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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 21. Concurrirende Rechtsquellen.
selbst betreffende Gründe den Anstoß gegeben, in Frank-
reich sind dazu noch besondere politische Veranlassun-
gen gekommen: theils die durch die Revolution bewirkte
Erschütterung so vieler Rechtsverhältnisse, theils das Be-
dürfniß, die provinziellen Verschiedenheiten auch von dieser
Seite in Vergessenheit zu bringen. Die inneren, bey allen
diesen Gesetzbüchern wirksamen Gründe waren dieselben,
wodurch auch schon vorher eine große Zahl einzelner Ge-
setze in vielen Ländern veranlaßt worden waren: man
wollte die Schwierigkeiten beseitigen, welche theils durch
den Conflict der Römischen und Germanischen Rechtsin-
stitute, theils durch die unbeholfene Theorie und die oft
schwankende Praxis der letzten Jahrhunderte (§ 19. 20)
entstanden waren. Diese Zwecke konnten wahrhaft nur dann
erreicht werden, wenn eine Reinigung der Rechtswissenschaft
von diesen Mängeln durch eine eindringende kritische Er-
forschung vorherging: da aber diese fehlte, und also die
Abfassung der Gesetzbücher unter dem Einfluß desselben
mangelhaften Zustandes der Rechtswissenschaft unternom-
men wurde, dem man abhelfen wollte, so konnte die Ver-
besserung nur eine äußerliche, zufällige und beschränkte
seyn, während die innere und wesentliche Mangelhaftig-
keit fixirt, und dadurch für die Zukunft die Reinigung
durch die innere Kraft der Wissenschaft verhindert, oder
wenigstens sehr erschwert wurde.

Der große Unterschied dieser Gesetzbücher von allen
bisherigen einzelnen Gesetzen liegt in ihrer umfassenden

§. 21. Concurrirende Rechtsquellen.
ſelbſt betreffende Gründe den Anſtoß gegeben, in Frank-
reich ſind dazu noch beſondere politiſche Veranlaſſun-
gen gekommen: theils die durch die Revolution bewirkte
Erſchütterung ſo vieler Rechtsverhältniſſe, theils das Be-
dürfniß, die provinziellen Verſchiedenheiten auch von dieſer
Seite in Vergeſſenheit zu bringen. Die inneren, bey allen
dieſen Geſetzbüchern wirkſamen Gründe waren dieſelben,
wodurch auch ſchon vorher eine große Zahl einzelner Ge-
ſetze in vielen Ländern veranlaßt worden waren: man
wollte die Schwierigkeiten beſeitigen, welche theils durch
den Conflict der Römiſchen und Germaniſchen Rechtsin-
ſtitute, theils durch die unbeholfene Theorie und die oft
ſchwankende Praxis der letzten Jahrhunderte (§ 19. 20)
entſtanden waren. Dieſe Zwecke konnten wahrhaft nur dann
erreicht werden, wenn eine Reinigung der Rechtswiſſenſchaft
von dieſen Mängeln durch eine eindringende kritiſche Er-
forſchung vorherging: da aber dieſe fehlte, und alſo die
Abfaſſung der Geſetzbücher unter dem Einfluß deſſelben
mangelhaften Zuſtandes der Rechtswiſſenſchaft unternom-
men wurde, dem man abhelfen wollte, ſo konnte die Ver-
beſſerung nur eine äußerliche, zufällige und beſchränkte
ſeyn, während die innere und weſentliche Mangelhaftig-
keit fixirt, und dadurch für die Zukunft die Reinigung
durch die innere Kraft der Wiſſenſchaft verhindert, oder
wenigſtens ſehr erſchwert wurde.

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bisherigen einzelnen Geſetzen liegt in ihrer umfaſſenden

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[103/0159] §. 21. Concurrirende Rechtsquellen. ſelbſt betreffende Gründe den Anſtoß gegeben, in Frank- reich ſind dazu noch beſondere politiſche Veranlaſſun- gen gekommen: theils die durch die Revolution bewirkte Erſchütterung ſo vieler Rechtsverhältniſſe, theils das Be- dürfniß, die provinziellen Verſchiedenheiten auch von dieſer Seite in Vergeſſenheit zu bringen. Die inneren, bey allen dieſen Geſetzbüchern wirkſamen Gründe waren dieſelben, wodurch auch ſchon vorher eine große Zahl einzelner Ge- ſetze in vielen Ländern veranlaßt worden waren: man wollte die Schwierigkeiten beſeitigen, welche theils durch den Conflict der Römiſchen und Germaniſchen Rechtsin- ſtitute, theils durch die unbeholfene Theorie und die oft ſchwankende Praxis der letzten Jahrhunderte (§ 19. 20) entſtanden waren. Dieſe Zwecke konnten wahrhaft nur dann erreicht werden, wenn eine Reinigung der Rechtswiſſenſchaft von dieſen Mängeln durch eine eindringende kritiſche Er- forſchung vorherging: da aber dieſe fehlte, und alſo die Abfaſſung der Geſetzbücher unter dem Einfluß deſſelben mangelhaften Zuſtandes der Rechtswiſſenſchaft unternom- men wurde, dem man abhelfen wollte, ſo konnte die Ver- beſſerung nur eine äußerliche, zufällige und beſchränkte ſeyn, während die innere und weſentliche Mangelhaftig- keit fixirt, und dadurch für die Zukunft die Reinigung durch die innere Kraft der Wiſſenſchaft verhindert, oder wenigſtens ſehr erſchwert wurde. Der große Unterſchied dieſer Geſetzbücher von allen bisherigen einzelnen Geſetzen liegt in ihrer umfaſſenden

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/159>, abgerufen am 03.05.2024.