Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
unsren Tagen solche Sammlungen veranstaltet, so wird
darüber ohnehin nicht leicht ein Zweifel entstehen können,
weil die Sammlungen selbst meist eine gesetzliche Bestäti-
gung erhalten werden.

Was endlich die Wirkungen des Gewohnheitsrechts
betrifft, so mußte dasselbe im Allgemeinen wohl den Ge-
setzen gleich gestellt werden, da diese Gleichheit im Rö-
mischen Recht, das man hierin als Norm anerkannte,
ganz ausdrücklich vorgeschrieben war. In jedem einzelnen
Fall eines Gewohnheitsrechts aber konnte sich diese Wir-
kung auf zweyerley Weise äußern, je nachdem für die-
selbe Rechtsfrage auch schon ein Gesetz vorhanden war,
oder nicht. Im letzten Fall entstand keine Schwierigkeit,
indem nun das Gewohnheitsrecht unstreitig in diesem
Punkt die unvollständige Gesetzgebung ergänzte. Im
ersten Fall (wenn das Gewohnheitsrecht mit einem Gesetz
im Widerstreit stand) führte das Princip der Gleichheit
dahin, jederzeit dem neueren unter diesen beiden Rechten
den Vorzug zu geben, ohne Unterschied, ob es das Gesetz
war oder das Gewohnheitsrecht. Einigen Zweifel hieran
erregte allerdings die L. 2 C. quae sit longa consu. Den-
noch haben stets die Meisten dem Gewohnheitsrecht die
Kraft der Abänderung früherer Gesetze eingeräumt, und
nur für gewisse Fälle, wegen jener Stelle des Codex,
eine Ausnahme behauptet (m). -- In neuerer Zeit aber
ist von Mehreren folgender Unterschied geltend gemacht

(m) Vgl. die Beylage II.

Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
unſren Tagen ſolche Sammlungen veranſtaltet, ſo wird
darüber ohnehin nicht leicht ein Zweifel entſtehen können,
weil die Sammlungen ſelbſt meiſt eine geſetzliche Beſtäti-
gung erhalten werden.

Was endlich die Wirkungen des Gewohnheitsrechts
betrifft, ſo mußte daſſelbe im Allgemeinen wohl den Ge-
ſetzen gleich geſtellt werden, da dieſe Gleichheit im Rö-
miſchen Recht, das man hierin als Norm anerkannte,
ganz ausdrücklich vorgeſchrieben war. In jedem einzelnen
Fall eines Gewohnheitsrechts aber konnte ſich dieſe Wir-
kung auf zweyerley Weiſe äußern, je nachdem für die-
ſelbe Rechtsfrage auch ſchon ein Geſetz vorhanden war,
oder nicht. Im letzten Fall entſtand keine Schwierigkeit,
indem nun das Gewohnheitsrecht unſtreitig in dieſem
Punkt die unvollſtändige Geſetzgebung ergänzte. Im
erſten Fall (wenn das Gewohnheitsrecht mit einem Geſetz
im Widerſtreit ſtand) führte das Princip der Gleichheit
dahin, jederzeit dem neueren unter dieſen beiden Rechten
den Vorzug zu geben, ohne Unterſchied, ob es das Geſetz
war oder das Gewohnheitsrecht. Einigen Zweifel hieran
erregte allerdings die L. 2 C. quae sit longa consu. Den-
noch haben ſtets die Meiſten dem Gewohnheitsrecht die
Kraft der Abänderung früherer Geſetze eingeräumt, und
nur für gewiſſe Fälle, wegen jener Stelle des Codex,
eine Ausnahme behauptet (m). — In neuerer Zeit aber
iſt von Mehreren folgender Unterſchied geltend gemacht

