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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.

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selbe gilt vom Begriff des Status. Hier nun liegt
die Unterscheidung von Personenrechten und Sachen-
rechten zum Grunde (§. 14. 15), die aber weder auf
Römische, noch auf irgend eine andere Weise bestimmt
gedacht sind. Das Landrecht (I. 2. §. 122 -- 130)
ist darin genauer. -- Der Begriff der Sache (§.
285 vgl. §. 303) wird in solcher Allgemeinheit ge-
nommen, daß kaum etwas ist, was nicht Sache
heißen könnte: Künste, Wissenschaften, Fertigkeiten,
Begriffe sind insgesammt Sachen in diesem allgemei-
nen Sinne. Nun werden aber unmittelbar auf den
Begriff der Sache zwey der allerwichtigsten Rechts-
begriffe gegründet: Besitz (§. 309) und Eigenthum
(§. 353. 354). Allein es ist einleuchtend, daß eben
dadurch diese Begriffe durchaus gestaltlos und un-
brauchbar werden; so müßten wir z. B. nach §. 309
einem Gelehrten den juristischen Besitz seiner Wissen-
schaft zuschreiben, denn er hat sie in seiner Macht,
und er hat den Willen, sie zu behalten. Unvermerkt
wird deshalb in der Behandlung dieser Lehren ein
engerer, nirgends bestimmter Begriff von Sache un-
tergelegt, allein auch dieser stillschweigend eingeführte
Begriff ist nicht zulänglich, denn nach ihm müßte es
doch noch z. B. an einer Forderung (obligatio)
Besitz und Eigenthum geben, was zwar uneigentlich
gesagt werden kann, wozu aber die ganze Theorie
von Besitz und Eigenthum gar nicht paßt. Das
Landrecht (I. 2. §. 3) hilft hier durch einen besonders

G 2

ſelbe gilt vom Begriff des Status. Hier nun liegt
die Unterſcheidung von Perſonenrechten und Sachen-
rechten zum Grunde (§. 14. 15), die aber weder auf
Römiſche, noch auf irgend eine andere Weiſe beſtimmt
gedacht ſind. Das Landrecht (I. 2. §. 122 — 130)
iſt darin genauer. — Der Begriff der Sache (§.
285 vgl. §. 303) wird in ſolcher Allgemeinheit ge-
nommen, daß kaum etwas iſt, was nicht Sache
heißen könnte: Künſte, Wiſſenſchaften, Fertigkeiten,
Begriffe ſind insgeſammt Sachen in dieſem allgemei-
nen Sinne. Nun werden aber unmittelbar auf den
Begriff der Sache zwey der allerwichtigſten Rechts-
begriffe gegründet: Beſitz (§. 309) und Eigenthum
(§. 353. 354). Allein es iſt einleuchtend, daß eben
dadurch dieſe Begriffe durchaus geſtaltlos und un-
brauchbar werden; ſo müßten wir z. B. nach §. 309
einem Gelehrten den juriſtiſchen Beſitz ſeiner Wiſſen-
ſchaft zuſchreiben, denn er hat ſie in ſeiner Macht,
und er hat den Willen, ſie zu behalten. Unvermerkt
wird deshalb in der Behandlung dieſer Lehren ein
engerer, nirgends beſtimmter Begriff von Sache un-
tergelegt, allein auch dieſer ſtillſchweigend eingeführte
Begriff iſt nicht zulänglich, denn nach ihm müßte es
doch noch z. B. an einer Forderung (obligatio)
Beſitz und Eigenthum geben, was zwar uneigentlich
geſagt werden kann, wozu aber die ganze Theorie
von Beſitz und Eigenthum gar nicht paßt. Das
Landrecht (I. 2. §. 3) hilft hier durch einen beſonders

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[99/0109] ſelbe gilt vom Begriff des Status. Hier nun liegt die Unterſcheidung von Perſonenrechten und Sachen- rechten zum Grunde (§. 14. 15), die aber weder auf Römiſche, noch auf irgend eine andere Weiſe beſtimmt gedacht ſind. Das Landrecht (I. 2. §. 122 — 130) iſt darin genauer. — Der Begriff der Sache (§. 285 vgl. §. 303) wird in ſolcher Allgemeinheit ge- nommen, daß kaum etwas iſt, was nicht Sache heißen könnte: Künſte, Wiſſenſchaften, Fertigkeiten, Begriffe ſind insgeſammt Sachen in dieſem allgemei- nen Sinne. Nun werden aber unmittelbar auf den Begriff der Sache zwey der allerwichtigſten Rechts- begriffe gegründet: Beſitz (§. 309) und Eigenthum (§. 353. 354). Allein es iſt einleuchtend, daß eben dadurch dieſe Begriffe durchaus geſtaltlos und un- brauchbar werden; ſo müßten wir z. B. nach §. 309 einem Gelehrten den juriſtiſchen Beſitz ſeiner Wiſſen- ſchaft zuſchreiben, denn er hat ſie in ſeiner Macht, und er hat den Willen, ſie zu behalten. Unvermerkt wird deshalb in der Behandlung dieſer Lehren ein engerer, nirgends beſtimmter Begriff von Sache un- tergelegt, allein auch dieſer ſtillſchweigend eingeführte Begriff iſt nicht zulänglich, denn nach ihm müßte es doch noch z. B. an einer Forderung (obligatio) Beſitz und Eigenthum geben, was zwar uneigentlich geſagt werden kann, wozu aber die ganze Theorie von Beſitz und Eigenthum gar nicht paßt. Das Landrecht (I. 2. §. 3) hilft hier durch einen beſonders G 2

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/109>, abgerufen am 04.05.2024.