſchaftlichen Arbeiten (a) (a) da iſt es aber auch auf Stellen des Codex anzuwenden, wenn mehrere derſelben urſprünglich nur Eine Conſtitution gebildet haben (Coaſſation). Dieſer Fall kommt häufiger im Theodoſiſchen Codex vor, doch iſt er auch dem Juſtinianiſchen nicht fremd. Als Beyſpiel kann dienen L. 5 C. de act. emti (4. 49.) verbunden mit L. 3 C. in quib. causis (2. 41).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/309>, abgerufen am 21.05.2024.