(m) Vgl. die Beylage II.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0250" n="194"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Quellen des heutigen R. R.</fw><lb/>
un&#x017F;ren Tagen &#x017F;olche Sammlungen veran&#x017F;taltet, &#x017F;o wird<lb/>
darüber ohnehin nicht leicht ein Zweifel ent&#x017F;tehen können,<lb/>
weil die Sammlungen &#x017F;elb&#x017F;t mei&#x017F;t eine ge&#x017F;etzliche Be&#x017F;täti-<lb/>
gung erhalten werden.</p><lb/>
            <p>Was endlich die <hi rendition="#g">Wirkungen</hi> des Gewohnheitsrechts<lb/>
betrifft, &#x017F;o mußte da&#x017F;&#x017F;elbe im Allgemeinen wohl den Ge-<lb/>
&#x017F;etzen gleich ge&#x017F;tellt werden, da die&#x017F;e Gleichheit im Rö-<lb/>
mi&#x017F;chen Recht, das man hierin als Norm anerkannte,<lb/>
ganz ausdrücklich vorge&#x017F;chrieben war. In jedem einzelnen<lb/>
Fall eines Gewohnheitsrechts aber konnte &#x017F;ich die&#x017F;e Wir-<lb/>
kung auf zweyerley Wei&#x017F;e äußern, je nachdem für die-<lb/>
&#x017F;elbe Rechtsfrage auch &#x017F;chon ein Ge&#x017F;etz vorhanden war,<lb/>
oder nicht. Im letzten Fall ent&#x017F;tand keine Schwierigkeit,<lb/>
indem nun das Gewohnheitsrecht un&#x017F;treitig in die&#x017F;em<lb/>
Punkt die unvoll&#x017F;tändige Ge&#x017F;etzgebung ergänzte. Im<lb/>
er&#x017F;ten Fall (wenn das Gewohnheitsrecht mit einem Ge&#x017F;etz<lb/>
im Wider&#x017F;treit &#x017F;tand) führte das Princip der Gleichheit<lb/>
dahin, jederzeit dem neueren unter die&#x017F;en beiden Rechten<lb/>
den Vorzug zu geben, ohne Unter&#x017F;chied, ob es das Ge&#x017F;etz<lb/>
war oder das Gewohnheitsrecht. Einigen Zweifel hieran<lb/>
erregte allerdings die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">L. 2 C.</hi> quae sit longa consu.</hi> Den-<lb/>
noch haben &#x017F;tets die Mei&#x017F;ten dem Gewohnheitsrecht die<lb/>
Kraft der Abänderung früherer Ge&#x017F;etze eingeräumt, und<lb/>
nur für gewi&#x017F;&#x017F;e Fälle, wegen jener Stelle des Codex,<lb/>
eine Ausnahme behauptet <note place="foot" n="(m)">Vgl. die Beylage <hi rendition="#aq">II.</hi></note>. &#x2014; In neuerer Zeit aber<lb/>
i&#x017F;t von Mehreren folgender Unter&#x017F;chied geltend gemacht<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0250] Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. unſren Tagen ſolche Sammlungen veranſtaltet, ſo wird darüber ohnehin nicht leicht ein Zweifel entſtehen können, weil die Sammlungen ſelbſt meiſt eine geſetzliche Beſtäti- gung erhalten werden. Was endlich die Wirkungen des Gewohnheitsrechts betrifft, ſo mußte daſſelbe im Allgemeinen wohl den Ge- ſetzen gleich geſtellt werden, da dieſe Gleichheit im Rö- miſchen Recht, das man hierin als Norm anerkannte, ganz ausdrücklich vorgeſchrieben war. In jedem einzelnen Fall eines Gewohnheitsrechts aber konnte ſich dieſe Wir- kung auf zweyerley Weiſe äußern, je nachdem für die- ſelbe Rechtsfrage auch ſchon ein Geſetz vorhanden war, oder nicht. Im letzten Fall entſtand keine Schwierigkeit, indem nun das Gewohnheitsrecht unſtreitig in dieſem Punkt die unvollſtändige Geſetzgebung ergänzte. Im erſten Fall (wenn das Gewohnheitsrecht mit einem Geſetz im Widerſtreit ſtand) führte das Princip der Gleichheit dahin, jederzeit dem neueren unter dieſen beiden Rechten den Vorzug zu geben, ohne Unterſchied, ob es das Geſetz war oder das Gewohnheitsrecht. Einigen Zweifel hieran erregte allerdings die L. 2 C. quae sit longa consu. Den- noch haben ſtets die Meiſten dem Gewohnheitsrecht die Kraft der Abänderung früherer Geſetze eingeräumt, und nur für gewiſſe Fälle, wegen jener Stelle des Codex, eine Ausnahme behauptet (m). — In neuerer Zeit aber iſt von Mehreren folgender Unterſchied geltend gemacht (m) Vgl. die Beylage II.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/250
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/250>, abgerufen am 24.11.2024.