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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.

3. Die von ihnen angewendete Regel ist oft schon in
dem bisherigen Recht vollständig enthalten, so daß der
Kaiser in derselben Weise, wie ein respondirender Jurist,
thätig ist; oft aber wird in dem Rescript das bisherige
Recht durch freye Interpretation fortgebildet. Dieses ge-
schieht besonders da, wo polizeyliche oder staatswirth-
schaftliche Rücksichten die neue Regel bestimmen, und wo
kein Recht einer andern Person dadurch gefährdet wird (l).

Die Wirksamkeit der Rescripte läßt sich in folgenden
Regeln zusammenfassen: 1) Sie sollten Gesetzeskraft haben
für den einzelnen Fall, worin sie erlassen waren. 2) Für
jeden andern Fall sollten sie diese Gesetzeskraft nicht haben.
3) Dagegen wirkten sie auch auf andere Fälle mit der
Kraft einer großen Autorität.

Die Gesetzeskraft für den einzelnen Fall folgt daraus,
daß ihnen dieselbe in den Digesten und Institutionen im
Allgemeinen beygelegt (§ 23), im Codex aber für jeden ande-
ren Fall, als für welchen sie erlassen waren, abgesprochen
wird, so daß die Anwendbarkeit der Gesetzeskraft gerade

tium constitutionis generale
est."
-- Die in diesen Stellen
angeführten Rescripte beziehen
sich auf einzelne Rechtsfälle, und
unterscheiden sich dadurch von
den in der Note d. angeführten
Generalrescripten. Der Ausdruck
generale rescriptum soll aber
doch auf der andern Seite hier
mehr bedeuten, als blos den Ge-
gensatz gegen personalis consti-
tutio
(Note c).
(l) Beide Rücksichten zugleich
erklären es, warum vorzüglich
die Lehre von den Excusationen
so sehr durch bloße Rescripte er-
weitert wurde. Fragm. Vatic.
§ 191. 208. 247. -- § 159. 206.
211. 215. 246. -- Besonders merk-
würdig ist § 236, worin die Ab-
sicht einer Neuerung geradezu
ausgesprochen ist: "quo rescripto
declaratur ante eos non ha-
buisse immunitatem."
Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.

3. Die von ihnen angewendete Regel iſt oft ſchon in
dem bisherigen Recht vollſtändig enthalten, ſo daß der
Kaiſer in derſelben Weiſe, wie ein reſpondirender Juriſt,
thätig iſt; oft aber wird in dem Reſcript das bisherige
Recht durch freye Interpretation fortgebildet. Dieſes ge-
ſchieht beſonders da, wo polizeyliche oder ſtaatswirth-
ſchaftliche Rückſichten die neue Regel beſtimmen, und wo
kein Recht einer andern Perſon dadurch gefährdet wird (l).

Die Wirkſamkeit der Reſcripte läßt ſich in folgenden
Regeln zuſammenfaſſen: 1) Sie ſollten Geſetzeskraft haben
für den einzelnen Fall, worin ſie erlaſſen waren. 2) Für
jeden andern Fall ſollten ſie dieſe Geſetzeskraft nicht haben.
3) Dagegen wirkten ſie auch auf andere Fälle mit der
Kraft einer großen Autorität.

Die Geſetzeskraft für den einzelnen Fall folgt daraus,
daß ihnen dieſelbe in den Digeſten und Inſtitutionen im
Allgemeinen beygelegt (§ 23), im Codex aber für jeden ande-
ren Fall, als für welchen ſie erlaſſen waren, abgeſprochen
wird, ſo daß die Anwendbarkeit der Geſetzeskraft gerade

tium constitutionis generale
est.”
— Die in dieſen Stellen
angeführten Reſcripte beziehen
ſich auf einzelne Rechtsfälle, und
unterſcheiden ſich dadurch von
den in der Note d. angeführten
Generalreſcripten. Der Ausdruck
generale rescriptum ſoll aber
doch auf der andern Seite hier
mehr bedeuten, als blos den Ge-
genſatz gegen personalis consti-
tutio
(Note c).
(l) Beide Rückſichten zugleich
erklären es, warum vorzüglich
die Lehre von den Excuſationen
ſo ſehr durch bloße Reſcripte er-
weitert wurde. Fragm. Vatic.
§ 191. 208. 247. — § 159. 206.
211. 215. 246. — Beſonders merk-
würdig iſt § 236, worin die Ab-
ſicht einer Neuerung geradezu
ausgeſprochen iſt: „quo rescripto
declaratur ante eos non ha-
buisse immunitatem.”
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[134/0190] Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. 3. Die von ihnen angewendete Regel iſt oft ſchon in dem bisherigen Recht vollſtändig enthalten, ſo daß der Kaiſer in derſelben Weiſe, wie ein reſpondirender Juriſt, thätig iſt; oft aber wird in dem Reſcript das bisherige Recht durch freye Interpretation fortgebildet. Dieſes ge- ſchieht beſonders da, wo polizeyliche oder ſtaatswirth- ſchaftliche Rückſichten die neue Regel beſtimmen, und wo kein Recht einer andern Perſon dadurch gefährdet wird (l). Die Wirkſamkeit der Reſcripte läßt ſich in folgenden Regeln zuſammenfaſſen: 1) Sie ſollten Geſetzeskraft haben für den einzelnen Fall, worin ſie erlaſſen waren. 2) Für jeden andern Fall ſollten ſie dieſe Geſetzeskraft nicht haben. 3) Dagegen wirkten ſie auch auf andere Fälle mit der Kraft einer großen Autorität. Die Geſetzeskraft für den einzelnen Fall folgt daraus, daß ihnen dieſelbe in den Digeſten und Inſtitutionen im Allgemeinen beygelegt (§ 23), im Codex aber für jeden ande- ren Fall, als für welchen ſie erlaſſen waren, abgeſprochen wird, ſo daß die Anwendbarkeit der Geſetzeskraft gerade (k) (l) Beide Rückſichten zugleich erklären es, warum vorzüglich die Lehre von den Excuſationen ſo ſehr durch bloße Reſcripte er- weitert wurde. Fragm. Vatic. § 191. 208. 247. — § 159. 206. 211. 215. 246. — Beſonders merk- würdig iſt § 236, worin die Ab- ſicht einer Neuerung geradezu ausgeſprochen iſt: „quo rescripto declaratur ante eos non ha- buisse immunitatem.” (k) tium constitutionis generale est.” — Die in dieſen Stellen angeführten Reſcripte beziehen ſich auf einzelne Rechtsfälle, und unterſcheiden ſich dadurch von den in der Note d. angeführten Generalreſcripten. Der Ausdruck generale rescriptum ſoll aber doch auf der andern Seite hier mehr bedeuten, als blos den Ge- genſatz gegen personalis consti- tutio (Note c).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/190>, abgerufen am 26.11.2024.