§. 30. Ansichten der Neueren von den Rechtsquellen. Fortsetzung.
sischen Coutumes. Allerdings findet sich in diesen ver- schiedenartigen Sammlungen nicht selten gesetzliches Recht zur Ergänzung eingemischt; ganz besonders aber haben sie später in ähnlicher Art wie eigentliche Gesetze gewirkt, so daß darüber ihre ursprüngliche Bestimmung, als auf- gezeichnetes Gewohnheitsrecht zu gelten, großentheils in Vergessenheit gerathen ist.
Es wäre zu wünschen, daß in dem Geist dieser Samm- lungen früherer Zeit auch noch jetzt für die Verbreitung und Erhaltung des bestehenden Gewohnheitsrechts gesorgt würde. Dieses ist die wahre Aufgabe der sogenannten Provinzialgesetzbücher, die sich von allgemeinen Gesetzbü- chern besonders dadurch unterscheiden, daß sie nicht, wie diese, über das ganze Rechtssystem Rede zu stehen haben, sondern nur über solche Gegenstände, worüber die Ver- fasser gerade jetzt Etwas wissen, so daß sie den Stoff mit ihrem Denken völlig beherrschen. Bedenklich aber ist es, eine solche Arbeit als etwas Augenblickliches, Abgeschlosse- nes zu behandeln, so wie ein gewöhnliches Geschäft, das jetzt fertig werden muß; besser, wenn sie als etwas all- mälig Fortschreitendes, in sich Wachsendes, mit höheren Gerichten in Verbindung gebracht wird. Aller Erfolg beruht dabey auf der rechten Auswahl der Arbeiter, in welchen zwey mögliche Einseitigkeiten verderblich werden können: die Vorliebe für die Centralisation und Unifor- mität des Rechts, wodurch allerdings die Bequemlichkeit der Richter, und die Aufsicht auf die Geschäftsmaschine
§. 30. Anſichten der Neueren von den Rechtsquellen. Fortſetzung.
ſiſchen Coutumes. Allerdings findet ſich in dieſen ver- ſchiedenartigen Sammlungen nicht ſelten geſetzliches Recht zur Ergänzung eingemiſcht; ganz beſonders aber haben ſie ſpäter in ähnlicher Art wie eigentliche Geſetze gewirkt, ſo daß darüber ihre urſprüngliche Beſtimmung, als auf- gezeichnetes Gewohnheitsrecht zu gelten, großentheils in Vergeſſenheit gerathen iſt.
Es wäre zu wünſchen, daß in dem Geiſt dieſer Samm- lungen früherer Zeit auch noch jetzt für die Verbreitung und Erhaltung des beſtehenden Gewohnheitsrechts geſorgt würde. Dieſes iſt die wahre Aufgabe der ſogenannten Provinzialgeſetzbücher, die ſich von allgemeinen Geſetzbü- chern beſonders dadurch unterſcheiden, daß ſie nicht, wie dieſe, über das ganze Rechtsſyſtem Rede zu ſtehen haben, ſondern nur über ſolche Gegenſtände, worüber die Ver- faſſer gerade jetzt Etwas wiſſen, ſo daß ſie den Stoff mit ihrem Denken völlig beherrſchen. Bedenklich aber iſt es, eine ſolche Arbeit als etwas Augenblickliches, Abgeſchloſſe- nes zu behandeln, ſo wie ein gewöhnliches Geſchäft, das jetzt fertig werden muß; beſſer, wenn ſie als etwas all- mälig Fortſchreitendes, in ſich Wachſendes, mit höheren Gerichten in Verbindung gebracht wird. Aller Erfolg beruht dabey auf der rechten Auswahl der Arbeiter, in welchen zwey mögliche Einſeitigkeiten verderblich werden können: die Vorliebe für die Centraliſation und Unifor- mität des Rechts, wodurch allerdings die Bequemlichkeit der Richter, und die Aufſicht auf die Geſchäftsmaſchine
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§. 30. Anſichten der Neueren von den Rechtsquellen. Fortſetzung.
ſiſchen Coutumes. Allerdings findet ſich in dieſen ver-
ſchiedenartigen Sammlungen nicht ſelten geſetzliches Recht
zur Ergänzung eingemiſcht; ganz beſonders aber haben
ſie ſpäter in ähnlicher Art wie eigentliche Geſetze gewirkt,
ſo daß darüber ihre urſprüngliche Beſtimmung, als auf-
gezeichnetes Gewohnheitsrecht zu gelten, großentheils in
Vergeſſenheit gerathen iſt.
Es wäre zu wünſchen, daß in dem Geiſt dieſer Samm-
lungen früherer Zeit auch noch jetzt für die Verbreitung
und Erhaltung des beſtehenden Gewohnheitsrechts geſorgt
würde. Dieſes iſt die wahre Aufgabe der ſogenannten
Provinzialgeſetzbücher, die ſich von allgemeinen Geſetzbü-
chern beſonders dadurch unterſcheiden, daß ſie nicht, wie
dieſe, über das ganze Rechtsſyſtem Rede zu ſtehen haben,
ſondern nur über ſolche Gegenſtände, worüber die Ver-
faſſer gerade jetzt Etwas wiſſen, ſo daß ſie den Stoff mit
ihrem Denken völlig beherrſchen. Bedenklich aber iſt es,
eine ſolche Arbeit als etwas Augenblickliches, Abgeſchloſſe-
nes zu behandeln, ſo wie ein gewöhnliches Geſchäft, das
jetzt fertig werden muß; beſſer, wenn ſie als etwas all-
mälig Fortſchreitendes, in ſich Wachſendes, mit höheren
Gerichten in Verbindung gebracht wird. Aller Erfolg
beruht dabey auf der rechten Auswahl der Arbeiter, in
welchen zwey mögliche Einſeitigkeiten verderblich werden
können: die Vorliebe für die Centraliſation und Unifor-
mität des Rechts, wodurch allerdings die Bequemlichkeit
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/241>, abgerufen am 16.02.2025.
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