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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.

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sie sich etwas mannichfaltig, sie behandeln es wie
eine unbestimmte Größe, welche viele Werthe haben
kann. Als solche Werthe nämlich kommen vor 1):
1. equite naturelle, loi naturelle; 2. Römisches
Recht; 3. die alten coutumes; 4. usages, exemples,
decisions, jurisprudence; 5. droit commun
2);
6. principes generaux, maximes, doctrine, scien-
ce.
Ueber das Verhältniß dieser sehr verschiedenen
Werthe zu einander wird gar nichts gesagt, außer
einmal, daß das Naturrecht nur in subsidium gelte,
wenn selbst usage und doctrine nicht ausreiche 3).
Wir wollen es versuchen, bestimmte Resultate hier-
aus zu ziehen.

Zuvörderst ist es auffallend, daß Eine Art der
Ergänzung gar nicht vorkommt, die organische näm-
lich, welche von einem gegebenen Punkt (also von
einem Grundsatz des Gesetzbuchs) mit wissenschaftli-
cher Sicherheit auf einen nicht gegebenen schließt.
Unsere Juristen haben davon unter den Namen Ana-

jamais, dans aucun proces, on ne peut citer un texte bien clair
et bien precis de loi, ensorte que ce n'est jamais que par le
bon sens et par l'equite que l'on peut decider."
1) Conference T. 1. p. 27. 29. Motifs T. 2. p. 17. 18. Ma-
leville
T. 1. p. 13. Projet, discours preliminaire p. XI. XII.
XIII.
2) Bonaparte in conference T. 2. p. 327. Avis du con-
seil d'etat im Bulletin des lois
und bey Locre T. 3. p. 104,
"les divers cas que la loi ... a laisses a la disposition des prin-
"cipes generaux et du droit commun."
3) Projet l. c.

ſie ſich etwas mannichfaltig, ſie behandeln es wie
eine unbeſtimmte Größe, welche viele Werthe haben
kann. Als ſolche Werthe nämlich kommen vor 1):
1. équité naturelle, loi naturelle; 2. Römiſches
Recht; 3. die alten coutumes; 4. usages, exemples,
décisions, jurisprudence; 5. droit commun
2);
6. principes généraux, maximes, doctrine, scien-
ce.
Ueber das Verhältniß dieſer ſehr verſchiedenen
Werthe zu einander wird gar nichts geſagt, außer
einmal, daß das Naturrecht nur in subsidium gelte,
wenn ſelbſt usage und doctrine nicht ausreiche 3).
Wir wollen es verſuchen, beſtimmte Reſultate hier-
aus zu ziehen.

Zuvörderſt iſt es auffallend, daß Eine Art der
Ergänzung gar nicht vorkommt, die organiſche näm-
lich, welche von einem gegebenen Punkt (alſo von
einem Grundſatz des Geſetzbuchs) mit wiſſenſchaftli-
cher Sicherheit auf einen nicht gegebenen ſchließt.
Unſere Juriſten haben davon unter den Namen Ana-

jamais, dans aucun procès, on ne peut citer un texte bien clair
et bien précis de loi, ensorte que ce n’est jamais que par le
bon sens et par l’équité que l’on peut décider.“
1) Conférence T. 1. p. 27. 29. Motifs T. 2. p. 17. 18. Ma-
leville
T. 1. p. 13. Projet, discours préliminaire p. XI. XII.
XIII.
2) Bonaparte in conférence T. 2. p. 327. Avis du con-
seil d’état im Bulletin des lois
und bey Locré T. 3. p. 104,
„les divers cas que la loi … a laissés à la disposition des prin-
„cipes généraux et du droit commun.“
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[74/0084] ſie ſich etwas mannichfaltig, ſie behandeln es wie eine unbeſtimmte Größe, welche viele Werthe haben kann. Als ſolche Werthe nämlich kommen vor 1): 1. équité naturelle, loi naturelle; 2. Römiſches Recht; 3. die alten coutumes; 4. usages, exemples, décisions, jurisprudence; 5. droit commun 2); 6. principes généraux, maximes, doctrine, scien- ce. Ueber das Verhältniß dieſer ſehr verſchiedenen Werthe zu einander wird gar nichts geſagt, außer einmal, daß das Naturrecht nur in subsidium gelte, wenn ſelbſt usage und doctrine nicht ausreiche 3). Wir wollen es verſuchen, beſtimmte Reſultate hier- aus zu ziehen. Zuvörderſt iſt es auffallend, daß Eine Art der Ergänzung gar nicht vorkommt, die organiſche näm- lich, welche von einem gegebenen Punkt (alſo von einem Grundſatz des Geſetzbuchs) mit wiſſenſchaftli- cher Sicherheit auf einen nicht gegebenen ſchließt. Unſere Juriſten haben davon unter den Namen Ana- 1) 1) Conférence T. 1. p. 27. 29. Motifs T. 2. p. 17. 18. Ma- leville T. 1. p. 13. Projet, discours préliminaire p. XI. XII. XIII. 2) Bonaparte in conférence T. 2. p. 327. Avis du con- seil d’état im Bulletin des lois und bey Locré T. 3. p. 104, „les divers cas que la loi … a laissés à la disposition des prin- „cipes généraux et du droit commun.“ 3) Projet l. c. 1) jamais, dans aucun procès, on ne peut citer un texte bien clair et bien précis de loi, ensorte que ce n’est jamais que par le bon sens et par l’équité que l’on peut décider.“

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/84>, abgerufen am 27.04.2024.