Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.auf solche Weise zu verjüngen bereit war, daß das den
auf ſolche Weiſe zu verjüngen bereit war, daß das den
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0042" n="32"/> auf ſolche Weiſe zu verjüngen bereit war, daß das<lb/> neue blos zur Entwicklung des alten diente, dieſes<lb/> richtige Ebenmaaß der beharrlichen und der fortbe-<lb/> wegenden Kräfte. Dieſer Sinn war in der Verfaſ-<lb/> ſung wie im bürgerlichen Rechte wirkſam, aber dort<lb/> war er ſchon vor dem Ende der Republik erloſchen,<lb/> während er hier noch Jahrhunderte lang fortwirken<lb/> konnte, weil hier nicht dieſelben Gründe der Corrup-<lb/> tion ſtatt fanden wie in der Verfaſſung. Alſo auch<lb/> im bürgerlichen Rechte war der allgemeine Römiſche<lb/> Character ſichtbar, das Feſthalten am Herkömmli-<lb/> chen, ohne ſich durch daſſelbe zu binden, wenn es<lb/> einer neuen, volksmäßig herrſchenden Anſicht nicht<lb/> mehr entſprach. Darum zeigt die Geſchichte des Rö-<lb/> miſchen Rechts bis zur claſſiſchen Zeit überall allmäh-<lb/> liche, völlig organiſche Entwicklung. Entſteht eine<lb/> neue Rechtsform, ſo wird dieſelbe unmittelbar an<lb/> eine alte, beſtehende angeknüpft, und ihr ſo die<lb/> Beſtimmtheit und Ausbildung derſelben zugewendet.<lb/> Dieſes iſt der Begriff der Fiction, für die Entwick-<lb/> lung des Römiſchen Rechts höchſt wichtig und von<lb/> den Neueren oft lächerlich verkannt: ſo die <hi rendition="#aq">bono-<lb/> rum possessio</hi> neben der <hi rendition="#aq">hereditas,</hi> die <hi rendition="#aq">publiciana<lb/> actio</hi> neben der <hi rendition="#aq">rei vindicatio,</hi> die <hi rendition="#aq">actiones utiles</hi><lb/> neben den <hi rendition="#aq">directae</hi>. Und indem auf dieſe Weiſe das<lb/> juriſtiſche Denken von der größten Einfachheit zur<lb/> mannichfaltigſten Ausbildung ganz ſtetig und ohne<lb/> äußere Störung oder Unterbrechung fortſchritt, wurde<lb/> <fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [32/0042]
auf ſolche Weiſe zu verjüngen bereit war, daß das
neue blos zur Entwicklung des alten diente, dieſes
richtige Ebenmaaß der beharrlichen und der fortbe-
wegenden Kräfte. Dieſer Sinn war in der Verfaſ-
ſung wie im bürgerlichen Rechte wirkſam, aber dort
war er ſchon vor dem Ende der Republik erloſchen,
während er hier noch Jahrhunderte lang fortwirken
konnte, weil hier nicht dieſelben Gründe der Corrup-
tion ſtatt fanden wie in der Verfaſſung. Alſo auch
im bürgerlichen Rechte war der allgemeine Römiſche
Character ſichtbar, das Feſthalten am Herkömmli-
chen, ohne ſich durch daſſelbe zu binden, wenn es
einer neuen, volksmäßig herrſchenden Anſicht nicht
mehr entſprach. Darum zeigt die Geſchichte des Rö-
miſchen Rechts bis zur claſſiſchen Zeit überall allmäh-
liche, völlig organiſche Entwicklung. Entſteht eine
neue Rechtsform, ſo wird dieſelbe unmittelbar an
eine alte, beſtehende angeknüpft, und ihr ſo die
Beſtimmtheit und Ausbildung derſelben zugewendet.
Dieſes iſt der Begriff der Fiction, für die Entwick-
lung des Römiſchen Rechts höchſt wichtig und von
den Neueren oft lächerlich verkannt: ſo die bono-
rum possessio neben der hereditas, die publiciana
actio neben der rei vindicatio, die actiones utiles
neben den directae. Und indem auf dieſe Weiſe das
juriſtiſche Denken von der größten Einfachheit zur
mannichfaltigſten Ausbildung ganz ſtetig und ohne
äußere Störung oder Unterbrechung fortſchritt, wurde
den
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