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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.

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durch gefunden Verstand ohne alle juristische Bildung
gefunden werden könnte, und um einen so leichten
Gewinn lohnt es sich nicht, Gesetze und Juristen von
zweytausend Jahren her zu unsrer Hülfe zu bemü-
hen Wir wollen versuchen, das eigenthümliche des
Römischen Rechts etwas genauer ins Auge zu fassen.
Daß es damit eine andere als die hier angedeutete
Bedeutung habe, läßt sich im Voraus schon darum
vermuthen, weil es das einzige Recht eines großen,
lange bestehenden Volkes ist, welches eine ganz na-
tionale, ungestörte Entwicklung gehabt hat, und zu-
gleich in allen Perioden dieses Volkes mit vorzügli-
cher Liebe gepflegt worden ist.

Betrachten wir zuerst die Justinianischen Rechts-
bücher, also diejenige Form, in welcher das Römi-
sche Recht zu den neueren Staaten in Europa ge-
kommen ist, so ist in ihnen eine Zeit des Verfalls
nicht zu verkennen. Der Mittelpunkt dieser Rechts-
bücher ist eine Compilation aus Schriften einer clas-
sischen Zeit, die als verloren und jetzt unerreichbar
dasteht, und Justinian selbst hat dessen kein Hehl.
Diese classische Zeit also, die des Papinian und
Ulpian ist es, worauf wir unsre Blicke zu richten
haben, und wir wollen versuchen, von der Art und
Weise dieser Juristen ein Bild zu entwerfen.

Es ist oben (S. 22) gezeigt worden, daß in
unsrer Wissenschaft aller Erfolg auf dem Besitz der
leitenden Grundsätze beruhe, und gerade dieser Besitz

durch gefunden Verſtand ohne alle juriſtiſche Bildung
gefunden werden könnte, und um einen ſo leichten
Gewinn lohnt es ſich nicht, Geſetze und Juriſten von
zweytauſend Jahren her zu unſrer Hülfe zu bemü-
hen Wir wollen verſuchen, das eigenthümliche des
Römiſchen Rechts etwas genauer ins Auge zu faſſen.
Daß es damit eine andere als die hier angedeutete
Bedeutung habe, läßt ſich im Voraus ſchon darum
vermuthen, weil es das einzige Recht eines großen,
lange beſtehenden Volkes iſt, welches eine ganz na-
tionale, ungeſtörte Entwicklung gehabt hat, und zu-
gleich in allen Perioden dieſes Volkes mit vorzügli-
cher Liebe gepflegt worden iſt.

Betrachten wir zuerſt die Juſtinianiſchen Rechts-
bücher, alſo diejenige Form, in welcher das Römi-
ſche Recht zu den neueren Staaten in Europa ge-
kommen iſt, ſo iſt in ihnen eine Zeit des Verfalls
nicht zu verkennen. Der Mittelpunkt dieſer Rechts-
bücher iſt eine Compilation aus Schriften einer claſ-
ſiſchen Zeit, die als verloren und jetzt unerreichbar
daſteht, und Juſtinian ſelbſt hat deſſen kein Hehl.
Dieſe claſſiſche Zeit alſo, die des Papinian und
Ulpian iſt es, worauf wir unſre Blicke zu richten
haben, und wir wollen verſuchen, von der Art und
Weiſe dieſer Juriſten ein Bild zu entwerfen.

Es iſt oben (S. 22) gezeigt worden, daß in
unſrer Wiſſenſchaft aller Erfolg auf dem Beſitz der
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[28/0038] durch gefunden Verſtand ohne alle juriſtiſche Bildung gefunden werden könnte, und um einen ſo leichten Gewinn lohnt es ſich nicht, Geſetze und Juriſten von zweytauſend Jahren her zu unſrer Hülfe zu bemü- hen Wir wollen verſuchen, das eigenthümliche des Römiſchen Rechts etwas genauer ins Auge zu faſſen. Daß es damit eine andere als die hier angedeutete Bedeutung habe, läßt ſich im Voraus ſchon darum vermuthen, weil es das einzige Recht eines großen, lange beſtehenden Volkes iſt, welches eine ganz na- tionale, ungeſtörte Entwicklung gehabt hat, und zu- gleich in allen Perioden dieſes Volkes mit vorzügli- cher Liebe gepflegt worden iſt. Betrachten wir zuerſt die Juſtinianiſchen Rechts- bücher, alſo diejenige Form, in welcher das Römi- ſche Recht zu den neueren Staaten in Europa ge- kommen iſt, ſo iſt in ihnen eine Zeit des Verfalls nicht zu verkennen. Der Mittelpunkt dieſer Rechts- bücher iſt eine Compilation aus Schriften einer claſ- ſiſchen Zeit, die als verloren und jetzt unerreichbar daſteht, und Juſtinian ſelbſt hat deſſen kein Hehl. Dieſe claſſiſche Zeit alſo, die des Papinian und Ulpian iſt es, worauf wir unſre Blicke zu richten haben, und wir wollen verſuchen, von der Art und Weiſe dieſer Juriſten ein Bild zu entwerfen. Es iſt oben (S. 22) gezeigt worden, daß in unſrer Wiſſenſchaft aller Erfolg auf dem Beſitz der leitenden Grundſätze beruhe, und gerade dieſer Beſitz

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/38>, abgerufen am 29.11.2024.