§. 32. Begriff der Auslegung. Legale und doctrinelle.
wahren Auffassung bleibt, sondern in der That zu einer Umbildung des Gesetzes wird; davon kann jedoch erst weiter unten geredet werden.
Die Auslegung ist eine Kunst, und die Bildung zu derselben wird durch die trefflichen Muster aus alter und neuer Zeit, die wir in reichem Maaße besitzen, geför- dert. Ungleich mangelhafter ist Dasjenige, was bis jetzt als Theorie derselben aufgestellt worden ist. Diese Un- zulänglichkeit der bisherigen Theorie ist eine zufällige: allein es ist wichtig, daß man sich über den Werth einer solchen Theorie überhaupt, auch der besten, nicht täusche. Denn diese Kunst läßt sich eben so wenig, als irgend eine andere, durch Regeln mittheilen oder erwerben. Allein wir können durch die Betrachtung vorzüglicher Muster ergründen, worin die Trefflichkeit derselben liegt; dadurch aber werden wir unsren Sinn schärfen für das, worauf es bey jeder Auslegung ankommt, und unser Streben auf die rechten Punkte richten lernen. Dieses, und die Ver- meidung der mancherley möglichen Abwege, ist es, was wir hier, wie in jeder Kunst, durch die Theorie zu gewin- nen hoffen dürfen.
Auch hier müssen wir wieder auf die wichtige Frage eingehen, ob die Vorschriften des Römischen Rechts über die Auslegung, da wo dieses Recht gilt, bindende Kraft haben. Diese Frage wurde oben (§ 27) für die Fortbil- dung des Rechts selbst, aufgeworfen und verneint; hier betrifft sie das Verhalten der Einzelnen zu den Quellen
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§. 32. Begriff der Auslegung. Legale und doctrinelle.
wahren Auffaſſung bleibt, ſondern in der That zu einer Umbildung des Geſetzes wird; davon kann jedoch erſt weiter unten geredet werden.
Die Auslegung iſt eine Kunſt, und die Bildung zu derſelben wird durch die trefflichen Muſter aus alter und neuer Zeit, die wir in reichem Maaße beſitzen, geför- dert. Ungleich mangelhafter iſt Dasjenige, was bis jetzt als Theorie derſelben aufgeſtellt worden iſt. Dieſe Un- zulänglichkeit der bisherigen Theorie iſt eine zufällige: allein es iſt wichtig, daß man ſich über den Werth einer ſolchen Theorie überhaupt, auch der beſten, nicht täuſche. Denn dieſe Kunſt läßt ſich eben ſo wenig, als irgend eine andere, durch Regeln mittheilen oder erwerben. Allein wir können durch die Betrachtung vorzüglicher Muſter ergründen, worin die Trefflichkeit derſelben liegt; dadurch aber werden wir unſren Sinn ſchärfen für das, worauf es bey jeder Auslegung ankommt, und unſer Streben auf die rechten Punkte richten lernen. Dieſes, und die Ver- meidung der mancherley möglichen Abwege, iſt es, was wir hier, wie in jeder Kunſt, durch die Theorie zu gewin- nen hoffen dürfen.
Auch hier müſſen wir wieder auf die wichtige Frage eingehen, ob die Vorſchriften des Römiſchen Rechts über die Auslegung, da wo dieſes Recht gilt, bindende Kraft haben. Dieſe Frage wurde oben (§ 27) für die Fortbil- dung des Rechts ſelbſt, aufgeworfen und verneint; hier betrifft ſie das Verhalten der Einzelnen zu den Quellen
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§. 32. Begriff der Auslegung. Legale und doctrinelle.
wahren Auffaſſung bleibt, ſondern in der That zu einer
Umbildung des Geſetzes wird; davon kann jedoch erſt
weiter unten geredet werden.
Die Auslegung iſt eine Kunſt, und die Bildung zu
derſelben wird durch die trefflichen Muſter aus alter
und neuer Zeit, die wir in reichem Maaße beſitzen, geför-
dert. Ungleich mangelhafter iſt Dasjenige, was bis jetzt
als Theorie derſelben aufgeſtellt worden iſt. Dieſe Un-
zulänglichkeit der bisherigen Theorie iſt eine zufällige:
allein es iſt wichtig, daß man ſich über den Werth einer
ſolchen Theorie überhaupt, auch der beſten, nicht täuſche.
Denn dieſe Kunſt läßt ſich eben ſo wenig, als irgend eine
andere, durch Regeln mittheilen oder erwerben. Allein
wir können durch die Betrachtung vorzüglicher Muſter
ergründen, worin die Trefflichkeit derſelben liegt; dadurch
aber werden wir unſren Sinn ſchärfen für das, worauf
es bey jeder Auslegung ankommt, und unſer Streben auf
die rechten Punkte richten lernen. Dieſes, und die Ver-
meidung der mancherley möglichen Abwege, iſt es, was
wir hier, wie in jeder Kunſt, durch die Theorie zu gewin-
nen hoffen dürfen.
Auch hier müſſen wir wieder auf die wichtige Frage
eingehen, ob die Vorſchriften des Römiſchen Rechts über
die Auslegung, da wo dieſes Recht gilt, bindende Kraft
haben. Dieſe Frage wurde oben (§ 27) für die Fortbil-
dung des Rechts ſelbſt, aufgeworfen und verneint; hier
betrifft ſie das Verhalten der Einzelnen zu den Quellen
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/267>, abgerufen am 23.11.2024.
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